Der 9. Mai 1945 war ein Mittwoch. Der Krieg war seit einem Tag vorbei, und wenn ich meinen Eltern (die damals noch nicht meine Eltern waren und noch nicht einmal miteinander liiert) glauben darf, war es ein warmer, sonniger Tag. Ein sehr stiller Tag, keine Bomber, keine Granateneinschläge, keine Schreie, keine Autos.Es war unnatürlich still. Nur die Vögel zwitscherten unaufhörlich.
Meine Mutter, damals 20, machte sich zu Fuß auf den Weg zu Krupp, von Essen-Kray nach Essen- Mitte, ungefähr 8 km.Sie war dort tätig im Vorzimmer von Dr. H., der uns noch Jahrzehnte später besuchte und von der „flotten Gerda“ schwärmte. Mein Vater (damals 19) war irgendwo im Saarland (oder auch knapp daneben) in Gefangenschaft bei den Gis (den US- Soldaten). „Nie habe ich es so gut gehabt, ich war Küchenhelfer, kriegte Cola und Corned Beef und Weißbrot und Eier und Speck“ hat er einmal erzählt.
Das „Glück“ dauerte aber nur kurz, dann wurde er den Franzosen zugestellt und das war so schlimm („die hatten ja selbst nichts“ sagte er immer), dass er es schaffte und irgendwie fliehen konnte aus dem Gefangenenlager. Zu Fuß hat er sich auf den Weg gemacht, so ungefähr 350 km waren es, von der Pfalz nach Essen. „Das gefährlichste war (erzählte er später einmal) tatsächlich die Begegnung in freier Landschaft mit einer Herde Wildschweine, da hatte ich mehr Angst als in der Bretagne ein Jahr zuvor.“
Er schlug sich durch nach Essen Kray, meine Mutter wohnte in derselben Straße nebenan, aber sie kannten sich nur flüchtig. Sie war verlobt mit Hans, der war aber vermisst in Russland. Hans kam nicht zurück, und Mami und Papi kamen zusammen. Als sie drei Jahre später, 1948 geheiratet hatten, war Hans auch wieder daheim.Er lebte zwei Kilometer von uns entfernt, aber meine Mutter und er haben nie wieder ein Wort miteinander gewechselt. Ein Kollateralschaden, wenn man so will…..
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