Chapeau! Frank Walter Steinmeiers Ankündigung für eine zweite Amtszeit als Bundespräsident anzutreten, zeugt von Mut und Souveränität. Als erster in der Reihe der Präsidenten bewirbt er sich aus dem Präsidialamt heraus zur Wiederwahl, ohne sich einer Mehrheit in der Bundesversammlung sicher sein zu können.
Sicher aber kann Steinmeier sein, dass sein Renommee bei einer großen Mehrheit der Bevölkerung überwältigend ist. Die Menschen spüren, mit welcher Empathie er sich ihren Sorgen und Ängsten nicht erst in der Pandemie angenommen hat. Sein stetes Eintreten gegen Hass, Rechtextremismus und Antisemitismus hat ihm große Unterstützung eingebracht. Seine unprätentiöse Art, das Schloss Bellevue zu einem in dieser Intensität nie da gewesenen Ort der Begegnung unterschiedlichster Milieus zu machen, hat ihm hohen Respekt eingebracht. Es ist nicht zu übersehen, dass der erste Mann im Staate in seiner Aufgabe, Ansprechpartner für alle Bürger guten Willens zu sein, angekommen und ein großer Gewinn für die Demokratie geworden ist. Frank Walter Steinmeier und seine souveräne Frau Elke Büdenbender sind ein Glücksfall für das Land.
Er, wie auch schon sein Vorgänger Joachim Gauck, haben dem Amt die Würde und Achtung zurückgegeben, die unter dem überstürzten Abgang Horst Köhlers und dem gestrauchelten Christian Wulff gelitten hatte. Nicht erst mit dem Ausscheiden der beiden hatte das Amt Schaden genommen – schon ihre Berufung war suspekt. Die berüchtigte „Noppensocken-Szene“, bei der in Guido Westerwelles Wohnzimmer Angela Merkel und der FDP-Vorsitzende den Außenseiter Horst Köhler als ihren Kandidaten ausguckten, um Wolfgang Schäuble zu verhindern, hatte Geschmäckle. Und mit der Berufung Christian Wulffs degradierte Merkel Schloss Bellevue zu einer, wie es damals in den Medien hieß, „Deponie“ für unliebsame Konkurrenten in der eigenen Partei. Danach, bei der Nominierung von Gauck und Steinmeier hatte Merkel – zum Glück – nicht mehr das Heft des Handelns in der Hand.
Zurück zu Steinmeier und seiner Selbstbewerbung. Sie ist einmalig in der Geschichte der Republik und mutig. Doch noch mehr Mut wird es für die Parteien – vor allem die CDU/CSU und die Grünen – bedürfen, diesen beliebten Präsidenten aus dem Amt zu jagen und sich damit zu Komplizen der AFD zu machen. Die Zeit der Gewissheiten, in denen Mehrheiten in der Bundesversammlung berechenbare Größen waren, ist in einem immer weiter aufgefächerten Parteienspektrum ohnehin vorbei. Steinmeiers Entscheidung ist spannend und der Zeitpunkt ist klug gewählt. Die Freude darüber bei der SPD ist groß, eine Selbstverständlichkeit. Dass das Echo bei der Linkspartei und der FDP durchaus wohlwollend ist, reicht zwar zu keiner Mehrheit , aber es zwingt Schwarze und Grüne, besonders gute Argumente und noch bessere Kandidaten oder Kandidatinnen zu finden, um Steinmeiers Abwahl zu begründen. Frank Walter Steinmeier ist ein Bürgerpräsident, ein Präsident des Volkes. Er hat nichts zu verlieren, kann nur gewinnen, selbst dann, wenn es zu einer zweiten Amtszeit in der Bundesversammlung nicht reicht. Sein größtes Pfund: Er weiß den Souverän, die Bürgerinnen und Bürger, in seinem Rücken.
Bildquelle: flickr, Stadt Krefeld, CC BY-NC-SA 2.0