E-Commerce – das war vor 20 Jahren noch mehr oder weniger ein Fremdwort und schon gar keine Konkurrenz für den stationären Einzelhandel. Inzwischen hat sich das wesentlich verändert. Immer mehr Käufer bestellen per Online. Auf ihrem Handy oder PC finden sie die Angebote vieler Millionen Waren.
Der virtuelle Click genügt, um das Geschäft in Gang zu bringen. Allein im vergangenen Jahr beliefen sich die Umsätze im Online-Handel auf rund 60 Mrd. Euro; im laufenden Jahr wird es noch wesentlich mehr sein, denn Corona war ein kräftiger Treiber dieser Handelsform und wird es weiterhin bleiben.
Über 20 Millionen Pakete pro Tag
Was per Click elektronisch bei Otto, Amazon, Zalando oder vielen anderen bestellt wird, muss analog ausgeliefert werden. Bis zu 21 Millionen Pakete werden pro Tag in die privaten Haushalte gebracht. Für die bevorstehende Weihnachtszeit rechnen die großen Logistikfirmen Deutsche Post, DHL, Hermes, UPS, GLS und andere damit, dass insgesamt mehr als 400 Millionen Pakete an Privatkunden ausgeliefert werden müssen. Das sind etwa 20 % mehr als im Jahr zuvor; in den ersten 6 Monaten 2020 betrug die Steigerung bereits fast 9 %. Das Paketgeschäft mit den Privaten expandiert sehr stark, während die Lieferungen an Handelsfirmen und andere Unternehmen eher rückläufig sind und um rund 7 % gegenüber dem Vorjahr sanken.
Deutliche Lasten der Retouren
Die reißende Paketflut beschert nicht nur Freude. Es wird zwar bestellt und geliefert „auf Teufel komm raus“, weil alles, was nicht passt und gefällt, fast durchweg ohne Kosten vom Kunden zurückgeschickt werden kann.
Die Kosten für diese vielen Millionen Retouren sind jedoch gewaltig. Wenn sie von den Bestellern bezahlt werden müssten, würde manche Order intensiver bedacht und letztlich wohl entfallen. Die Kosten für die Rücksendungen gehen zu Lasten anderer: Sie sind natürlich im Verkaufspreis miteinkalkuliert. Sie belasten zudem die Umwelt.
In vielen Städten parken die Paketboten ihre Lieferfahrzeuge oft genug in der zweiten Reihe, auf dem Fuß- oder Radweg. Die vielen Millionen Kilometer, die sie bei der Zustellung von Haus zu Haus zurücklegen, bringen hohe CO2-Emissionen mit sich. Verstopfte Straßen und hohe Belastungen der Luft sind nicht die einzigen Folgen der Paketflut.
Zusteller: Lastesel der Nation
Viele tausend Zusteller sind für die Logistik unentbehrlich, denn sonst würde es mit dem E-Commerce nicht klappen. Nicht wenige sind als „Schein-Selbständige“ beschäftigt, also zu Niedriglöhnen und sozial kaum oder gar nicht abgesichert.
In der Hochsaison sind einige zehntausend zusätzliche Arbeitskräfte erforderlich, um die Paketflut zu bewältigen. Mit den Methoden des „hire and fire“ wird dann auf Saison- und Zeitarbeitskräfte zurückgegriffen, die zu Rekorden im Treppauf-Treppab bei den Paketzustellungen getrieben werden. Besonders misslich für die „Pakettransport-Sklaven“ ist es, wenn der Empfänger der Lieferung gerade nicht daheim ist und wenig freundliche Nachbarn die Pakete auch nicht annehmen und lagern wollen. Spätestens so wird der allseits besungene Segen der digitalen Welt zum Fluch für die Menschen auf den letzten Metern.
Online -Segen wird zur Plage
Doch die Flut wird wahrscheinlich weiter steigen – um 30 oder gar 50 % bei den für den E-Commerce transportierten Mengen. So kann der Online-Click bis zum Ende der realen Auslieferung doch auch zur Plage für die Umwelt und Menschen werden. Echter Wohlstand sieht gewiss anders aus; er könnte erhöht werden, wenn wieder mehr Kunden zum Einzelhändler um die Ecke, zum Geschäft in der Innenstadt und zum heimischen Buchladen gingen. Denn eine lebendige Stadt in einer lebenswerten Umwelt bietet Lebensqualität und Wohlstand, die niemand online bestellen kann.
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