Die Krönung der Kanzlerkandidaten der CDU/CSU und der Grünen könnte gegensätzlicher nicht sein. Während sich die Schwarzen mit schweren Säbeln bekämpften, mauschelten die Grünen – einst nach eigener Darstellung, die Partei der Transparenz, sogar mit offenen Fraktionssitzungen – jetzt ihre Kandidatin Annalena Baerbock hinter geschlossenen Türen aus.
Keine Basisbefragung, keinen Kompetenzcheck, keine Erfahrung im Parlament.
Ein Blick zurück:
„Die Gründung einer neuen Partei zieht die Querulanten an, wie der Marmeladentopf die Wespen“, sagte einst Bundesminister a.D. Erhard Eppler, nachdem er vom damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt entlassen wurde und ihn zahlreiche Mitstreiter ermunterten, eine neue Partei zu gründen. Er vergaß hinzuzufügen, dass auch die viel bedrohlicheren Opportunisten sofort ihre Karrierechancen wittern. Letzteres ist das zunächst unerkannte Problem der „Grünen“, die 1983 mit 28 Abgeordneten, Sonnenblumen vor sich her tragend, in den Deutschen Bundestag einzogen. Die vertrockneten Gewächse mussten die rheinischen Saaldiener in Bonn später entsorgen. Nun gehören sie dazu. Die „Grünen“ hatten sich nicht weniger vorgenommen, als das verkrustete System der Altparteien und des nationalen Parlaments zu erneuern.
Nach mehr 20 Jahren Mitgliedschaft im Parlament wünschte sich Ex-MdB Christian Ströbele, dass das Plenum des Bundestages ein Raum für echte Debatten werden und das Parlament und jedes einzelne Mitglied selbstbewusst, unabhängiger und freier werden muss. Mit Ströbele aber verließ der letzte verlässliche Fundi, der mit dem pazifistischen Rest die Kriegspolitik von Joseph Fischer zu verhindern versuchte, das Parlament. Seine Gegner in der CSU beschimpften ihn als „Gangster“ und „Terroristen“. Aber auch für die „Realo-Grünen“ blieb er ein Lieblingsfeind.
Zu Beginn des „Grünen-Aufbruchs“ waren dies alles sowie die Moralisierung des Politikbetriebs selbstgewählte Vorsätze. Heute alles versandet? Da saßen in den Fraktionssitzungen Mütter in Selbstgestrickten, die ihre Babys versorgen, Ex-Jusos mit Bart und wallender Haarpracht und dazwischen etwas verloren Otto Schily in Anzug mit Krawatte. Von Beginn an ein Fremdkörper in dieser Szene. Da waren alle, die damals den politischen Zeitgeist prägten, wie die Friedens-, Frauen- und Ökobewegung. Auch Trude Unruh von den Grauen Panthern. Sie stritten um die richtigen Prioritäten. Am schnellsten befand man den Parteitagsbeschluss der „Grünen-Basis“, die Diäten auf einen Facharbeiterlohn zu reduzieren, als rechtswidrig. Einig waren sich die „Grünen“ Neuparlamentarier auch sehr schnell darin, das Rotationsprinzip zu kippen. Danach sollte die Bundestagsfraktion jeweils aus gewählten Abgeordneten und ebenso vielen Nachrückern bestehen, die in einer Bürogemeinschaft zusammenarbeiten und nach der halben Sitzungsperiode die Rollen tauschen sollten. Auf diese Weise sollte ein Berufspolitikertum verhindert werden und eine direkte Anbindung an die Basis gewährleistet sein. Die meisten MdBs hielten sich jedoch nicht daran.
Die tatsächlich Wegrotierten zog es dann aber nach Europa oder in einen anderen Politposten, wie zum Beispiel Beauftragte zum Schutz von Mausohrfledermäusen. Parlamentsspott in den Fraktionen der Altparteien: Rotation heiße, in ein anderes Pöstchen zu hüpfen. Die Lebensläufe von Marieluise Beck, Claudia Roth und Cem Özdemir im Bundestagshandbuch geben über diese Praxis Aufschluss. In der ersten Legislaturperiode von 1983 bis 1987 pöbelten die anderen Parteien bei jeder Rede eines Grünen Kollegen. Da schrie man „Quatschkopf“, „Sauhaufen“, „Drecksschleuder“, „freches Luder“ oder „kläffender Goldhamster“. Spitzenreiter bei den Beschimpfungen war wie immer, wenn es um die Erniedrigung Andersdenkender ging, die CSU. Der damalige Vorsitzende der Grünen Fraktion Joseph Fischer, ein Meister der politischen Bluffokratie, keilte nach drei Ordnungsrufen von Sitzungspräsident Richard Stücklen zurück.
Des Sitzungssaales verwiesen rief er im Hinausgehen: „Mit Verlaub Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch.“ Die Hälfte der republikanischen Gesellschaft kreischte vor Begeisterung. Im Protokoll der Sitzung fand sich seltsamerweise der Ausspruch nicht wieder. Der Abgeordnete Fischer, genannt Joschka, heimlicher Vorsitzender und Drahtzieher der selbst ernannten Realisten, provozierte in der Öffentlichkeit, witzelte in Hintergrundgesprächen mit Journalisten, führte aber in der Fraktion mit einer sozialdarwinistischen Sprache. Die konservativen Bonner Korrespondenten nannten Fischer einen VT, was im Parlamentsjargon hieß: Vorgetäuschter Tiefgang. Er stilisierte sich als jugendlicher Rebell. Als Außenminister erschien er im Dreiteiler.
In der politischen Praxis der Partei und Fraktion klöppeln die Fundis Anträge und Programmbeiträge, während die Realos den Postenschacher und damit den Machterwerb betrieben. Dabei schien die politische Gangart des Joseph Fischer zunächst widersprüchlich. Die Schwarmintelligenz der Wählerschaft aber erkannte die Maskerade. Bei der Bundestagswahl 1990 wurden die Abgeordneten der Grünen Fraktion nicht mehr in den Bundestag gewählt.
Seit 1994 sind die jetzt Bündnis 90/Grünen wieder im Bundestag. Nicht mehr mit dabei der zur SPD konvertierte Otto Schily und ein Mitbegründer von Bündnis 90 aus der ehemaligen DDR Konrad Weiß, der sein freiwilliges Ausscheiden mit den schlichten Worten kommentierte: „Das ist nichts für mich.“ Der Stil der neuen Fraktion hatte sich sichtbar geändert. Wo früher Selbstgestricktes vorherrschend war, erschienen die Grünen Damen jetzt in Modelabeln im Parlament. Die Diäten machten es möglich. Viele der Neulinge konnten auch als Angestellte einer Kreissparkasse durchgehen. Inhaltlich verengte sich der Politikansatz auf kleinteilige Lösungen. Die Anpassung verläuft zwar langsam, ist aber chronisch wie die Dackellähme.
Derweil mauschelten Fischer und der spätere Bundeskanzler Gerhard Schröder am Tresen in der Bonner Kneipe „Provinz“ eine zukünftige Regierung aus. Eine Quote von 50 Prozent Männern und 50 Prozent Frauen, in den Satzungen beider Parteien vorgesehen, war kein Thema. 1998 wird der Sprecher der Grünen Fraktion in einer Rot-Grünen-Koalition trotz leichter Verluste seiner Partei Außenminister und Vizekanzler. Jetzt im Dreiteiler gewandet, dealte er mit den großen „Hunden“ in der internationalen Politik. Im zweiten Regierungsjahr bereitet der Außenminister in enger Zusammenarbeit mit seiner amerikanischen Kollegin Madeleine Albright den völkerrechtswidrigen Angriff gegen die Bundesrepublik Jugoslawien vor. Erstmalig beteiligt sich die Bundeswehr im Namen der “Normalität“ unter Bruch der deutschen Verfassung gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung mit der Zielsuche für die US-Bomber an einem Angriff gegen ein souveränes Land. Die Bürgerinnen und Bürger und die Partei der Bündnis Grünen wurden mit Lügen, Halbwahrheiten und heuchlerischen Begründungen eingenebelt. Fischer “Nie wieder Auschwitz“ bekam dafür auf dem letzten Parteitag, an dem er teilnahm, einen Farbbeutel ins Gesicht geschleudert.
Der begabte Solist und begnadete Opportunist diente immer mit viel Ehrgeiz dem jeweiligen Clan, dem er gerade angehörte. Der Autodidakt wollte immer der Beste sein. Ob er nun mit der Frankfurter Putztruppe auf einen am Boden liegenden Polizisten einprügelte oder den Jugoslawienkrieg forcierte – er war weder am Frieden noch an der Umwelt interessiert. Heute sind die Grünen im Bundestag und in der Parteispitze abgeschliffen wie Kieselsteine im Bachbett. Lebendig werden sie erst, wie auch zahlreiche Kandidaten der anderen Parteien, wenn das Rotlicht der Kameras aufleuchtet, und sie ihre polierten Sprüche absetzen dürfen.
Nur der smarte innenpolitische Sprecher Konstantin von Notz verstrubbelt sich die gegelten Haare wie der damalige britische Außenminister Boris Johnson. Der Mann ist unterscheidbar. Aus dem wird noch mal was. Wenn er keinen Haarausfall bekommt. Mit einem auf zehn Punkte geschrumpften Programm unter Wegfall der längst fälligen Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen sind die Grünen in den Wahlkampf 2017 gezogen. Die Parteispitze kopierte die regierenden Altparteien: Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckhardt zogen, wie Kardinäle durch den Mittelgang in den Parteitag ein. Man dachte: Mehr Anpassung geht kaum. Das war ein Irrtum.
Bildquelle Titelbild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F065187-0022 / Reineke, Engelbert / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de
Diesem Artikel strömt die Abneigung der Grünen aus jeder Pore, doch man kann in ihm beim besten Willen keinerlei Informationen zur Kompetenz der „netten grünen Kanzlerkandidatin“ finden.
Vielleicht sollte der Autor sich etwas mehr mit aktuellen Inhalten und Persönlichkeiten befassen, anstatt seine Abneigung gegenüber vor mehreren Jahrzehnten getragener Strickkleidung und Dreiteilern in derartiger Ausführlichkeit mitzuteilen…