Wenn es um’s Erben geht, hört oft genug jede Freundschaft auf. Vor allem wenn es sich um Millionen oder gar um Milliarden-Beträge handelt, wird mit harten Bandagen gekämpft. Rücksicht auf nahe Verwandte gibt es da nicht. Ob es die Dussmann, Aldi- oder andere Großerben sind, die familiären Konflikte erinnern an die zahlreichen Erbschaftskriege früherer Zeiten. Es wird zwar nicht mehr mit Kugeln aus Kanonen geschossen, doch ganze Heerscharen von Juristen werden ins Feld geführt, um für die Interessen der beteiligten Seiten Siege zu erzielen. Die Rechtsanwälte betreiben das Geschäft mit den Erbschaften sehr gern, denn je höher die Masse der Erblasser, um so prächtiger das Honorar.
Der verschollene Karl-Erivan Haub
Das jüngste Beispiel dafür lieferte gerade die Familie des früheren Tengelmann-Chefs, Karl-Erivan Haub. Vor etwa drei Jahren war dieser zu einem Ski-Ausflug am kleinen Matterhorn ganz allein aufgebrochen. Da jede Suche nach ihm im Schnee ohne Ergebnis blieb, gab es sogar das unglaubliche Gerücht, Karl-Ervian Haub sei mit einer Frau in Russland untergetaucht und habe seine Gemahlin Katrin Haub zurückgelassen.
Gerangel um die Todeserklärung
Ein eindeutiges Testament des damals 58jährigen Karl-Ervian Haub gibt es nicht, denn niemand hatte damit gerechnet, dass er so plötzlich tödlich verunglückte. An die Firmenspitze rückte der Bruder Christian, der bereits zuvor Geschäftsführer des Tengelmann-Imperiums mit den Beteiligungen KIK (100 %), Babymarkt (90%), OBI 74 %), Trei Real Estate (100%) und Venture Capital (100 %) war. Er will auch die Anteile der Schwägerin und ihrer Kinder übernehmen, um danach mit 68,7 % an dem Unternehmen beteiligt zu sein. Sein Bruder Georg, der in der Firma nicht aktiv mitwirkt, wird nach wie vor die restlichen 31,3 % halten.
Lange Zeit ging nach dem Verschwinden von Karl-Erivan ins Land. In der Familie wurde um den Antrag auf eine Todeserklärung gerangelt, dem die Witwe Katrin Haub dann doch zustimmte. Im Herbst 2020 hatte Christian Haub ihr und den beiden Kindern seine Bereitschaft erklärt, den Anteil des verschollenen Bruders für etwa 1,1, Mrd. € zu übernehmen. Insider wollen gar wissen, dass der Betrag deutlich darüber liegen könnte – bei rund 1,5 Mrd. € -, zumal der Firmenwert insgesamt auf bis zu 4 Mrd. € taxiert wird. Doch niemand weiß bis heute, wie hoch der Kaufpreis und damit das Erbe genau sind.
Hohe Steuern auf die Erbmasse
Bis Mitte Juni dürfte die Todeserklärung voraussichtlich rechtskräftig werden. Danach wird es zu einer komplizierten Transaktion der Erbschaft kommen. Denn zum einen muss der Kaufpreis, den die Erben kassieren, finanziert werden, zum anderen müssen die Erben hohe Beträge an den Fiskus zahlen.
Ohnehin wird dieser Erbfall womöglich noch dadurch komplizierter, da Karl-Erivan Haub, der Erblasser, und seine beiden Kinder nicht nur die deutsche, sondern auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft ausweisen. Denn die Erbschaftssteuer ist in den USA höher als in Deutschland, doch kann die hier bereits gezahlte Erbschaftssteuer dort mitangerechnet werden. Die Einkommenssteuer auf den Veräußerungsgewinn der Unternehmensanteile würde zudem die Erbschaftssteuer verringern.
Der Satz bei der Erbschaftssteuer beträgt etwa 30 %, der bei der Einkommenssteuer liegt bei 45 %. Auf jeden Fall werden hohe Summen in der nächsten Zeit fällig: Die Witwe Katrin und ihre Kinder werden die Steuern zahlen müssen – schätzungsweise 400 bis 500 Mio. €-, Christian Haub muss den Kaufpreis für die Anteile seines toderklärten Bruders finanzieren. Auf dem Weg bis zur endgültigen Abwicklung dieses Erbfalls, auf dem die Tengelmann-Erben von Peter Gauweiler, dem prominenten Rechtsanwalt aus München, begleitet wird, sind noch manche Hürden zu überwinden. Doch der Erbkrieg wurde endgültig beigelegt. Der Beitrag der Erben für den Staatshaushalt wird erfreulich ausfallen. Und die Familie des Erblassers wird gewiss nicht darben müssen. Ein wenig Trost mag sie darin finden, dass jüngst die Hinterbliebenen des südkoreanischen Samsung-Vorsitzenden Lee Kun Hee mehr als 12 Billionen Won, das sind umgerechnet 8,9 Mrd. €, für die Erbschaftssteuer zahlen müssen und damit in ihrem Land einen neuen Rekord aufstellen.
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