Noch ist die Messe zur Bundestagswahl längst nicht gelesen. Die demoskopischen Befunde von heute können schon morgen überholt sein. Denn Stimmungen, die sich innerhalb kürzester Zeit verändern, sind keine Stimmen der Wählerinnen und Wähler, wenn sie am 26. September zur Wahl gehen.
Union und Laschet im Aufwind
Vor diesem Hintergrund mag sich die Freude der CDU und CSU in Grenzen halten. Gewiss bewegt sich die Union allmählich aus ihrem jüngsten Umfragetief heraus und erreicht nun wieder 28 bis 29 % bei der Sonntagsfrage. Da indessen noch viel Wasser den Rhein und die Spree herunterlaufen wird, bis der Tag der Wahl erreicht sein wird, hoffen die Parteigranden, dass sich der positive Trend in den nächsten 100 Tagen fortsetzen wird. Denn das strategische Ziel liegt bei deutlich über 30 %. Es gilt deshalb, dieses Ergebnis zu erreichen, mit dem es unmöglich würde, eine Koalition gegen die Union zu schmieden und Armin Laschet den Weg in das Kanzleramt zu versperren. Mit ihrem Wahlprogramm, das Anfang der nächsten Woche dem Wahlvolk präsentiert wird, will die Union punkten, um über die 30er-Schwelle zu springen.
Schwarz-Grün: Eine schwierige Koalition
Die aktuellen Daten der Demoskopen haben nämlich viele Strategen der Union nur zum Teil erfreut. Dass Armin Laschet jetzt bei den Kanzlerkandidaten vor Olaf Scholz rangiert, das hat nicht sonderlich überrascht, doch dass er inzwischen einen deutlichen Vorsprung vor Annalena Baerbock aufweist, das hat zumindest eine gewisse Erleichterung im Konrad-Adenauer-Haus ausgelöst.
Dennoch werden insbesondere mögliche Koalitionen durchkalkuliert. Die Union könnte mit ihren 28 bis 29 % eine Mehrheit darstellen, wenn sie die Grünen mit ihren 21 bis 22 % ins Regierungsboot holen würde. Damit würden Armin Laschet der neue Bundeskanzler und Annalena Baerbock die Vizekanzlerin. Nicht wenige Christdemokraten und Christsoziale haben sich auf eine solche Koalition bereits eingerichtet, um so auch in den nächsten Jahren den Regierungschef unserer Republik zu stellen. Über die großen Unterschiede zwischen der Union und den Grünen wird oft genug kaum noch diskutiert. Vielmehr wird darauf hingewiesen, dass Union und Grüne in einigen Bundesländern – sogar in Hessen! – relativ friktionsfrei regieren. In der Bundespolitik dürften die Schwierigkeiten jedoch wesentlich größer werden als in der Landesliga.
Grüne + SPD + FDP: Die verlockende Alternative?
Nach den aktuellen Umfragen würde indessen auch eine Koalition der Grünen (21 bis 21,5 %) mit der SPD (14 bis 15 %) und der FDP (12 bis 14 %) sich durchaus als Alternative anbieten. Die Grünen sind fest entschlossen, ihre Kanzlerkandidatin trotz aller Pannen zur Regierungschefin zu machen. Dafür wären sie zu allen möglichen Zugeständnissen an die potentiellen Partnerparteien bereit – zuvorderst an die ohnehin grün angehauchten Sozialdemokraten. An das strategische Ziel der SPD, Olaf Scholz zum Bundeskanzler zu machen, glauben immer weniger Genossen. Doch mit der weiteren Regierungsbeteiligung wäre immerhin der SPD-Wunsch, die Union auf die harten Bänke der Opposition zu verbannen, zu realisieren. Damir würden die Sozialdemokraten sogar das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten als Erfolg feiern und eine Renaissance der SPD ankündigen.
Die Schlüsselrolle der Liberalen
Ohne die Liberalen wäre indessen kein Staat zu machen: Von der Union werden sie als der optimale Koalitionspartner landauf, landab gepriesen. Doch nur wenn CDU und CSU an die 35 % herankommen und die FDP um die 14 % erreicht, wäre eine solche Regierungsmehrheit darstellbar. Nicht ganz ohne Reiz könnte das Bündnis der FDP mit den Grünen und der SPD sein. Einige liberale Politiker gehen in dieser Konstellation davon aus, dass sie so besonders viele ihrer Vorstellungen durchsetzen und ins zukünftige Regierungsprogramm bringen könnten. Zudem würden Unternehmen und Wirtschaftsverbände die FDP als ihre Gralshüter umwerben und die Partei auch mit reichlich Spenden versorgen. Christian Lindner hat ohne Zweifel seine Partei zu einer beachtlichen Stärke und Bedeutung geführt. Nun will, ja muss er alles tun, seine Liberalen auf die Sessel der nächsten Bundesregierung zu hieven. Denn noch einmal eine Legislaturperiode in der Opposition könnte für die FDP bittere Folgen haben, weil sie so keine bedeutende Rolle einnehmen würde. Immerhin halten sich die Spitzen der Liberalen im Vorfeld der Bundestagswahl ruhig, sachlich und sogar bescheiden zurück. Nicht einmal ihr Herold au Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, ist bisher mit der Forderung nach einem eigenen Kanzlerkandidaten in einer Fernseh-Talkshow aufgetreten. Und das, obwohl seine Partei sich demoskopisch auf Augenhöhe mit der SPD bewegt. So viel Bescheidenheit hatten die wenigsten Beobachter der politischen Szenerie dem FDP-Lautsprecher zugetraut.
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