Das Herz der vielen Schalker Fans blutet. Ihr ruhmreicher Verein rangiert ganz unten auf der tiefsten Sohle der Bundesliga. Seit langem konnten kein Sieg mehr gefeiert, keine Punkte eingefahren werden. Die Talfahrt begann bereits vor einiger Zeit und ist wahrlich hausgemacht. Und derzeit deutet nichts darauf hin, dass es wieder aufwärts gehen könnte.
Nach dem Abstieg im Jahre 1988 sah das anders aus – auch 1981 und 1983, als der Verein sich aus der Erstklassigkeit verabschieden musste. An einem vierten Abstieg in die zweite Bundesliga führt kein Weg vorbei: Am 22. Mai wird dies die harte Realität werden. Wenn nicht schon jetzt wichtige Schritte für einen Neubeginn gemacht werden, könnte der Abstieg zum freien Fall auch in die Drittklassigkeit werden.
Defizite in der Vereinsspitze
Der letzte große Präsident des 1. FC Schalke war Gerd Rehberg – ein Mann, der als Steiger unter Tage malocht hat, der als Sozialdemokrat im Revier zum Oberbürgermeister mit großer Mehrheit gewählt wurde, der die Fans verstand und ihnen nahe stand, der über eine natürlich Autorität bei den Spielern, in der Vereinsspitze und bei allen Schalke-Freunden verfügte.
Als Fleischkönig Clemens Tönnies im Jahre 2001 Aufsichtsratsvorsitzender des Vereins wurde, änderte sich alles, vieles jedoch nicht unbedingt zum Guten für Schalke 04. Bei der Bestellung der Vorstandsmitglieder bewies er nicht gerade eine glückliche Hand. Auch wurden manche Freunde des Clubs, die als Handwerker oder Händler in bescheidenem Umfang ihre Firmen per Bandenwerbung im Stadion präsentierten, zum Teil verdrängt und vergrätzt. Groß sollte es in der Veltins-Arena hergehen – mit Namen von Konzernen aus dem Ausland, allen voran mit dem russischen Sponsor Gazprom.
Diese Verbindung zu dem halbstaatlichen Energieunternehmen verschaffte Clemens Tönnies gar den Zugang zu Wladimir Putin und damit zum russischen Markt für seine Fleischprodukte. Angesichts solcher Konnektionen fiel es dem gelernten Fleischtechniker aus Rheda nicht allzu schwer, dem Schalker Club finanziell zur Seite zu stehen – zumeist wohl mit Krediten, die offenbar auch gut verzinst werden mussten.
Keine schwarze Null auf Schalke
Der Verein hielt in den meisten Jahren wenig von der „schwarzen Null“ bei seinen Finanzen. Es wurden viele Spieler mit hohen Ablösesummen eingekauft und üppige Gehälter gezahlt. Auf der anderen Seite mussten zahlreiche Profikicker – vom Torwart Neuer über den Mittelfeldspieler Goretzka und Stürmer Draxler bis bin zum Torwart Nübel – an andere Bundesliga-Vereine verkauft werden. Im Knappen-Verein ging es fast nie knapp zu, vielmehr wurde großzügig mit hohen Millionenbeträgen jongliert. Der aktuelle Spielerkader ist dafür das beste Beispiel: Es wurden Spieler aus vielen Herren Ländern zu Schalke gelockt, die eben wie eine Söldnertruppe auf dem grünen Rasen auflief und durchweg keine echte Identifikation mit dem Traditionsverein bewies. Wenn es nicht für Siege und Punkte reichte, wurden die Trainer immer wieder ausgewechselt – zumeist mit hohen finanziellen Abfindungen.
Millionen-Gagen für Söldner-Truppe
Nun herrscht „auf Schalke“ Katerstimmung. Im letzten Jahr fiel der Umsatz des Vereins – gewiss auch coronabedingt – von 275 auf 175 Mio. €. Gleichzeitig erhöhten sich die Verbindlichkeiten von 198 auf 217 Mio. €. Zins- und Tilgungsverpflichtungen werden weiterhin für Schulden in Höhe von 149 Mio. € fällig – gewiss eine schwere Zukunftslast, die die neue Finanzchefin Rühl-Hamers zu meistern haben wird. Denn dafür muss nun der dicke Brocken der hohen Spielergehälter deutlich kleiner werden. Bei einem Zweitliga-Etat von eher unter 30 Mio. € dürfte es schwer sein, für einige Kicker jeweils ein Jahresgehalt von 3 bis 6 Mio. € zu zahlen; bislang lagen die Kosten für die Profis bei insgesamt 80 Mio. €.
Manche Spieler werden sich kaum gut verkaufen lassen, denn ihre Gagen standen gerade in dieser Abstiegssaison in krassem Missverhältnis zu ihren fußballerischen Leistungen. Schwierig wird es gewiss auch, sich mit denen, die nicht an andere Clubs zu transferieren sein werden, über kräftige Einkommensabstriche zu verständigen.
Abspecken in allen Bereichen
Schalke 04 muss sich auf die Zweitklassigkeit in vielen Bereichen einstellen: Es gilt sich auf das Kerngeschäft Fußball zu konzentrieren und dabei ein neues echtes Knappen-Team zu formieren. Junge, hungrige Kicker, die sich mit dem Verein identifizieren und die Herzen der Fans wieder erobern, müssen angelockt werden. Im nahen Münsterland, im Revier um Gelsenkirchen oder im Sauerland sollten sich die Scouts umschauen, um dort Talente zu entdecken. Die Zeit der Millionen-Transfers ist endgültig vorbei. Auch die vom früheren Präsidenten Gerd Rehberg geförderte „Knappenschmiede“ als Leistungszentrum für den eigenen Nachwuchs sollte eine Renaissance erleben. Viel bescheidener wird es für Schalke auch beim Sponsoring, Merchandising und insbesondere auch bei den Einnahmen aus TV-Geldern nach dem Abstieg in die zweite Bundesliga zugehen. Zudem ist damit zu rechnen, dass nach der Corona-Krise zwar viele FC-Fans wieder zu den Spielen ihrer Knappen in Königsblau kommen werden, aber dass doch manche der gut 60.000 Plätze im Stadion leer bleiben werden. Zu den Zecken nach Dortmund werden gewiss nur wenige abwandern, doch wenn der VfL Bochum den Aufstieg in die 1.Bundesliga schaffen sollte, könnten einige Zuschauer lieber das „Stadion an der Castroper Straße“ als die „Veltins Arena“ besuchen. Denn Spiele gegen Bayern München, Borussia Dortmund oder Eintracht Frankfurt sind allemal spannender als die gegen Aue, Heidenheim oder Darmstadt. Die bitteren Folgen des Abstiegs werden indessen vor allem die über 500 Menschen spüren, die bisher auf und bei Schalke ihren Arbeitsplatz haben – im Fanshop, in der Verwaltung, in der Gastronomie oder in anderen Bereichen.
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