Journalisten schreiben – wie der Name es sagt – für den Tag. Und deshalb haben viele offenkundig ein kurzes Gedächtnis. Anders ist nicht zu erklären, warum die Nachricht, dass Claus Kleber zum Jahresende aufhört, jetzt wie eine Neuigkeit gehandelt wird. dpa hatte diese News, die keine mehr ist, schon im vorigen Jahr verbreitet.
Aber der Moderator des „heute journal“ im ZDF ist dermaßen überragend, dass auch eine zweite Würdigung angezeigt ist, und wenn er dann Ende Dezember tatsächlich geht, ruhig noch eine Dritte.
Vorab: Ich kenne Claus Kleber seit längerem persönlich, wir sind per Du, und ich durfte für ein paar Monate unter ihm arbeiten. So bin ich befangen. Aber die oder den möchte ich sehen, die oder der meiner Behauptung widerspricht, dass der Beste geht, wenn Kleber aufhört.
Ich lernte ihn kennen, da ging er für den NDR als Radio-Mann in die USA. Schon in dieser journalistischen Disziplin entfaltete er größtes Talent als packender Erzähler. Ich erinnere mich noch genau, als ich im Autoradio einen Bericht von Kleber hörte über einen russischen Kosmonauten, der einsam und voller Heimweh um die Erde kreiste und nicht runtergeholt werden konnte, weil die russische Raumfahrt damals notleidend war. Diese Reportage war so herzzerreißend und atemberaubend, dass ich rechts ranfahren und anhalten musste, um mit höchster Konzentration zuhören zu können.
Dann wechselte Kleber in den USA das Medium, wurde Fernsehjournalist und lieferte auf Anhieb inhaltsstarke und formvollendete Höchstglanz-Reportagen für die ARD. Mit manchen, so stöhnte jedenfalls damals eine zuständige Redakteurin in der Hamburger NDR-Heimatredaktion, habe er die Budget-Rahmen gesprengt; aber Gutes hat eben seinen Preis, und sehr Gutes kann schon mal noch teurer werden.
2003 warb ihn das ZDF ab. Kleber wurde Anchorman des „heute journal“. Und auch dieser Wechsel vom Reporter zum Mann im Studio gelang ihm auf Anhieb bewundernswert perfekt. Ganz schnell wurde er der mit Abstand beste politische Moderator und Presenter deutschsprachiger Nachrichtenmagazine – und ist es bis heute geblieben. Allenfalls eine kommt an ihn ran: Seine Co-Moderatorin vom „heute journal“, Marietta Slomka, dieser mitunter „eiskalte Engel“, in Interviews oft genauso gnadenlos wie Kleber.
Seine Eröffnungen des „heute journals“ oft sprachliche Kunstwerke. Sie wecken Neugier. Man bleibt dran. Seine Moderationen lassen gute Reportagen noch besser werden. Klebers Interviews immer „auf den Punkt“, höflich und gnadenlos, hartnäckig und entlarvend – auch und vor allem dann, wenn der Interviewte ausweicht, sich windet, letztlich nicht zu packen ist.
Dass das ZDF-„heute journal“ die „Tagesthemen“ quotenmäßig deutlich deklassiert, ist gewiss in der früheren Sendezeit begründet, liegt aber ganz bestimmt auch an dem einzigartigen Duo Kleber-Slomka.
Claus Kleber blieb auch beim ZDF als Filmemacher ein brillanter Erzähler. In seinen Hochglanz-Reportagen analysiert und erklärt er komplexe Probleme und komplizierte Zusammenhänge, dass man ihm gebannt zuhört und zuschaut und – wenn man sich drauf einlässt – lernt.
Im politischen Diskurs verrutschen die Maßstäbe immer mehr. Orientierung, und sachkundige Einordnungen sind nötiger denn je. Gleichzeitig sieht sich das öffentlich-rechtliche System Anfeindungen von AfD, aber auch von Teilen der Union und der FDP ausgesetzt. Claus Kleber wurde und wird bis zum Schluss also weiter in doppelter Funktion gebraucht: Als einer, der Orientierung gibt und mit seiner unnachahmlichen Qualität beweist, wie wichtig und wertvoll das öffentlich-rechtliche Fernsehen gerade in diesen Zeiten ist oder sein kann.
Es ist und bleibt schade, dass er bald geht.