Vor kurzem machte ein Joke die Runde im Netz, ich vermute deutschlandweit. Da wurde zunächst das Foto gezeigt vom Containerschiff „Evergreen“ oder „Ever Given“. „Die Neue Zürcher Zeitung“ NZZ lieferte dazu die Unterzeile: „Suezkanal wieder frei. Die Ägypter haben es der Welt gezeigt.“ So weit die Nachricht und dann der Joke: „Wenn das in Deutschland passiert wäre, hätte man 100 Bagger bestellt, 200 bezahlt, 10 geliefert bekommen und nach 1 Tag die Baustelle stillgelegt, weil man keine Toilette fürs dritte Geschlecht zur Verfügung gestellt hat..“ Es ist zum Lachen und zum Weinen. Weil so etwas im Deutschland, das einst für seine Perfektion und Effizienz berühmt war, immer wieder passiert. Es passiert beim Bau eines Flughafens(Berlin), beim Umbau eines Bahnhofs(Stuttart) oder der Sanierung einer Beethovenhalle(Bonn). Die Kosten explodieren, die Bauzeiten werden um Jahre überzogen. Wir sind zu einem Land der Bedenkenträger geworden, das an den selbst gestellten Regeln scheitert, die niemand versteht, ein Land, in dem Verantwortung hin- und hergeschoben wird, Orientierung fehlt, was man auch Führungsschwäche nennen kann, die Angst vor dem Risiko überwiegt, in dem vieles nicht geschieht, weil wir alles regeln wollen. Es wird bürokratisch entschieden, dabei wäre Pragmatismus angebracht.
Irgendwie passt diese Geschichte in die Corona-Zeit. Deutschland ist gut gestartet vor mehr als einem Jahr, als es losging mit der Pandemie, aber irgendwann haben wir den Faden verloren, treten wir auf der Stelle, wird beschlossen und verkündet, dann wieder zurückgenommen. Die Kanzlerin bittet um Verzeihung, übernimmt die Verantwortung für die Fehl-Entscheidung der Runde mit den Ministerpräsidenten, der Ruhetag wird gestrichen. Nur ein Beispiel, das aber zeigt, dass wir ins Hintertreffen geraten sind. Wir reden von Testen, Impfen, Testen, Impfen, haben aber zur Zeit der Erklärung vergessen, dass wir die Testmöglichkeiten zu spät angeschafft haben, wir kündigen an, dass ab dann und dann geimpft werden soll, stellen aber fest, dass wir den Impfstoff nicht in ausreichender Menge zur Verfügung haben. Ein Teil des Problems liegt in Brüssel, wo es eine Kommissions-Präsidentin namens Ursula von der Leyen gibt, die in die belgische Metropole befördert wurde, nachdem (oder weil) sie als Verteidigungsministerin gnadenlos gescheitert war. Diese Personalie muss ich der Kanzlerin Angela Merkel anlasten.
Wenn Vertrauen verlorengeht
Wer die Pandemie seit Monaten verfolgt und die Entscheidungen dazu in Deutschland, versteht die Welt nicht mehr, er schüttelt den Kopf über die da oben. Fragt sich: Haben denn alle den Verstand verloren? Tag für Tag hört er die steigenden Inzidenzzahlen, die Zahl der Toten. Er hört, sieht und liest in den Medien über neue Impfstoffe, denkt, hofft, bald werde er auch geimpft werden, bis er erfährt, der russische Impfstoff Sputnik sei für deutsche Menschen noch nicht ausreichend geprüft worden. Das verstehe, wer will. Oder muss man Russlands allmächtigem Präsidenten Putin unterstellen, dass er seinen Leuten einen Impfstoff verpassen lasse, der nicht genügend geprüft worden ist? Russland war doch auf medizinischem Gebiet immer Weltspitze. Dann das Desaster mit AstraZeneca, bei dem ich mir Einzelheiten ersparen will. Nur eines ist mir klar: die Unsicherheit der Menschen, ihre Sorge um ihre Gesundheit, ja ihr Leben, all dies ist doch durch die miserable Kommunikation erst geschürt worden. Der Bundesgesundheitsminister wirkt nicht immer überzeugend, um es mal zurückhaltend zu sagen. Man bittet die Menschen um Geduld, es werde schon werden, doch wie sollen sie sich in Geduld üben, wenn Leute wegen oder an Corona sterben, jeden Tag. Inzwischen sind es Zigtausend geworden. Allein in Deutschland gibt es-Stand 2. April- 76940 Todesfälle, allein in NRW 14296, in Bayern starben in Zusammenhang mit der Pandemie 13303. In den genannten Bundesländern erhielten 11,5 Prozent(NRW) und 12,2 Prozent die Erstimpfung. Geduld? Wenn das Virus durch die Luft fliegt? Bis September sollen alle Deutschen, die es wollen, gegen Corona geimpft worden sein. Hoffen wir, dass das klappt. Dann die Sache mit Lockdown, Geschäfte auf, Geschäfte zu, Hotels geschlossen, Kneipen dicht. Wie sollen die alle überleben? Bin gespannt auf die Zeit danach.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht in seiner Oster-Fernsehansprache von einer Krise des Vertrauens, er rügt die politisch Verantwortlichen für Fehler und fordert nach den jüngsten Querelen, sie sollten sich zusammenraufen. Da darf sich jeder angesprochen fühlen, die Kanzlerin ebenso wie der Grünen-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Bayerns Regierungschef, wie auch der NRW-Ministerpräsident und CDU-Chef und Hamburgs Regierender Bürgermeister, der Mitglied der SPD ist. Aber auch all die anderen, die irgendwo und irgendwie mit in einem Regierungsboot sitzen, die Liberalen, die Linken. Keiner soll sich verstecken dürfen. Der Bundespräsident mahnt und warnt, weil er natürlich spürt, wie selbst bei den Demokraten im Land die Zustimmung zu unserer eigentlichen guten parlamentarischen Demokratie zurückgeht. Steinmeier macht sich in seiner Ansprache quasi zu einem Anwalt der Bürgerinnen und Bürger, indem er in ihrem Sinne seinen Unmut über die aktuelle Politik und die Politikerinnen und Politiker laut und deutlich äußert. Aber das Staatsoberhaupt nimmt auch die Bürgerinnen und Bürger in die Pflicht, mitzumachen und anzupacken und sich nicht nur zu empören. Das Rufen nach dem Staat ist das eine, aber auch leicht dahin gesagt, denn dem muss auch entgegengehalten werden, dass der Staat Wir sind, Wir alle, die Bürgerinnen und Bürger der Republik sind mitverantwortlich dafür, dass dieser Staat funktioniert, dass er gelingt. Aber er gelingt nur, wenn wir nicht nur auf den anderen zeigen, um dem die Schuld in die Schuhe zu schieben, sondern dabei den alten Spruch von einem der Amtsvorgänger von Steinmeier, nämlich Gustav Heinemann, zitieren: Wer mit dem Finger auf andere zeigt, muss wissen, dass drei Finger derselben Hand auf ihn zurückweisen.
Dreist und unverschämt
Vertrauen in die Politik, Vertrauen in die Parteien, die diese Politik gestalten, diskutieren, streiten über den richtigen Weg. Alles richtig, alles nötig. Aber wer von den Bürgerinnen und Bürgern Einschränkungen verlangt, wie seit Monaten in der Pandemie in Deutschland, der muss dafür sorgen, dass er sich vorbildlich verhält. Der darf nicht, wie wir das seit Wochen in der CDU und der CSU erleben, in die eigene Tasche wirtschaften. Wie soll so Glaubwürdigkeit erzielt werden, Vertrauen? Es sind einzelne Fälle, es geht um Geschäfte mit Masken, mit der Not der Menschen noch Geld verdienen- wunderbar, toll ist das? Dreist ist das, unverschämt, schamlos. Die wenigen Fälle schaden dem Image, dem Ruf der Abgeordneten. Und wenn dann noch über Neuregelungen gesprochen wird, erst ab einem Betrag von 100000 Euro solle genauer hingeschaut werden auf die Nebenverdienste. Ja, liebe Leute in Berlin, wo leben Sie eigentlich, in welcher Traumwelt? Ist es da nicht verständlich, dass der Zeitgenosse gar nicht mehr weiß, was hier Haupt-Beruf ist und was Neben-Beschäftigung. Hier wird doch der Verdacht von der Politik geschürt, dass man das Mandat nur dazu benutzt, um an möglichst lukrative Neben-Einkünfte zu kommen. Wundert es da noch jemand, wenn die Bürger sich darüber beklagen und abwenden, weil sie das Gefühl haben, die Politiker kümmerten sich zu sehr um die Mehrung ihrer Einkünfte als um die Sorgen der Wählerinnen und Wähler?
„Amigo-Mutanten“ überschrieb Hans Well, bayerischer Musiker und Texter der Biermösl-Blosn, seinen vorzüglichen Beitrag in der SZ vor ein paar Tagen. Schon die ersten beiden Sätze unter dem Titel haben es in sich: „Seit Jahrzehnten pflegt man in der CSU das Brauchtum des Handaufhaltens. Auch Söder muss schon sehr konzentriert weggeschaut haben, um nichts zu sehen.“ Ja, der Markus Söder tritt ja gern auf als Mann, der aufräumen will, saubere Verhältnisse schaffen will. Aber wie passt das zusammen, wenn derselbe Söder einen Franz-Josef Strauß sein Vorbild nennt, dessen Porträt er als junger Mann über dem Bett hängen hatte? Strauß der „Übervater, Vorbild und Heiliger“, schreibt Hans Well, „auch für M. Söder“.Well erwähnt dann die von Strauß geschaffene Spezlwirtschaft, weist auf all die Affären hin dieses Übervaters, wie die Beschaffung des Starfighters, der wegen hoher Absturzzahlen auch „Witwenflieger „genannt wurde. Da wurde gemunkelt über Geldzuflüsse der Firma Lockheed. Dann die Fibag-Affäre, der Name von Hans Kapfinger darf nicht fehlen, Verleger der Passauer Neuen Presse. Es ging um Tausende von US-Army-Bauten. Strauß-Kenner werden schon auf den nächsten Namen warten, Bäderkönig E. Zwick, dem laut dem Beitrag von Hans Well der damalige bayerische Finanzminister G. Tandler 62 von 70 Millionen Steuerschulden nachließ. Und so geht das weiter mit dem großen Franz-Josef Strauß, mit Geschäften mit dem Waffenhändler K. Schreiber. Und so weiter. Und erwähnen sollten wir auch die Spiegel-Affäre, als Strauß die Spiegel-Chefs Augstein und Ahlers verhaften und einsperren ließ. „Bedingt abwehrbereit“ hieß die Spiegel-Story. Für die Republik hätte dieser Titel gepasst, denn Strauß musste gehen, Tausende demonstrierten für die Pressefreiheit.
CSU und ihre Geschäfte
Die CSU hatte sich das Land unter den Nagel gerissen, „jeder Kaninchenzuchtverein gehörte zu ihr“, schreibt Hans Well weiter, natürlich auch der Bayerische Rundfunk. Auch die „Justiz war okkupiert“(Well) Der viel zu früh verstorbene SZ-Reporter Herbert Riehl-Heyse hat die CSU mal in einem Buch beschrieben als die „Partei, die das schöne Bayern erfunden hat.“ Ich habe das Buch vor Jahrzehnten gelesen, es lohnt sich immer noch, darin zu blättern. Feinster Journalismus. Zurück zu Hans Well und all den anderen CSU-Affären über Max Streibt bis hin zu Sauter. Der Blog-der-Republik hat darüber berichtet. Auch über Herrn Nüßlein. Dann wurden die zehn Millionen für Gauweiler bekannt, bezahlt vom rechten Europa-Gegner A.Fink, desen Vorfahren in den 30er Jahren Geschäfte mit den Nazis gemacht hatten. Erwähnen darf man auch die 900000 Euro, die der frühere Verkehrsminister und Immer-Noch-CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Ramsauer an Nebentätigkeiten während einer Legislaturperiode einstreicht.
Markus Söder redet von einem Ehrenkodex. „Er verkauft Transparenz und Lobbyregister, die er lange verhindert hatte, dreist als CSU-Idee“. Glaubwürdig? Derselbe Söder, der heute politisch nicht nah genug an Merkel herankommen kann, hat über ihre Flüchtlings-Politik vor drei Jahren noch gespottet und von „Asyltourismus“ geredet. Ob das christlich war im Sinne des Namens der Partei, der er vorsteht? Derselbe Söder hängte als neuer Ministerpräsident Kreuze in Amtsstuben auf. Es machte sich gut das Bild für eine christlich-soziale Union. Er inszeniert sich gern, das versteht er. So umarmte er einst einen Baum und schwärmte von den Bienen, weil die Grünen ihm mit einem entsprechenden Volksbegehren den Rang abliefen. Was opportun ist oder erscheint, das macht er. Armin Laschet, CDU-Chef und NRW-Ministerpräsident, könnte gewiss ein Lied davon singen, wie ihm der Söder versucht das Leben zu erschweren.
Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Ich habe Beispiele erwähnt, wie man all das verlieren und die Demokratie schwächen kann. Wenn Söder wirklich glaubwürdig wirken will, müsste er sich längst von seinem Vorbild Strauß distanziert haben. Sagen, was man tut und tun, was man sagt. Alles andere grenzt an Heuchelei. Oster-Unruhe, so der Titel der Hamburger „Zeit“. Erstmals, heißt es in dem Aufmacher auf der ersten Seite, laufen der Regierung auch jene in Scharen davon, die ihr ein Jahr gefolgt sind. Das ist gefährlich.“ Vertrauen, das verloren gegangen ist, zurückzugewinnen, ist ein schwieriger Weg. Aber er muss gegangen werden.
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