Altkanzler Gerhard Schröder meint mal wieder, er müsse Politiker und Wähler belehren. Ausgerechnet dieser Schröder, der dem Amt des Bundeskanzlers im Nachhinein viel von seiner Reputation und Würde genommen hat.
Was Schröder in seinem jüngsten Gastbeitrag für den ansonsten renommierten Nachrichtendienst t-online abgesondert hat, ist lächerlich; aber es ist auch ärgerlich und empörend.
Schröders politische Küchenweisheiten kann man ja noch als läppisch abtun. Sie sind zumindest harmlos. Rezept gegen schlechte Umfragewerte: „Man muss fest an sich glauben und davon überzeugt sein, dass man trotz alledem gewinnt. Nur mit dieser Überzeugung kann man mobilisieren.“ Oder: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Donnerlüttich, gut dass der Genosse Gerhard das dem Genossen Olaf (Scholz) jetzt mal verklickert hat. Im Willy-Brandt-Haus werden sie ab sofort Aufwind spüren.
Regelrecht fassungslos aber liest man, wie Schröder gegen die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock die moralische Keule schwingt. Eins vorab: Das Finanzgebaren der Frau Baerbock ist in höchstem Maße peinlich. Sie hat sich offenkundig weit vom Normalbürger entfernt. Finanzielle Zuwendungen der Partei in fünfstelliger Größenordnung sind für sie augenscheinlich solche Peanuts, dass man schon mal vergessen kann, sie pflichtgemäß der Bundestagsverwaltung zu melden. Und Sonderzahlungen und Boni an die Parteichefin für Wahlerfolge und wegen Corona sind nicht nur merkwürdig. Sie sind unappetitlich.
Aber was Gerhard Schröder bei t-online zu diesem Thema schreibt, muss man vielleicht sogar zweimal lesen, um zu glauben, dass es von ihm stammt: „Die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock genehmigte sich selbst einen Corona-Bonus, der eigentlich denen zustehen sollte, die in der Pandemie Außergewöhnliches geleistet haben, wie etwa Pflegekräfte oder Supermarktbeschäftigte.“
Ja, dieser Satz stammt tatsächlich von Gerhard Schröder, der sich als sozialdemokratischer Regierungschef in teuersten Brioni-Anzügen ablichten ließ, der als „Genosse der Bosse“ Cohiba-Zigarren rauchte, von denen eine mehr kostet, als Frühstück, Mittag- und Abendessen für eine Sozialhilfe-Familie. Ausgerechnet der gibt den Anwalt der sozial und finanziell Abgehängten; der Mann der als Kanzler diese Menschen mit seiner Hartz-IV- und Agenda-Politik in Scharen von der SPD weggetrieben und seiner Partei die sozialpolitische Glaubwürdigkeit genommen hat – so nachhaltig, dass sie sich bis heute nicht davon erholen konnte und aus dem Stimmentief einfach nicht mehr rauskommt.
Gerhard Schröder als Moralist. Mit Verlaub, diese Rolle steht ihm nicht. Und sie steht ihm nicht zu. Als Kanzler forcierte er die Ahängigkeit Deutschlands vom russischen Erdgas. Als Geschäftsmann gleich danach zog und zieht er nach wie vor satte persönliche Profite aus seinen Positionen für Gazprom und die Pipeline Nordstream. Das schlimme Schicksal des russischen Oppositionellen Nawalny, die Annexion der Krim, der Russland zugeschriebene Auftragsmord im Berliner Tiergarten, Moskaus Rückendeckung für den Minsker Menschenschlächter, Flugzeugentführer und Staatsterroristen Lukaschenko – zu all dem kein Wort des unverbrüchlichen Putin-Freundes Gerhard Schröder. Der hat, so schrieb es die Süddeutsche Zeitung schon im vorigen Jahr, „offenbar jedes Gespür für seine Rolle und Verantwortung als ehemaliger Kanzler verloren“.
So soll dieser Gerhard Schröder uns gestohlen bleiben mit seinen moralisierenden Ratschlägen. Er soll gefälligst den Mund halten.
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