Der Kontrast konnte nicht größer sein. Zuerst der Auftritt der neuen Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, voller Harmonie, Geschlossenheit und Entschlossenheit, wie wir es in der Vergangenheit von den Grünen noch nie erlebt haben. Und dann die Bühne frei für das Drama der Union, mit einem Bild der Zerstrittenheit, das an Spaltung grenzt. Gerade noch, nach Mitternacht konnte Armin Laschet einen Abstimmungssieg im Bundesvorstand der CDU vermelden: 31 Stimmen für ihn, 9 für Markus Söder und sechs Enthaltungen. Das ist zwar ein klares Ergebnis, aber wer genauer hingeschaut hat, dem blieben die schweren Treffer, die der Sieger aus Aachen erhalten hatte, nicht verborgen. Nein, so sehen Sieger nicht aus. Es ging chaotisch zu.
Die Union hat diesen Namen längst nicht mehr verdient, sie ist keine Einheit mehr. Am Ende der Ära Merkel steht sie oder soll man besser sagen, liegt sie ermattet am Boden, erschöpft. Man muss sich das einfach nur vor Augen führen: Armin Laschet, Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Landes der Republik, vor wenigen Wochen zum Bundesvorsitzenden der CDU gewählt, nachdem er die innerparteilichen Gegner Norbert Röttgen und Friedrich Merz ausgeschaltet hatte. Und dieser CDU-Chef Laschet muss, gerade im Amt, schon um seine Autorität kämpfen, weil ihm viele in der eigenen Partei das Vertrauen entziehen für die Nominierung zum Kanzlerkandidaten der Union, also von CDU und CSU. Mit Laschet, so ihre Sorge, wäre die Bundestagswahl im September nicht zu gewinnen, drohte das Kanzleramt in die Hände der Grünen und der anderen roten/linken Parteien zu fallen. Welch Schreckgespenst! CDU und CSU gemeinsam auf den Oppositionsbänken, fernab der Macht, mit der die Fleischtöpfe versorgt werden. Der Untergang Deutschlands naht.
Dabei war es immer so, dass dem CDU-Vorsitzenden das Vorrecht eingeräumt wurde, als erster nach der Kanzlerkandidatur zu greifen. Weil die CDU die viel größere Partei ist, dreimal so viele Mitglieder hat wie die CSU. Weil die CSU eine Regionalpartei ist, die nur in Bayern antritt und nirgendwo sonst in den anderen Bundesländern. Ein CSU-Kandidat hätte ohne die Mithilfe der CDU, ohne deren massive Unterstützung überhaupt keine Chance, gewählt zu werden. Aber das hatte ja schon einen Franz Josef Strauß nicht geschert, der sich über Helmut Kohls Wort und Pläne 1979 hinweggesetzt hatte, dem aber, das war die Folge seines brutalen Auftretens, weite Teile der CDU dann im Wahlkampf die blinde Gefolgschaft verweigerten. Strauß scheiterte, wie erwartet.
Und genauso versuchte es sein Schüler, der heutige CSU-Chef, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, den Armin Laschet aus dem Feld zu schlagen. Ein Wort ist kein Wort, das hatte er von Strauß gelernt. Ellenbogen raus und nach vorn marschiert, die anderen dabei überrennen. So lief es dann in der letzten Woche, weil Laschet wohl nicht mit einem breitbeinigen Söder gerechnet hatte. Der hatte irgendwann gemerkt, dass die Chance da ist, nach der Macht in Berlin zu greifen, weil der Kontrahent der Schwesterpartei zögerte- weil er nicht die Ellenbogen eines Markus Söder hat, mit der man sich Luft verschafft, weil er nicht so ein Egomane ist wie der Franke, der, wenn es um seine Interessen geht, einfach losmarschiert, rücksichtslos und verantwortungslos.
Ein König ohne Land
Die Abstimmung im Bundesvorstand konnte rein zahlenmäßig der Bayer nicht gewinnen. Aber er hat den Takt vorgegeben, die Stimmung in der Runde der CDU-Vorderen, die sich die Köpfe heiß redeten. Und was nach außen drang, war doch, dass Laschet außer seinem eigenen Landesverband NRW keinen anderen Landesverband hinter sich hatte. So hat es die ARD gestern Abend berichtet. Ein Bundesvorsitzender der CDU, der kaum noch Truppen hinter sich hat, ist ein König ohne Land. Fast muss man den Mut des Rheinländers Laschet bewundern, dass er sich das alles antut. Nach Berlin, zurück nach Düsseldorf, nach Berlin und wieder an den Rhein. Von einer Diskussion zur nächsten. Und immer wieder muss er sich Kritik anhören, sich Belehrungen aus dem Freistaat gefallen lassen, er habe die Basis der Partei nicht hinter sich, das Ohr der Bürger nicht.
Immer wieder werden ihm Umfragen im Grunde im Stundentakt um die Ohren gehauen, dass er nicht der Schönste sei im ganzen Land, sondern dass die Mehrheit nach einem Führer vom Format eines Markus Söder lechze. Gesucht wird der Mann mit der starken Hand, der aber in der eigenen Heimat gar nicht so viel aufzubieten hat. Wer danach fragt, wer denn dieser Söder wirklich sei, bekommt Antworten, die sich immer wieder wiedersprechen. Denn dieser Söder ist heute so und morgen so. Kein Mann der Grundsätze, kein Teamspieler, keiner, der zusammenführt. Und dann meldet sich noch ein CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, der sich für Söder ausgesprochen hat und dann zur Begründung auch hinzufügt, es gehe bei der Frage nach dem geeigneten Kanzlerkandiaten nicht um eine Frage des Charakters, der Haltung. Es geht um die Mandate, die Abgeordneten fürchten um ihre Existenz, sie sind Berufspolitiker, sie schauen voller Ehrfurcht und Sorge auf die Umfragen.
Wie es weitergeht mit dieser Union? Ob die Diskussion über Armin Lasche zu Ende ist oder ob dem Ja des Vorstands weitere Aber folgen, ob aus Bayern weiter gestichelt wird, weil der dortige Chef ein Besserwisser ist? Dass er seine CSU hinter sich hat, darauf sollte er sich nicht viel einbilden. Söder hält sie klein, er duldet keinen Widerspruch und in seinem Kabinett ist er von politischen Zwergen umgeben. Ob der Armin Laschet jetzt wirklich unterstützt, mit dafür sorgt, dass dessen Autorität bei den Anhängern der Christdemokraten und Christsozialen wächst?
Das politische Schauspiel, das die CDU und CSU der Öffentlichkeit mitten in der Corona-Pandemie geboten haben, war mehr als unschön, es war absurd, dass Politiker von CDU und CSU Stunden und Tage sich nur mit sich selbst beschäftigt haben und dem Ernst der Lage um Covid 19 nicht gerecht wurden. Das war auch zerstörerisch und selbstzerstörerisch. Herr Söder sollte sich deshalb kritische Bemerkungen zu angeblich fehlenden Inhalten der Grünen besser sparen. Sie fallen auf ihn zurück. Er stand ja selber im Mittelpunkt des ganzen Theaters und sorgte mit dafür, dass der Eindruck erweckt wurde, als gäbe es nichts anderes zu tun, als eine Personalie zu entscheiden.
Corona ist nicht gelöst, Millionen Menschen noch nicht geimpft. Tausende und Abertausende von Deutschen sorgen sich um ihren Job, um ihre Zukunft, Selbständige wissen nicht, wie es mit ihrer Firma weitergeht, Milliarden Euro Schulden wurden gemacht, damit das Leben irgendwie weitergeht, die Schulen sind mal geschlossen, dann wieder mal geöffnet, wir reden über Ausgangssperren und Einschränkungen von Freiheitsrechten, Migrationsströme aus Afrika sind unterwegs, weil Millionen nichts zu essen haben, kein Dach über dem Kopf, keine Arbeit, die Erhitzung des Planeten verlangt Gegenmaßnahmen wie das Artensterben, die Menschheit wächst um Milliarden und im gleichen Atenzug nehmen die Ressourcen ab, der Meeresspiegel steigt, höhere Deiche werden gebaut werden müssen. Eine Vielzahl von Problem liegt auf dem Tisch, die dringlicher sind als Personalfragen von CDU und CSU.
Armin Laschet ist um sein Amt nicht zu beneiden. Aber Mitleid, das weiß er selbst, ist fehl am Platz. Wie weit er kommt, ist offen.