Harald Schmidt in der Wahlnacht von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mal wieder im Fernsehen. Den geistreichen Spötter zu reaktivieren, war eine nette Idee der ARD. Schmidt mit seinen komischen Einlassungen wurde dann allerdings getoppt von einem Mann, der eigentlich nicht als großer Entertainer bekannt ist: Dem Sozialdemokraten Olaf Scholz. Was der in der Wahlnacht stereotyp in jede Kamera redete, war dermaßen irreal, dass es – wie gesagt – schon wirklich komisch war. Und komisch waren auch andere Spitzengenoss*innen, die sich zu Wort meldeten.
Bundesweit sind die Sozialdemokraten in den Umfragen bei 15 bis 16 Prozent festgenagelt. Ein Trend nach oben deutet sich bislang nicht an; da ist schon ein SPD-Kanzlerkandidat für sich genommen etwas Komisches. In Baden-Württemberg blieben die Sozialdemokraten am Sonntag noch weit unter dem Bundestrend, sind zahlenmäßig auf das Niveau von AfD und FDP abgesackt; – und trotzdem freute sich Olaf Scholz, die SPD sei eine „fröhliche Partei“. Die Wahlergebnisse vom Sonntag seien „ein gutes Zeichen“. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil assistierte, der CDU in Baden-Württemberg sei „die Puste ausgegangen“. Nur hat die – das sei der Vollständigkeit halber erwähnt – immer noch weit mehr als doppelt so viele Stimmen wie die SPD.
Gewiss, die Sozialdemokraten haben in der Parallel-Wahl von Rheinland-Pfalz gut bis sehr gut abgeschnitten, können dort weiter regieren. Aber das liegt – da sind sich alle Wahlforscher einig – ausschließlich an der überragenden Persönlichkeit der volksnahen und überaus populären Ministerpräsidentin. 52 Prozent der SPD-Wähler gaben gegenüber infratest dimap zu Protokoll, sie hätten wegen Malu Dreyer sozialdemokratisch gewählt. Dreyers Sieg können sich also weder Scholz und erst recht nicht die SPD-Bundesvorsitzenden Walter-Borjans und Saskia Esken zugute halten.
Stuttgart ist das Menetekel für die Genoss*innen, die das in Berlin aber offenkundig nicht kapieren wollen. Jedenfalls lässt ihr irreal-optimistisch Gerede diesen Schluss zu. In Baden-Württemberg wurde das katastrophale Ergebnis der vorigen Wahl nunmehr mit blamablen 11,1 Prozent noch einmal unterboten. Aber die Spitzenleute der SPD gaben sich in der Wahlnacht nicht etwa zerknirscht; nein, sie jubilierten, es habe sich nun gezeigt, dass künftig auch Regierungen ohne CDU-Beteiligung möglich seien. So kann man einen verheerenden politischen Substanzverlust mit dem Taschenrechner in einen Sieg ummünzen. Denn rein mathematisch stimmt es: Die Grünen und die FDP stehen dermaßen gut da, dass es mit der SPD trotz chronischer Verluste zum Regieren reichen würde.
Die einstmals große Sozialdemokratie von Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder scheint so selbstgenügsam geworden zu sein, dass ihr die Rolle als kleiner Mehrheitsbeschaffer genügt. Oder sie übersteigert ihre Versuche der Autosuggestion ins politisch Pathologische. Olaf Scholz wiederholte gebetsmühlenhaft, er wolle bei der Bundestagswahl im September Kanzler werden. Und er sehe dafür jetzt erst recht gute Chancen. Wer Scholz noch ernst nehmen will, darf ihm nicht unterstellen, dass er wirklich daran glaubt.
Bildquelle: Anne Hufnagl, https://olaf-scholz.spd.de/olaf-scholz/