Im alten Kanzlerwahlverein weiß man nicht (mehr), wie man Spitzenkandidaten kürt – man hat es ja seit 1982 quasi nur noch einmal gemacht, was auch schon 16 Jahre her ist. Dass es auch jetzt eher nicht um ein nachlesbares Programm geht, ist keine Neuigkeit. „Sie kennen mich“ Das genügte einst. Dass aber gut begründete Gepflogenheiten, wie die, dass gewählte Führungsgremien zu gegebener Zeit einen Personalvorschlag machen, als Hinterzimmer-Entscheid diffamiert werden, ist wirklich einmal etwas Neues bei den Christdemokraten.
Wie anders läuft das hingegen bei den Grünen! Die Partei der Transparenz und Mitgliederbeteiligung schlechthin lässt sich die Spitzenkandidatin tatsächlich aus dem kleinstmöglichen Hinterzimmer präsentieren. Dort haben angeblich zwei Personen ganz allein entschieden! Danach haben sie professionell so lange mit der Verkündigung(!) gewartet, bis die entsprechenden Videos für die Präsentation fertig waren und – chapeau! – tatsächlich haben sie auch so lange dicht gehalten.
In der Union wird nun laut und immer lauter nach der Entscheidung durch „die Basis“ gerufen. Mit anderen Worten: die Autorität der Führungsgremien ist komplett zerstört. Aus München wird nur noch lustvoll nachgetreten.
In der SPD hat man schon früher und öfter nach Mitgliederentscheiden gerufen; erfolgreich war das nur, als kurzerhand die Wähler*innen einer niedersächsischen Landtagswahl zur SPD-Basis erklärt wurden. Gerhard Schröder hatte ihnen gesagt, er werde Kanzlerkandidat der SPD, wenn die Niedersachsen ihn zum Ministerpräsidenten wählen. Das haben sie dann gemacht. Sonst waren die Basisentscheidungen Schritte auf dem Niedergang der ältesten demokratischen Partei.
Die laufende Selbstenthauptung der CDU erinnert sehr deutlich an den über Jahre belächelten raschen Verschleiß der SPD-Vorsitzenden. Es kommt bei den Christdemokraten später und geht bislang schneller. Armin Laschet, so er mit Selbstachtung ausgestattet ist, kann eigentlich nur noch zurücktreten.
Es besteht die Gefahr, dass das Gerangel in eine christsoziale Ein-Mann-Herrschaft mündet nach österreichischem (ÖVP/Kurz) und (pardon:) US-Vorbild.(Trump-Republikaner) Nicht mehr, sondern weniger Demokratie wäre das Ergebnis. Wenn das einzige Entscheidungskriterium über den Spitzenkandidaten sein augenblicklicher Stand in Meinungsumfragen wird, handelt es sich nur noch um Populismus. Zur Erinnerung: das Mehrheitsprinzip ist ein wesentliches Kriterium von Demokratie, aber bei weitem nicht das Einzige.
Auch hier gehen die Grünen den umgekehrten Weg: Von der Bewegung zur Normalpartei vom Aktionismus zur Strategie, von der Provokation zum Parlamentarismus. Sie stellten ihre so unterhaltsamen wie abschreckenden Flügelkämpfe ein und sind schon bei der Führungsmethode „Hinterzimmer“ angekommen. Aber sie sind inzwischen eben auch zeitgeistiges Establishment. Ihre Wähler sind wohlhabend und chic, fahren Volvo und SUV, demnächst vielleicht mit Elektroantrieb und empfinden Annalena Baerbock als nette Nachbarin vom chicen Jugendstilhaus nebenan.
Bildquelle: Wikipedia, Gemeinfrei