Honorig, dass Angela Merkel jetzt in Sack und Asche rumläuft, die Bürger um Verzeihung bittet und öffentlich bekundet, die jüngste und tollste Volte im Corona-Dauer-Chaos „ist einzig und allein mein Fehler“. Denn nicht nur eine Mit-, sondern die Hauptschuld tragen die Ministerpräsident*innen der Länder. Die demonstrieren seit einem Jahr, dass wir im deutschen Föderalismus mit solchen Regenten gegen das Virus keine Chance haben. Bis heute scheinen sie sich noch immer nicht bewusst zu sein, wie viele Leichen und zerstörte Existenzen auf ihr Konto gehen. So verlor die Kanzlerin in der bislang letzten Bund-Länder-Runde offensichtlich Übersicht, Nerven und Souveränität und verfiel auf die Schnapsidee der Oster-Ruhe, die sie jetzt wieder kassierte.
Leider bloße Wunschvorstellung, die nun auch nichts mehr bringt, aber trotzdem: Wäre es von Anfang an und dann durchgehend nach dem Willen von Merkel gegangen und hätte man gleichzeitig auf den SPD-Gesundheitsexperten und ausgewiesenen Epidemiologen Karl Lauterbach gehört, und lebten wir nicht im Föderalismus, in dem Ignoranten das Sagen haben, Deutschland wäre heute im Kampf gegen das Virus viel weiter.
Schon in und nach der ersten Infektionswelle im vergangenen Jahr drängte die Kanzlerin auf einen viel härteren Kurs, den die Länderchefs aber nicht mitgehen wollten. Frühzeitig wetterte sie gegen die „Lockerungsdiskussionsorgien“, in denen der eine Ministerpräsident sich mit dieser und die andere Regierungschefin mit jener Aufweichung zuvor beschlossener Einschränkungen beim Volk beliebt machen wollten. Unisono-Warnungen ausgewiesener Wissenschaftler wurden in einer Mischung aus Ignoranz und Arroganz in den Wind geschlagen. Das Virus fraß sich flächendeckend durch Deutschland, da meinten die Landespolitiker, sich ihre Partikular-Interesse immer noch leisten zu können. Es folgten zwangsläufig, geradezu mit Ansage auf den nächsten LockDown die übernächste voreilige Lockerung und darauf dann der über-übernächste LockDown. Da musste dann auch die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger zu Verzicht und Disziplin erodieren. Angela Merkel konnte nicht mehr retten, weil es gegen die Übermacht der Unvernunft nichts mehr zu retten gab.
Und stellen wir in unserem Gedankenspiel den ausgewiesenen Experten und SPD-Mann Lauterbach an die Seite der Kanzlerin, wo der sich ohnehin oft sah: Er hatte die Politik immer wieder gemahnt, doch endlich auf jene Wissenschaftler zu hören, die ob der zelebrierten Ahnungslosigkeit der Politik geradezu verzweifelten. Und schon Mitte vorigen Jahres hatte Lauterbach immer wieder darauf gedrängt, all das vorzubereiten und zu finanzieren, woran es jetzt so verhängnisvoll mangelt: Frühzeitig auf breiter Front eine Impfstoff-Produktion aufzubauen, Teststrategien zu entwickeln, Luftfilter in den Schulen zu installieren. Alles vergeblich. Jetzt haben wir das Desaster: Für’s großflächige Impfen fehlt der Impfstoff, eine viel zu spät berufene „Taskforce“ konnte noch immer nicht genügend Kits für Selbsttests organisieren, an den Schulen bleibt Unterricht gesundheitsgefährlich.
Politiker haben uns also von einem Infektionshoch in das nächste geschubst und zugleich verhindert, dass wir für den Überlebenskampf gut gerüstet sind.
Nicht nur die Parteien der verbrauchten großen Koalition sind anzuklagen, auch die auftrumpfenden Grünen und die Linken sind mit in der Verantwortung. Der Stuttgarter Landesvater Winfried Kretschmann und Bodo Ramelow aus Thüringen haben bei den schier unzähligen Bund-Länder-Blamagen qua Amt mitgemacht. Und wenn sich die FDP jetzt mal wieder in Lindnerscher Besserwisser-Manier spreizt, sei daran erinnert, dass sie sich von Anfang an als vermeintliche Freiheitspartei gerierte, und destruktiv und populistisch gegen notwendige und damals noch sinnvolle Einschränkungen Stimmung machte.
Aber bitte nicht nur auf die Politiker zeigen. Dafür gibt es zu viele Normalbürger bei uns, die es nicht lassen können, ja für unverzichtbar halten, sich gerade jetzt in Flieger zu quetschen und gen Mallorca zu düsen. Und andere, die zwar zuhause bleiben, aber hier austesten, welche Ge- und Verbote man vielleicht doch mal außer Acht lassen kann. Angesichts dieses verheerenden Befundes möchte man sich einen klugen Aufsatz des Schriftstellers Thomas Brussig in der „Süddeutschen Zeitung“ zu eigen machen. Die Pandemie sei mit den Mitteln unserer föderal organisierten Demokratie offenkundig nicht zu bewältigen: „Mehr Diktatur wagen !“ wäre das Gebot der Stunde.
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