Wer das Jahr 2020 politisch einordnen will, der könnte den Eindruck haben, als wäre das winzige Virus Covid19 die Summe aller von Menschen gemachten Misshandlungen des Planeten, die zum Ende menschlichen Lebens auf der Erde führen könnten. Selbst in den USA, einem der reichsten Länder der Welt, folgt dem Virus Corona eine Hungerkrise. 50 Millionen US-Bürger haben nicht genug zu essen, stehen Schlange in den Armenvierteln an den Tafeln, um wenigstens eine warme Mahlzeit am Tag zu bekommen. Sie sind ohne Job und Einkommen und können sich keine Lebensmittel kaufen.
Dennoch konnte Trump Millionen Menschen in den USA überzeugen, ihn zum US-Präsidenten zu wählen. Das kommt dem sehr nahe, was die berühmte Denkerin und Philosophin Hannah Arendt als Totalitarismus beschreibt. Sie war eigens 1961 nach Israel gereist, um damals,1961, über den Prozess gegen den Organisator des Holocaust Adolf Eichmann zu berichten und der Schlussfolgerung nachzuspüren, die sie als eine Eigenschaft totalitärer Systeme beschreibt. In ihrem Prozessreport weigert sie sich, den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Eichmann als „seelenloses Monster oder Ungeheuer“ darzustellen. Sie erkennt dagegen, dass Menschen, die totalitären Systemen wie willenlos folgen, vielfach eine „merkwürdige Substanzlosigkeit“ eigen sei, was sie als die „Banalität des Bösen“ beschreibt.
Ähnliches hätte sie 60 Jahre später wohl auch bei Donald Trump erkannt, der so banal wie verlogen und böse agiert und dennoch Millionen Menschen dazu bringt, ihre Wahlmüdigkeit zu überwinden. Der sich überzeugt gibt, dass die Wahlhelfer bei der Auszählung der Wahlzettel betrogen und das tatsächliche Wahlergebnis und damit seinen erneuten Sieg unterschlagen haben. Das war selbst nach erneuten Auszählungen durch nichts zu beweisen.
2020, das Jahr der Pandemie, war Gegenstand vielfachen Nachdenkens darüber, dass was bei einer todbringenden Seuche den Menschen an sozialer Rücksicht und solidarischem Handeln abverlangt werden muss. Vieles in aktuellen Schlagzeilen beschäftigte sich mit zurückliegenden Krisen, oft von menschlichem Versagen begleitet. Wie viel Leid wurde Kindern in christlichen Waisenhäusern angetan, wie es in dem Bericht über „das Grauen in der Engelsgasse“ in Speyer der Süddeutschen Zeitung von Betroffenen erzählt wird. Damals ein von Nonnen geleitetes Waisenhaus, in dem Nonnen sexuelle Übergriffe von Priestern zumindest toleriert oder gegen Spenden für den Orden erlaubt haben sollen. Ein Kapitel, das weit über Speyer hinaus ragt, und zu bearbeiten den beiden großen christlichen Kirchen weiter schwer fällt.
Ebenso die Krise des Kapitalismus, die als Bankenkrise auch 2020 für Schlagzeilen gut war. Betrügerische Manipulationen aber auch in Autos, um Abgase zu verschleiern und angeblich saubere, abgasfreie Benzinfresser zu verkaufen. Betroffen faktisch alle wichtigen Autobauer in der Welt, und hier vor allem aber deutsche Firmen von VW, über BMW bis zu Mercedes. Kaltschnäuzig hatten sie mit großem Werbeaufwand Kunden belogen und betrogen. Statt in neue Antriebsaggregate zu investieren und zu forschen, zahlten die großen Firmen Milliarden in Dollar oder Euro Strafgelder, und mussten den Käufern in den USA, und mit einiger Verzögerung, später ebenfalls den Kunden auf dem heimischen Markt den Kaufpreis zurückzahlen.
Corona mit Homeoffice und Arbeitslosenhilfe mit Corona Familienbonus und Kurzarbeitergeld, bis zu 70 Prozent des Tariflohns, und über 300 Milliarden Hilfen für Firmen und Selbständige, alles staatliche Unterstützung, um Wirtschaft und Arbeitnehmer zu schützen. Entsprechend gelingt die Entwicklung von Impfstoffen gegen das Virus, das mit Hochdruck und im Vorgriff auf die Lieferung von Hunderten von Millionen Impfdosen mit Steuergeldern vorfinanziert wurde. Corona war Anlass dafür, scheinbar selbstverständliche Gewohnheiten, wie Auslandsurlaube oder Städtereisen, einzustellen und damit den Luftverkehr nahezu stillzulegen. An den Flughäfen kehrte Ruhe ein, und über ihnen kurvte fast nur noch der Pleitegeier.
Begriffe wie Lockdown, hart oder leicht, erzählen von einem Alltag, der 2020 durch Einschränkungen bestimmt war, und von Abstandsregeln handelte, vor allem bei den Schlangen von Kunden vor Geschäften und Supermärkten. Geduld und Zuversicht waren Forderungen, die das Leben zugleich allen abverlangte, und die doch nicht jeder in der Lage war, aufzubringen. Mund und Nase bedeckende Masken, zum eigenen Schutz und zum Schutz für andere, sind Pflicht. Ebenso neu Quarantäne, wenn es doch zu Ansteckung kam, dann durfte die eigene Wohnung nicht verlassen werden. Es wuchs das Erschrecken über täglich sich steigernde Infekte und wachsende Todeszahlen.
Die Berichte und Kommentare in Zeitungen galten vor allem der Frage, ob die Einschränkungen, durch die das Virus in Schach gehalten werden sollten, eingehalten werden. Und ob Mitmenschen sich selbst und dem fremden Gegenüber oder dem Freund oder der Freundin den Schutz geben, der vor Ansteckung bewahrt. Die große Mehrheit war bereit, in der Krise Corona den anderen mit einzubeziehen und die Abstandsregeln nicht als sozialen Abstand von Mensch zu Mensch misszuverstehen. In Umfragen pendelt sich die Zustimmung zu den von Bundes- und Landesregierungen vereinbarten Maßnahmen bei rund 80% Prozent ein.
Bei einer Gesamtbevölkerung in Deutschland von rund 82 Millionen Menschen, abzüglich 13,504 Millionen minderjährigen Kindern in Familien und rund 1,6 Millionen Menschen über 7o Jahren, stimmten 80% im Land mit den politischen Entscheidungen weitgehend überein, während rund eine Million Menschen ein autoritäres Weltbild repräsentieren und von Corona-Diktatur faseln, alte und neue Nazis, Querdenker, Identitäre oder Reichsbürger, die einige tausend Teilnehmer bei Protestdemonstrationen in Bewegung bringen können.
Sie sind laut und nicht ungefährlich für den inneren Frieden. Zumal manche den Umsturz in Deutschland herbeisehnen. Kenner der Szene sagen, der Tag X sei das einigende Band für unterschiedliche Akteure von Reichsbürgern bis zu Extremisten bei Spezialkampftruppen (SK) in der Bundeswehr. Dazu rechtsextreme Chatgruppen im Netz, in denen Soldaten und Polizisten miteinander kommunizieren. Immerhin hat selbst Bundesinnenminister Seehofer(CSU) kürzlich den Hinweis des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz übernommen, der den Demokratischen Staat vor allem durch den Rechtsextremismus gefährdet sieht.
2020 geht zu Ende, 2021 wird ein neuer Bundestag gewählt. Es wird sich zeigen, ob die demokratischen Parteien die innere Kraft haben, nach vorn zu blicken und für eine Zukunft zu streiten, die nicht Große- oder Grün-Schwarze Koalition heißt, sondern den demokratischen Wettbewerb erneuert, der in den letzten Jahren verloren ging. Der Streit lohnt. Es wird sich zeigen, ob auch die SPD als Herausforderer antreten kann oder sich erneut kraftlos wieder nur als Juniorpartner verbraucht.
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