Der FC Bayern München ist der mit Abstand erfolgreichste deutsche Fußballklub, neben 30 Meisterschaften gewannen die Bayern 19 mal den deutschen Pokal, fünf mal die Champions League und und und. Der Klub von der Säbenerstraße hat 300000 Mitglieder, 358000 Fanclub-Mitglieder und rund 4500 Fanclubs. Und wahrscheinich ist der FC Bayern auch der reichste Verein der Welt, die Sponsoren-Liste des Klubs liest sich wie das Who-is-Who der deutschen Wirtschaft. Jeder, der Geld hat, will dabei sein, weil es immer was zu feiern gibt. Der FC Bayern ist nun mal eine Erfolgsgeschichte sondergleichen. Aber er dürfte auch der Klub sein, der am meisten polarisiert, der viele, vielleicht die meisten Gegner hat. Ich benutze den Begriff Gegner, weil das Wort Feind für mich zur Kriegssprache zählt. Und Fußball, und darum geht es, hat mit Krieg nichts zu tun. Und gelegentlich habe ich den Eindruck, dass dieser Verein das mit dem Polarisieren zu pflegen scheint. Demut jedenfalls, Bescheidenheit zählen nicht zu den Eigenschaften des FC Bayern, dessen Protagonisten eher immer wieder anecken, indem sie zu laut auftreten, für sich Rechte reklamieren, obwohl sie doch schon so viele Privilegien genießen. Wer die Bayern kritisiert, muss mit heftiger Gegen-Attacke rechnen.
Das hat gerade der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach erfahren, der sich kritisch zur Reise des FC Bayern nach Katar geäußert hatte und dann vom Klub-Trainer Hansi Flick massiv angegangen wurde. Flick kanzelte Lauterbach, der im Gegensatz zu vielen anderen wirklich was von der Corona-Pandemie versteht, als „sogenannten Experten“ ab. Schuster, bleib bei deinem Leisten, hätte ich Flick am liebsten zugerufen. Genieße den Super-Job bei den Bayern, einen besseren gibt es kaum als Fußball-Trainer, werde Fußball-Meister, aber misch dich nicht in Dinge ein, von denen Du nichts verstehst. Andererseits ist es typisch für Funktionäre des Klubs, dass sie das große Wort führen, klein beigeben war nie ihre Sache. Uli Hoeneß ist da das herausragende Beispiel. Mia san mir, das war die Linie des Vereins, um sein Selbstbewusstsein herauszustreichen. Heute würde ich daraus machen: Mia san die Größten. Und ham immer Recht.
Weniger ist mehr, diese Weisheit, die Größe ausdrückt, wenn man Erfolge still und bescheiden genießt, war nie die Denke des Vereins. Auf dem Balkon des Münchner Rathauses ließen sie sich Jahr für Jahr wegen ihrer Dauermeisterschaften von den Tausenden von Fans auf dem davor liegenden Marienplatz feiern. Bayerische Tracht gehörte dazu, die maßgeschneiderte Lederhose. Auf dem Spielfeld hatten sie sich nach Ende des Pokalspiels, das sie wie immer gewonnen hatten, mit Weizenbier aus speziell für diesen Anlass gefertigten Pokalen übergossen, auch der Trainer, wer immer es war, stand danach wie der begossene Pudel da. Eine Ausnahme ist mir geläufig: Da hatten sie doch tatsächlich das Endspiel gegen Eintracht Frankfurt verloren und verließen einfach, ohne die Siegerehrung abzuwarten, den Platz. Gut, einige kamen zurück, aber der negative Eindruck blieb. Der FC Bayern als schlechter Verlierer. Diese Arroganz der Macht haben sie oft genug ausgestrahlt. Sie hätten den Frankfurtern gratulieren können, ja müssen, das wäre Größe in der Stunde der eigenen Niederlage gewesen. Aber nicht der FC Bayern.
Vor ein paar Tagen passierte dem FC Bayern ein Missgeschick. Nach dem mit Mühe gewonnenen Spiel bei Hertha BSC eilten sie zum neuen Flugplatz der Hauptstadt, um von dort Richtung Katar zu starten, zu einem fußballerisch lächerlichen Turnier, auch wenn es mit einem Pokal von angeblicher Weltgeltung ausgestattet war. Doch sie hatten Pech, die Maschine hätte erst um wenige Minuten nach Mitternacht abfliegen können. Doch zu der Zeit herrscht in Berlin Nachtflugverbot. Kleinlich? Vielleicht, andererseits gelten Regeln auch für den größten und reichsten Fußballklub der Welt. Doch was dann passierte, was sich die Bayern-Gewaltigen, leisteten, war an Frechheit kaum zu überbieten. Der frühere Ex-Präsident des Klubs Uli Hoeneß tobte und sprach von einem „Skandal ohne Ende“. Die Bayern würden schließlich beim Turnier in Katar den deutschen Fußball vertreten. Selten so gelacht, Herr Hoeneß. In Katar ging es doch nur um die Mehrung des Profits des Klubs. Und das mit dem deutschen Fußball sah ein SZ-Leser auch anders: „Ich musste schmunzeln, dass ein aus aller Herren Länder zusammengekaufter Söldnerhaufen ausgegeben wird als deutscher Verein, der für unser Land in Katar antritt.“
Kleiner geht es für die Großen aus München nicht. Maßlos wie immer Während der Schulsport ausfällt, kleine Vereine nicht mal trainieren dürfen, können die Millionäre der Bundesliga, allen voran die Krösusse von der Säbenerstraße ihr Luxus-Sportlerleben fortsetzen, als gäbe es Corona nicht. Eine Nacht auf einem Flughafen verbringen, wie das Touristen immer mal wieder passieren kann, das ist zuviel für die völlig überbezahlten Kicker. Blinder Egoismus leitet das Denken eines Karl-Heinz Rummenigge, wenn er die politisch Verantwortlichen in Berlin-Brandenburg beschimpft, sie wüssten gar nicht, was sie der Mannschaft des FC Bayern damit angetan hätten. Soll man etwa Mitleid bekommen, Herr Rummenigge? Soll an dem Treiben der Kicker in Katar und den damit zusammenhängenden Flügen etwa ein besonderes öffentliches Interesse sein? Spielt der Schlaf von Millionen Menschen, der von nächtlicher Ruhestörung durch Flieger gestört würde, keine größere Rolle als die monetären Interessen des FC Bayern und seiner reichen Kicker? Sie haben doch eh schon alles. Oder fast alles.
Die ganze Gesellschaft muss sich einschränken, die Kneipen sind zu, die Theater, die Opern, Restaurants sind geschlossen, kleine Unternehmer wissen nicht, wie sie Corona überstehen sollen, Händler und Frisöre sorgen sich, Tausende und Abertausende sind betroffen, arbeitlos, viele infiziert, warten auf den Impfstoff, der helfen soll, die Pandemie zu besiegen. Solidarität ist gefragt in ganz Europa und wird geleistet in den Krankenhäusern, von Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern, letztere eher bescheiden bezahlt, aber sie tun ihre Pflicht. Und was hört man von der Führung an der Säbener Straße? Sie beschweren sich über die Verantwortlichen in Berlin-Brandenburg. Und auch das passt in diese Linie, dass einer wie Rummenigge zumindest anregt, die Fußballer vorrangig zu impfen.(Wollen uns ja nicht vordrängen..) Warum eigentlich? Weil sie dann Vorbilder wären für die Impfgegner? Sportliche Vorbilder sind sie für mich, der ich in meiner Jugend nur Straßenkicker war, schon lange nicht mehr. Dass der Bundesliga-Sport ohne Zuschauer auskommen muss, ist eine Folge von Corona. Mit Fernseh-Geldern wird der Fußball-Betrieb bezahlt. Schaun wir mal, ob alle Vereine Corona überleben. Nicht wenige haben sich längst gelangweilt und angewidert abgewendet.
Noch ein paar Bemerkungen zum FC Bayern. So meinte Uli Honeß 2017, als er höflich formuliert Probleme mit dem Rechtsstaat bekam: „Ein Freispruch wäre völlig normal.“ Er wurde zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt wegen Steuer-Hinterziehung, die Rede war von 28,5 Millionen Euro. 2018 konnte man mit Erstaunen von der Bayern-Zentrale vernehmen, dass man Kritik der Medien nicht mehr akzeptieren werde. Wörtlich sagte man unter Bezugnahme auf Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Kleiner geht es nicht bei den Größten. „Wir werden beim FC Bayern die Art und Weise der Kritik nicht mehr akzeptieren.“ Als Fußballer hatte mir Rummenigge besser gefallen. Übrigens gilt Presse- und Meinungsfreiheit auch an der Säbenerstraße.
Dass der FC Bayern ein besonderes Rechtsverständnis habe, diese Frage stellt sich, wenn man das alles reflektiert. Dass darüber nachgedacht wird, dafür haben die Bayern-Verantwortlichen gesorgt, indem sie den Eindruck erweckten, als forderten sie für ihren Klub eine Sonderbehandlung. Siehe Nachtflugverbot in Berlin. Vielleicht hängt das Ganze ja auch mit einem Teil der Geschichte des Klubs zusammen. Nachzulesen in dem feinen Buch des Historikes Hans Woller: „Gerd Müller oder Wie das große Geld in den Fußball kam“. Darin beschreibt Woller zwar auch die Erfolge der Münchner, die Meisterschaften und Tore des Bombers der Nation, den Aufstieg des Klubs mit Neudecker, Schwan, Beckenbauer, Sepp Maier, Hoeneß, Breitner. Woller führt den Leser auch durch das Dickicht von Schwarzgeldern, die mit Wissen des bayerischen Finanzministers an der Steuer vorbei den Spielern damals zuflossen. Man erfährt über ein Amigo-System, an dem die führenden Leute der CSU beteiligt waren, auch Franz-Josef Strauß und Co. Der Autor muss gut recherchiert haben, sonst hätte man ihn verklagt. Und auch hier galt das System, wonach die eine die andere Hand wäscht. Die CSU-geführte Landesregierung förderte den Klub und sorgte dafür, dass der sich die teuren Spieler leisten konnte, im Gegenzug standen die Spieler den Granden der CSU zur Verfügung. Franz Beckenbauer ließ erklären, dass er den SPD-Chef und Bundeskanzler Willy Brandt für ein nationales Unglück halte.
Aber es geht noch weiter, wie der Autor herausgefunden hat: Beim Fußball-Skandal der 70er Jahre, in den Bielefeld, Schalke, Offenbach und andere verstrickt waren, weil Bestechungsgelder geflossen waren, damit jemand gewinnt oder bewusst verliert, hat Woller Hinweise entdeckt um den FC Bayern, aber es habe keine Ermittlungen gegeben. Da möchte man schon wissen, wer die Hand drauf gehalten, wer was verhindert hat.
Zurück zum Ausgang der Geschichte. Bayern-Trainer Hansi Flick hat Karl Lauterbach ein Gespräch unter vier Augen angeboten. Er habe nicht erwartet, dass seine Aussagen zu und über Lauterbach so hohe Wellen schlagen würden. Lauterbach, Mediziner und Epidemiologe, der die Reise der Münchner mit den Worten kritisiert hatte, „die Bürger wollen nicht, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, nur weil es um Millioneneinnahmen durch Fernsehübertragungen geht,“ hat die Einladung Flicks „sehr gern“ angenommen. „Seine Kritik nehme ich sportlich. Verständlicherweise liegen bei vielen derzeit Nerven blank.“
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