Am Wahltag in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg gab es auch die Umfrage einiger Institute für Demoskopie „Wenn am nächsten Sonntag Bundestagwahl wäre…“ Die Ergebnisse waren interessante Momentaufnahmen: Für die CDU/CSU hätten noch 29 bis 32 % der Wähler gestimmt; im Vergleich zum Januar diesen Jahres waren das rund 5 % bis 6 %-Punkte weniger. Für die Grünen votierten 19 bis 21 %; sie konnten demnach leicht zulegen. Für die SPD, die bereits Olaf Scholz als ihren Kanzlerkandidaten gekürt haben, würden 16 bis 17 % stimmen; auch das wäre ein Plus von rund 1 %-Punkt. Bei den anderen Parteien ergab sich aktuell folgendes Bild: AfD 10 bis 11 %, FDP 8 bis 10 %, Linke 8 %. Diese demoskopischen Befunde spiegeln allzu deutlich die Unterschiede der Ergebnisse wider, die die Parteien bei den jüngsten Landtagwahlen erzielten.
Zwischen Jubel und Enttäuschung
So brachten es die Grünen in Baden-Württemberg mit ihrem profilierten und prominenten Landesvater Kretschmann auf ein Rekordergebnis von 32,6 %, legten im Vergleich zur letzten Wahl um 2,3 %-Punkte zu. Kräftig war dort auch das Plus bei der FDP mit 2,2 % auf insgesamt 10,5 %.
Am stärksten fielen die Verluste für die CDU mit – 2,9 % aus; die einst so starken Unionschristen brachten es damit gerade noch auf 24,1 %. Weiter verloren hat jedoch auch die SPD im Ländle: Mit einem Minus von 1,7 % kam sie gerade einmal auf 11 % der Wählerstimmen.
Hochkonjunktur der Schönredner
Auch in Rheinland-Pfalz gab es für die SPD ein kleines Minus von 0,5 %, obwohl sie mit ihrer ebenso empathischen wie sympathischen Landesmutter Malu Dreyer insgesamt auf 35,7 % kam. Die Grünen konnten dort sogar mit einem Plus von 4 % auf 9,3 % kräftig zulegen. Sehr gebeutelt und vollends enttäuscht stand die CDU mit einem Verlust von 4,1 % da. Auch die FDP verlor 0,7 % und schaffte es mit 5,5 % soeben noch in den Landtag.
Während die Interpreten der Wahlergebnisse aus der CDU recht kleinlaut das enttäuschende Desaster hinnahmen und es erst gar nicht schön redeten, stimmten Sozialdemokraten, Grüne und Liberale große Jubelarien an. Zwar gibt es in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz nun durchaus die Option für Koalitionen ohne die CDU. Die Ampel Rot-Grün-Gelb wird unter der Führung von Malu Dreyer fortgesetzt, das ist klar. In Baden-Württemberg ist das jedoch keineswegs geklärt, ob es zu einer Neuauflage von Grün-Schwarz oder ebenfalls zu einer Ampel-Koalition kommen wird.
CDU auf der schiefen Bahn
Wie auch immer die Formationen in den beiden Ländern letztlich aussehen werden, auf die Bundestagswahl werden sie nur marginal ausstrahlen. Ohnehin ist noch alles bis zur Bundestagswahl am 26. September im Fluss. Für die Union waren die Landtagswahlen im Südwesten unserer Republik zweifellos mehr als ein Warn- oder Schreckschuss. Die CDU wurde hart getroffen und muss sich umgehend aufrappeln, um nicht einen Knock out zu erleben. Der neue Bundesvorsitzende Armin Laschet zeigt sich hart entschlossen, umgehend die wichtigen Meilensteine für den Kurs seiner Union zu setzen: Die Einigung mit Markus Söder darüber, wer als Kanzlerkandidat antreten wird, ist nach Ostern fällig. Noch wichtiger wird das Programm sein, denn nach der überlangen Merkel-Ära muss geklärt werden, wofür die Union noch steht, wie sie die Zukunft gestalten, mit welchem Profil sie antreten und mit welchen Perspektiven und Personen sie wieder mehr Wählerinnen und Wähler begeistern will. Dabei gilt es zu erkennen, dass Gewinne in der Mitte unserer Gesellschaft nicht mit Personal des Mittelmaßes zu erzielen sind. Das wichtigste Ziel von CDU und CSU muss ein Ergebnis von deutlich über 30 % bei der Bundestagswahl sein, denn nur damit wird sie strategisch stark genug werden, um den nächsten Kanzler zu stellen. In den letzten 4 Bundestagswahlen mit Angela Merkel als Spitzenkandidatin hatte die Union bereits eine kontinuierliche Erosion hinnehmen müssen: Gleich dreimal wurde jeweils das schlechteste Ergebnis mit 35,2 % im Jahre 2005, 33,8 % in 2009 und 32,9 % in 2017 erzielt. Der darin eingepreiste Amtsbonus der Kanzlerin war damit nicht allzu groß.
Ein gewisser Probelauf für eine bald neu formierte CDU könnte die Anfang Juni anstehende Landtagswahl in Sachsen-Anhalt werden. Der CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff kann nur darauf hoffen, dass noch einmal das Regierungsbündnis mit den Grünen und der SPD zustande kommen wird.
Ampelträume der SPD
Von einer strategischen Mehrheit ist die SPD weit entfernt. Die Erosion der einst so großen Volkspartei droht sich fortzusetzen. Mit innerparteilichen Gender-Streitigkeiten, die verdiente Sozialdemokraten wie Thierse und Schwan gar zu Austrittsgedanken trieben, oder mit Umverteilungsideen wirkt die SPD nicht besonders attraktiv genug, um die vielen Genossen, die zu den Grünen oder auch Linken abgewandert sind, wieder zurück zu locken. Sollte sich die Partei gar nach der Bundestagwahl als Juniorpartner in eine Koalition mit den Grünen – unter einer Kanzlerin Baerbock – flüchten und so eine Ampel-Regierung gemeinsam mit der FDP oder den Linken um jeden Preis zu realisieren, würden sich noch mehr Sozialdemokraten mit Grausen abwenden.
Umworbene Grüne
Die Grünen wittern nach den Erfolgen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz noch mehr Morgenluft, um so auf jeden Fall im nächsten Bundestag als Regierungspartei aufzutrumpfen. Allzu gern würden sie mit einer Koalition G2R oder Ampel-Koalition das Kanzleramt erobern. Denn sie wissen nur zu gut, dass eine Koalition mit der CDU und CSU keineswegs ein Zuckerschlecken würde. Die größten Schnittmengen mit der Union gäbe es beim Klimaschutz. Doch in der Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik müssten hohe Kompromisshürden überwunden werden.
Liberale mit Regierungsdrang
Die FDP fährt einen nicht ungefährlichen Kurs in Richtung Bundestagswahl. Die sachpolitischen Schnittmengen mit der Union sind gewiss sehr groß. Der Parteivorsitzende Christian Lindner profiliert sich vielfach mit der Forderung nach einer Renaissance der Sozialen Marktwirtschaft. In Nordrhein-Westfalen setzt der liberale Wirtschaftsminister gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten Armin Laschet den ordnungspolitisch klaren Kurs durch und versucht erfolgreich, den schwierigen Strukturwandel an Rhein und Ruhr zu bewältigen. Sein Kollege aus Rheinland-Pfalz, Volker Wissing, der auch FDP-Generalsekretär ist, profiliert sich ebenfalls als jemand, der bei der Lösung der großen wirtschaftlichen Probleme auf mehr Markt und weniger Staat setzt. In einem Berliner Bündnis mit den Grünen und der SPD würde sich die FDP indessen sehr schwer tun, ihre politischen Vorstellungen zu realisieren. Doch ob Jamaika oder Ampel – die Liberalen wollen auf jeden Fall mitregieren.
Offenes Rennen bis zum 26. September
Bei der Bundestagswahl werden die Wählerinnen und Wähler zum einen ihre Benotung des Corona-Managements der CDU/CSU/SPD-Koalition erteilen. Dabei werden sie vor allem die Aktivitäten von Angela Merkel, Jens Spahn und Peter Altmaier sowie von Olaf Scholz und Hubertus Heil beurteilen. Zum anderen wird die Bewältigung der Pandemiefolgen eine große Rolle spielen. Denn die Zahl der Firmenpleiten, der Verlust von Arbeitsplätzen, die Einkommenseinbußen und soziale Probleme dürften im Sommer 2021 im Vordergrund stehen. Die Menschen werden mit Blick auf die Bundestagswahl fragen, welche Partei und Politiker über die größte Kompetenz verfügen, diese Herausforderungen zu meistern und Deutschland auf einen Kurs der Stabilität, des Wachstums, des Klimaschutzes, der Vollbeschäftigung und sozialen Sicherheit zu bringen. Derzeit trauen noch 27 % der Union zu, mit den Problemen in Deutschland am besten fertig zu werden; nur jeweils 7 % trauen das der SPD oder den Grünen zu.
Das Rennen um die Gunst des Wahlvolks bei der Bundestagwahl wird bis zum 26. September völlig offen bleiben, auch wenn bis zum Ende des Sommers alle Impfwünsche erfüllt werden.
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