Etwas mehr Klarheit der SPD-Führung im Umgang mit Pegida wäre nicht schlecht. Justizminister Heiko Maas hat die Aufläufe von Rechtsradikalen, Wutbürgern und Unbedarften als „Schande“ bezeichnet. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat in der „Bild“ alle Teilnehmer an den Demos angeblicher europäischer Patrioten davor gewarnt, Neonazis und Rattenfängern eine Bühne zu bieten. Und der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel hat ebenfalls in der „Bild“ eher milde angemerkt, man müsse auf die Menschen zugehen, die Angst vor Überfremdung hätten.
Auf die Menschen zugehen, ist eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Aufgabe der Politik. Fragt sich nur, warum Gabriel damit erst beginnen will, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Dieses „Wir müssen auf die Menschen zugehen“ ist eine elende Floskel. Macht es, geht auf die Leute zu.
Zu diesen Patriotenschwärmern der Pegida in Dresden. Maas hat recht, es ist eine absurde Schande, wenn ausgerechnet dort gegen Muslime und Fremde demonstriert wird, wo diese Bevölkerungsgruppen im Gegensatz zu anderen Regionen verschwindend gering sind.
Eine Schande ist es auch, weil Menschen in Dresden mit Spruchbändern „Wir sind das Volk“ auf die Straße gehen und damit die Losung der friedlichen Revolution von 1989 kopieren und diskreditieren. Was sich in Dresden abspielt, hat mit der Freiheitsbewegung von damals, hat mit keiner Art von Freiheitsbewegung etwas zu tun. Im Gegenteil: Zur Freiheit dieses Landes gehört es, das in ihm Menschen verschiedener Hautfarben, verschiedener Religionen, verschiedener Nationalitäten miteinander leben. Wer dumpfen Fremdenhass produziert, hat nicht den Anspruch, das Volk zu repräsentieren. Unverständlich, dass die Wortführer und Bürgerrechtler der friedlichen Revolution von 1989 da still bleiben und zulassen, dass ihr Freiheitsruf von Rechtsradikalen umgemünzt wird.
Noch einmal kurz zurück zu Gabriel und seinem „Bild“-Interview. Da ließ er sich befragen von Rolf Kleine und Jörg Vehlewald. Beide standen bis 2013 in Lohn und Brot bei dem Chef des Willy-Brandt-Hauses. Vehlewald war von der „Bild“ gekommen, um oberster Kommunikationsberater des Parteivorsitzenden zu werden. Kleine war lange bei „Bild“, dann Pressesprecher des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Und beide sind zurückgekehrt in den Schoss von Springer. Das ist beileibe nicht verwerflich. Aber ein Geschmäckle hat es schon, dass weder dem Interviewten noch dem Interviewer die Peinlichkeit und Stillosigkeit dieser Situation aufging.
Über eine andere Stillosigkeit hat sich Bundestagspräsident Norbert Lammert in dieser Woche zu Recht geärgert. Der CDU-Mann, der seit Langem einen kritischen Blick auf das Gebaren der Medien wirft, bewertete es als Missachtung des Parlaments, dass der ehemalige SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy vor seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags die große Bühne vor der Bundespressekonferenz suchte. Edathy, der wegen des angeblichen Erwerbs von Nacktfotos Minderjähriger angeklagt ist und seine bürgerliche Existenz als Politiker verloren hat, genoss die Chance, seine ehemaligen Abgeordnetenkollegen zu düpieren, indem er erst den Berliner Journalisten seine Sicht der Dinge schilderte, bevor er sich den Fragen im Untersuchungsausschuss stellte.
Dass Edathy – vielleicht aus Rache oder Geltungslust- seine ehemaligen Kollegen vorführen wollte, sagt viel über sein Ego aus. Dass aber die Bundespressekonferenz, der Verein der Hauptstadtjournalisten, dieses Angebot annahm, sagt einiges über das Verständnis von Journalismus aus. Viele wollen sich nicht mehr mit der Rolle der Berichterstatter und Beobachter zufrieden geben und selbst Akteure im politischen Geschäft sein. Ein Rollenverständnis, dass für das Verhältnis zwischen Politik und Journalismus verhängnisvoll ist.