Gesehen haben den Film „The Interview“ bisher wohl lediglich amerikanische Filmjournalisten und die Verantwortlichen der Produktionsfirma Sony Pictures Entertainment. Doch schon vor dem ursprünglich geplanten Kinostart am 1. Weihnachtstag in den Vereinigten Staaten spricht nicht nur alle Welt über die absurde Kinokomödie. Sie ist selbst zum weltpolitischen Ereignis geworden. Und das ist eigentlich ebenso absurd wie der Film, es führt jedoch gleichzeitig die unberechenbare Gefahr der Cyberkriminalität sowie insbesondere des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un vor Augen.
Dass dieser junge, undurchsichtige Diktator nicht gerade zum Spaßvogel taugt, war wohl auch hierzulande jedem klar. Dass allerdings ein Stück an sich völlig unpolitischer amerikanischer Kino-Unterhaltung den nordkoreanischen Machthaber zu Terrordrohungen gegen die gesamte Weltöffentlichkeit verleiten würde, übersteigt dann doch das Vorstellungsvermögen des ganz normalen Kinobesuchers. Denn nach Ermittlungen der amerikanischen Bundespolizei FBI steckt hinter den Hackerangriffen der ominösen Gruppe „Guardians of Peace“ (Wächter des Friedens) auf Sony Pictures Entertainment sowie den Terrordrohungen gegen Kinos, die „The Interview“ zeigen wollen, wohl tatsächlich die Regierung in Pjöngjang. Das macht einerseits Angst. Es entfacht aber auch eine Debatte darüber, wie gefährlich Cyberkriminalität tatsächlich ist und vor allem, wie man mit ihr umgeht. Eine Frage, auf die auch die Politik weltweit noch keine Antwort weiß.
So sieht sich auch Sony nach dem Rückzug des Films wenige Tage vor dem geplanten Kinostart in den USA erheblichen Vorwürfen ausgesetzt. Eben hatte US-Präsident Barack Obama noch Standhaftigkeit demonstriert und seinen Landsleuten die Empfehlung gegeben: „Geht ins Kino“. Dann zog Sony die Konsequenz aus den monatelangen Hackerangriffen auf sich und seine Mitarbeiter. Und schon wetterten Republikaner wie Newt Gingrich: „Mit dem Sony-Versagen hat Amerika seinen ersten Cyberkrieg verloren. Das ist ein sehr, sehr gefährlicher Präzedenzfall.“
Aber auch Künstler in aller Welt kritisierten die Entscheidung der Verleihfirma, den Film, in dem zwei amerikanische Talkshow-Moderatoren im Auftrag des CIA nach Nordkorea reisen, um Kim Jong Un zu interviewen und ihn anschließend ins Jenseits zu befördern, ganz aus dem Verkehr zu ziehen. Der brasilianische Schriftsteller Paulo Coelho („Der Alchimist“) bot Sony Pictures an, den Film auf seinem eigenen Blog auszustrahlen. Preis: 100.000 Dollar. Nichts im Vergleich zu den 42 Millionen Dollar, die der Film gekostet haben soll. Schauspieler wie George Clooney prangerten fehlende Solidarität von Hollywood mit der Produktionsfirma Sony an. Andere sprachen gar vom Ende der Meinungsfreiheit.
Aber auch Obama warf Sony später Fehler vor. Er kündigte zudem an, mit dem Kongress an neuen Gesetzen gegen Cyberangriffe zu arbeiten, die eine engere Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor vorsehen. Nach den Ermittlungsergebnissen des FBI, die Nordkorea nach wie vor dementiert, sprach der US-Präsident von einer „angemessenen“ Reaktion seitens der USA „zu einer Zeit und mit einer Maßnahme unserer Wahl“. Krieg wird das wohl nicht bedeuten. Allenfalls weitere Sanktionen gegen Nordkorea wären denkbar. Oder auch ein digitaler Gegenschlag. Details jedenfalls ließ Obama offen, er wird sie wohl noch nicht wissen.
Angemessen ist aber wohl tatsächlich das richtige Wort. Denn zunächst einmal, und das genau ist das Problem, geht es hier nur um einen Film. Nichts weiter. Und Kim Jong Un ist wahrlich nicht der erste (noch) lebende Politiker, der im Kino durch den Kakao gezogen wird. Denn mehr als komisch will Kritikern zufolge, die den Film bereits gesehen haben, „The Interview“ auch gar nicht sein. Im Gegenteil. Der Film ist demnach völlig überdreht, eher Slapstick als Polit-Satire. Und wenn, dann steht das amerikanische Showbusiness selbst vielmehr als der nordkoreanische Machthaber im Mittelpunkt der Komödie. Also, was soll’s?
Dennoch sollte man auch Verständnis für Sony Pictures haben. Das Unternehmen hat in erster Linie aus Sorge um seine Mitarbeiter, deren private Daten die Hacker schon seit Monaten öffentlich ins Netz gestellt haben, die Konsequenz gezogen. Das ist aller Ehren wert und verständlich. Angesichts der jetzt weltweit geführten Diskussion um die Absurdität des nordkoreanischen Verhaltens sollte Sony seine Reaktion jedoch noch einmal überdenken – und den Film öffentlich zeigen. Es wäre die einfachste und beste Antwort auf Kim Jong Uns Drohungen.