Der Deutsche Fußballbund, kurz DFB, ist der größte Fußballverband der Welt. Er zählt über sieben Millionen Mitglieder. Größe,das zeigt sich hier, heißt nicht auch schon Gewicht zu haben, sondern schiere Masse. Deshalb sollte man, ehe man vor lauter Staunen über die Größe des Fußballverbandes mit dem Kopf schüttelt, sich vergewissern, ob die in Frankfurt überhaupt einen haben. Man kann den Spruch des Schriftstellers Hans Kasper auch durch das geflügelte Wort von Harold Pinter ersetzen:Es ist erstaunlich, wie viele Menschen den Kopf nur zum Hut aufsetzen haben. Was das mit dem DFB zu tun hat? Zumindest nichts mit dem runden Leder, gegen den mit dem Fuß zu treten eigentliche Aufgabe eines jeden Fußballers ist. Aber mit der Führung des DFB in der hessischen Metropole, die schon in Urzeiten Probleme aufwarf und nicht erst heute mit Fritz Keller und seinem unsäglichen Freisler-Vergleich.
Wobei ich nicht weiß, warum Fritz Keller, Winzer aus Freiburg, eigentlich sympathisch als früherer Präsident des dortigen Bundesliga-Vereins, überhaupt diesen Nazi Freisler erwähnte und seinem Vize an den Kopf warf? Denn Keller ist kein Nazi, mit 64 Jahren schon vom Alter her zu jung, um dort Mitglied gewesen zu sein.Mehr noch, seine Mutter hat jüdische Stammtische am Kaiserstuhl veranstaltet, er selber sagt von sich, mit der Erinnerungs-Kultur quasi familiär verwachsen zu sein. Sein Freiburger Klub hat keine Nähe zu braunem Gedanken-Ungut, man nehme nur deren Trainer Christian Streich, einen tadellosen Ausbilder in Sachen Sport und Fußball, der sich schon mal gegen Rechtsextreme gestemmt hatte.
Nähe zu den Nazis und Nutznießer
„Dieser DFB ist nicht zu retten“, titelt der Sportchef der SZ, Claudio Catuogno seinen Kommentar zur Führungselite des Verbandes. Und im „Spiegel“ heißt es zur Führungskrise des Fuballbundes: „Außer Rand und Band“. Wenn man einen Blick zurück wirft in die Geschichte des DFB, stößt man auf noch ganz andere Geschichten. Da ist zum Beispiel DFB-Präsident Dr. Peco Bauwens, erster Präsident des DFB nach dem 2. Weltkrieg, der er blieb bis 1962. Und der dann noch Ehrenpräsident des DFB wurde, wobei er mindestens umstritten war wegen seines Verhaltens während der Nazi-Zeit und wegen einer Rede, die er nach dem Sieg beim WM-Endspiel 1954 gegen Ungarn im Münchner Bürgerbräukeller- wo denn sonst?!- gehalten hatte. 1933 trat er der NSDAP bei, wurde aber ein Jahr später wieder ausgeschlossen, da er mit einer jüdischen Frau verheiratet war. Elisabeth Bauwens nahm sich 1940 das Leben, zunehmende Schikanen hatten ihr den Mut genommen. Bauwens war ein erfolgreicher Bau-Unternehmer in Köln. Seine Firma war in einer offiziellen Liste von 2500 „Sklavenhaltern im NS-Regime“ der Alliierten vertreten.Sie betrieb ein Zwangsarbeiterlager mit 100 Insassen (nach Wikipedia) Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb am 8. Juli 1954 über die „Entgleiste Rede“ von Bauwens, der sich auf den alten Germanengott Wotan bezogen habe. Das gewonnene Endspiel bezeichnete er als „Repräsentanz besten Deutschtums“, die Spieler hätten gezeigt, „was ein gesunder Deutscher, der treu zu seinem Land steht, zu leisten vermag“. Der bei der Rede anwesende Redakteur Wolf Posselt fühlte sich an Töne aus dem 1000-jährigen Reich erinnert und seine Zeit im Jungvolk, er veranlasste die Abschaltung der Übertragung. In einem Leserbrief wurde Bauwens-Rede als „Sieg-Heil-Rede bezeichnet. Der Spiegel sprach von „Kaiser-Wilhelm.Stil“.
Unter Bauwens Leitung wurde der Frauenfußball 1955 verboten. Begründung: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut… Das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“ Bauwens selbst erklärte: „Fußball ist kein Frauensport.“
Der Historiker und Politologe Arthur Heinrich kam später zu dem Urteil über Bauwens Rolle während der NS-Jahre: Es gebe ein „hohes Maß an Identifikation “ mit Hitlers Regime. Der Kölner sei weniger Opfer denn Nutznießer der NS-Diktatur gewesen. Der Rhetorik-Professor Walter Jens, ein Liebhaber des Fußballs, hielt dem DFB 1975 vor, sich der Geschichte und Rolle in der Nazi-Zeit nicht stellen zu wollen.
Eine unrühmliche Rolle spielte DFB-Präsident Bauwens auch nach dem verlorenen dramatischen Spiel gegen Schweden im Halbinale der Fußball-WM 1958, das Deutschland mit 1:3 verlor. Bauwens tobte und kündigte an, dass man, „so lange ich im DFB mitzuentscheiden habe“, nie wieder gegen Schweden spielen werde.Die Drohung machte Bauwens wahr, die deutsche Mannschaft verließ vor dem Fifa–Bankett Schweden und reiste zurück in die Heimat. Bauwens war übrigens auch Ehrenpräsident des DFB.
Freundlich zur Junta in Argentinien
Ein anderer hoher DFB-Funktionär, erst Vize, dann Präsident des Bundes aller deutscher Kicker, Hermann Neuberger erwarb sich zwar manche Verdienste, so um die Gründung der Fußball-Bundesliga und die Fußball-WM in Deutschland, aber Neubergers Wirken blieb nicht ohne unrühmliche Szenen. Im Vorfeld der WM in Argentinien 1978 ging er nicht auf Distanz zur Junta im südamerikanischen Land um Diktator Videla, es kümmerte ihn offensichtlich wenig, dass Zehntausende von Menschen ermordet wurden oder spurlos verschwanden. Der DFB reiste ein Jahr vor der WM nach Buenos Aires zu einem Freundschaftsspiel, eine Art Good-Will-Aktion. Als einen Tag vor dem Spiel bekannt wurde, dass die deutsche Studentin Elisabeth Käsemann, Wochen zuvor verschleppt, durch die Schergen Videlas ermordet worden war, ließ DFB-Präsident Neuberger das Spiel nicht boykottieren. Mehr noch, er verabredete mit dem dortigen deutschen Botschafter, junta-freundlich wie er selbst, die Meldung über den Tod der Studentin erst nach dem Spiel zu veröffentlichen. Neuberger wollte ganz offensichtlich seine guten Kontakte zur Junta nicht gefährden, zudem stand seine Rolle als Organisationschef der WM in Argentinien wohl auf dem Spiel, wenn Deutschland einfach abgereist und möglicherweise das ganze Turnier infrage gestellt worden wär. Schließlich war man ja Titelverteidiger.
Damit nicht genug. Neuberger bezeichnete den Junta-Chef als „eine Taube“ und bestritt, dass es in Argentinien überhaupt eine Diktatur gab. Statt sich der Morde an den Regime-Gegnern anzunehmen, rühmte der DFB-Präsident die „preußische Gründlichkeit“ und das „Durchsetzungsvermögen“ der Putschisten. Während der WM empfing Neuberger im deutschen Quartier im argentinischen WM-Camp Ascochinga den einstigen Nazi-Oberst Hans-Ulrich Rudel, ein bekennender Nationalsozialist. Rudel war wie viele andere Nazi-Größen, darunter Adolf Eichmann und der KZ-Arzt Mengele, nach Argentinien geflohen, um sich einem Zugriff der Alliierten zu entziehen. Er wäre sonst als Kriegsverbrecher angeklagt worden. In Argentinien hatte Rudel ein Hilfwerk für in Deutschland verhaftete Nazis gegründet. Den Protesten in Deutschland wegen des Rudel-Empfangs begegnete Neuberger mit den Worten, die Kritik an Rudel käme „einer Beleidigung aller deutschen Soldaten gleich.“ Man fasst sich an den Kopf, wenn man einen hat. Übrigens verwehrte Neuberger dem Kicker Günter Netzer den Zugang zum deutschen Camp. Netzer war wohl bei Neuberger und Co in Ungnade gefallen.
Trotz allem blieb Neuberger im Amt bis 1992.
Das Sommer-Märchen und das viele Geld
Vergleiche hinken, auch hier. Die Nachfolger im Amt des DFB-Präsidenten sind weder mit Bauwens noch mit Neuberger zu vergleichen. Aber viel Glück hatten sie und brachten sie dem DFB auch nicht. Man denke an Gerhard Mayer-Vorfelder(CDU), der öfter ins Gerede geriet, der mehr für Glamour stand denn Solidität oder Seriösitätoder an den eher biederen Hermann Gösmann und Egidius Braun, den Unternehmensberater. Man nehme die ungückliche Rolle von Theo Zwanziger, der sich Verdienste erwarb um die Integration und die Unterstützung des Frauen-Fußballs, den man aber heute nur noch kennt, weil er sich gegen Vorwürfe zur Wehr setzt, er hätte irgendwas mit den möglichen Geschäften um die Organisation der Fußball-WM 2006 in Deutschland zu tun gehabt. Oder Wolfgang Niersbach, gewiss eloquent, der frühere Journalist, gegen den ich als jüngerer Redakteur gelegentlich Fußball gespielt habe. Aber die WM-Affäre, die Millionen, die bezahlt wurden, um den Zuschlag für die WM zu bekommen, die erkauften Stimmen, all das ist mit seinem Namen verbunden. Ja, auch mit dem von Franz Beckenbauer, aber das ist ein anderes Thema. Vielleicht im Sinne von gut gemeint. So war das mit dem Sommer-Märchen. Oder das Beispiel des früheren Journalisten Reinhard Grindel, der als kleiner Journalist im Haus 1 der Bundespressekonferenz in Bonn auftauchte und der dann zum ZDF wechselte, Bundestagsabgeordneter der CDU wurde und der dann bewusst seine Karriere als Präsident des mächtigen DFB fortsetzte. Und dabei ins Stolpern geriet, weil ihm vielleicht die Nummer zu groß geworden war. Das mit der Uhren-Affäre war nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, andere Fettnäpfe standen ihm auch im Weg und Weiteres, was hier nicht erörtert werden muss.
Da ist Fritz Keller, der Winzer, schon ein anderer Fall, gestartet als sympathische Persönlichkeit, der aber über ein Wort stolperte, das er, wäre er nicht unter Druck als DFB-Präsident, niemals in einem Wortgefecht gegenüber einem einstigen Gerichts-Präsidenten benutzt hätte. Roland Freisler, einer der schlimmsten im Richter-Gewand, der dabei saß am Wannsee im Frühjahr 1942, als unter Leitung von Heydrich und Eichmann die Endlösung der europäischen Judenfrage erörtert und eine Tabelle erstellt wurde mit 11 Millionen Juden in verschiedenen europäischen Ländern, die es zu vernichten galt. Freisler, der Blut-Richter der Geschwister Scholl und vieler anderer, rund 2500 Urteile hat dieser Mann gefällt. Nichts verbindet ihn mit dem sympathischen Herrn aus Freiburg. Jetzt lese ich, man wolle ihn loswerden in der DFB-Zentrale in Frankfurt, ihn also abschießen. Wenn er klug ist, zieht er sich selber zurück. Er hat ja einen Kopf, um in Ruhe zu entscheiden. Freiburg ist gefälliger als Frankfurt, der Klub vielleicht die letzte richtige Fußball-Nische im Millionärs-Spiel der Bundesliga, wo gerade für einen Trainer eine Ablöse von 25 Millionen Euro bezahlt worden sein soll. Fußball ist längst nicht mehr die schönste Nebensache der Welt.
Bildquelle: DFB