Eine Frau nimmt stumm ihr Kopftuch ab- und wird so zum Anstoß einer Social-Media Bewegung. Ihr gegenüber sitzt die Australierin Rachel Jacobs im Zug, und kommentiert die Szene auf Facebook. Am Bahnhof folgt sie der Frau, ermutigt sie, das Kopftuch wieder aufzusetzen und bietet ihr an, sie zu begleiten.
Die Szene ereignete sich parallel zu der Geiselnahme in Sydney. Dort nahm der 50 Jahre alte Man Haron Monis am Montag 17 Geiseln unter den Angestellten und Kunden des Lindt-Cafés im Stadtzentrum in seine Gewalt. Der gebürtige Iraner bekennt sich durch eine Flagge, die er eine Geisel an das Schaufenster des Cafés halten lies. Darauf das muslimische Glaubensbekenntnis, keine radikal islamistische Botschaft. Trotzdem, auch der IS verwendet ähnliche Flaggen, Spekulationen über einen dschihadistischen Hintergrund verbreiten sich.
Muslime fürchten Vergeltungsschläge
Drei Tote, darunter der Geiselnehmer, und vier Verletzte hatte die Geiselnahme gefordert, als sie nach 16 Stunden von der Polizei beendet wurde. Kurz darauf melden sich besorgte Muslime beim Radiosender ABC Sydney, sie fürchten Vergeltungsschläge. Antimuslimische Tendenzen mehren sich in den letzten Monaten in Australien, befeuert durch die Erhöhung der Anti-Terror-Alarmstufe, die Regierung bewertet einen Terroranschlag als wahrscheinlich. Als Reaktion erließ die Australische Regierung strenge Antiterror-Gesetze, welche Polizei und Geheimdienste mehr Rechte zugestehen und die zweijährige Speicherung von Daten der Internet- und Telefonanbieter vorschreibt. Das schürt Ängste, seit mehreren Wochen häufen sich bereits Übergriffe und Angriffe auf Muslime.
Doch die Situationsdynamik nach der Geiselnahme entwickelt sich in eine andere Richtung. Die Journalistin Tessa Kum liest die Facebook-Posts von Rachel Jacobs, die mittlerweile auch gezwitschert werden und verwandelt das Mitgefühl einer Einzelnen in eine Twitter-Initiative, auf der bereits über 250.000 Tweets zu #Illridewithyou ihre Solidarität mit der muslimischen Gemeinde bekennen. Kein Mensch mit als religiös identifizierbarer oder anmutender Kleidung, wie einem Hidschab, sollte sich in der Öffentlichkeit unwohl fühlen. Auf ihrem Twitter Account „Sir Tessa“, bietet Kum Muslimen an, sie im Bus und in der Bahn zu begleiten und so vor antimuslimischen Übergriffen zu schützen.
Solidaritätsbekundungen weltweit
Was als Angebot einer Begleitung im öffentlichen Nahverkehr von Sydney begann, ist heute schon weit über die Grenzen von Australien verbreitet, bei den Twitter Trends auf Platz 2. Damit hat #Illridewithyou den Hashtag #sydneysiege, der die Geiselnahme selbst thematisiert, überholt. Auch die Politik äußert sich zu der Bewegung. Der australische Anti-Diskriminierungsbeauftragte Tim Soutphommasane twittert seine Ergriffenheit und ruft auf Hass und Spaltung nicht triumphieren zu lassen.
https://twitter.com/MichaelJames_TV/status/544339713394368512/photo/1
https://twitter.com/hashtag/illridewithyou?src=tren