Wer sich die Vorschläge des Energieversorgers Steag anschaut, mit denen er die Dividenden für seine klammen Aktionäre in den nächsten Jahren finanzieren will, der darf getrost alle Grundrechenarten vergessen und das Schuldenmachen als oberste kaufmännische Tugend loben. Sondermaßnahmen heißt es im Steag-Papier, mit denen die Millionenabführungen an die betroffenen Revierkommunen überschrieben sind. Anteilsverkäufe, Bewertungsänderungen oder Entnahmen aus Gewinnrücklagen lauten dabei die betriebswirtschaftlichen Zauberformeln, hinter denen sich schlicht und einfach die Tatsache verbirgt: Es gibt keine entsprechenden Gewinne, sondern schlicht und einfach nur Substanzentnahmen vor allem zur Gesichtswahrung der Steag-Eigner.
Bedenklich dabei ist besonders: Auch als der Milliardenverkauf der letzten Steag-Tranche von Evonik an die Revier-Kommunen vor Jahr und Tag über die Bühne ging, leuchteten bei Ihnen keine Alarmlampen, trotz Energiewende, Atomausstieg und dem absehbaren Bedeutungsverlust von Kohlestrom. Es gibt und gab kaum ein Stadtwerk, welches mit seinen fossilen Stromerzeugern heute noch Geld verdient. Wer dabei noch in die fast leeren Kassen greift, um sich weitere dazuzukaufen, der muss zum Grubenarzt.
Im Größenwahn die Strippen gezogen
Oder hat hier ein Old Boys Network aus der Energiepolitik im Größenwahn die Strippen gezogen, um abermals ein Stück Zukunft zu verfrühstücken, um vielleicht kurz vor Toresschluss ein lästiges Investment los zu werden ? Vieles erinnert dabei an das jahrzehntelange Imponiergehabe anderer deutscher Stromversorger, die in den zu Ende gegangenen Stamokap-Zeiten, wo einmal im Jahr in den Landeswirtschaftsministerien die Strompreise ausgekungelt wurden, Glauben machen wollten, in ihren Reichen würde die Sonne nicht untergehen. So lange übrigens, bis diese in Form von Photovoltaik auf deutschen Dächern immer mehr Platz nahm.
Das alles lässt die Not der Kommunen noch größer werden. Wer von Ihnen Steag-Anteile hat und zugleich auch noch – was die Regel ist – als RWE-Aktionär auf diese Dividendenausschüttung angewiesen ist, steht mit dem Rücken zur Wand. Normalerweise. Hier werden sich ja sicher noch die entsprechenden Verlust sozialisieren und durch Gebührenerhöhungen mildern lassen.
Eon will sich mit seiner Abspaltung der problematischen Geschäftsfelder – leicht angespeckt durch einige Einnahmequellen( Trade )- möglicherweise auch aus seiner Verantwortung für die Finanzierung des Atomausstieges aus dem Staube machen. Hier würde sich ganz nebenbei die Frage stellen, wie diese zweistellige Milliardengarantie eingehalten werden kann, wenn gut 30 Milliarden Euro Schulden drücken, in Brasilien offenbar auch riesige Summen fehlinvestiert wurden, das Türkeigeschäft ausgesprochen problematisch ist und das Russlandengagement zum Desaster werden kann? Den Appellen der Politik, die Arbeitsplätze zu erhalten, sollte der Satz Gustav Heinemanns entgegengehalten werden, „ wer mit dem Finger auf andere zeigt, sollte nicht vergessen, dass drei auf ihn zurückzeigen.“
RWE sucht ein neues Geschäftsmodell
Die Parteien haben mit jeweils unterschiedlich großem Anteil an der bisherigen Schieflage der Energiewende entscheidend mitgewirkt. Der Ausstieg aus dem Ausstieg unter schwarz-gelben Regierungszeiten war dabei nur die Krönung politischer Versager.
RWE sucht nun auch angesichts seines knapp 25 prozentigen kommunalen Aktionärsanteils ein neues Geschäftsmodell, welches aber noch nicht zu erkennen ist. Die Kommunen haben kein Geld und mögliche Investoren sind u.a. wegen deren Sperrminoritäten im Konzern kaum für einen Einstieg zu gewinnen. Schwierig dabei ist auch bei RWE der Verkauf des Tafelsilbers, wie der Explorations-Tochter Dea, deren Brautschau mit einem russischen Investor auf massive Widerstände stößt. Wenn die Essener auch in diesem Jahr eine magere Dividende von einem Euro zahlen, ist dies wie bei der Steag auch gegen jede wirtschaftliche Vernunft. Auch hier stehen 30 Milliarden Euro Schulden zu Buche, lastet eine milliardenschwere Atomrückstellung in den Bilanzen und mit der Braunkohle als wichtigstem Einnahmeträger der größte CO2-Emmitent Europas im Portefeuille. Die mageren Gewinne werden in den nächsten Jahren dringend für den Konzernumbau gebraucht und nicht für die Dividendenzahlung.
Verantwortung ist nicht nur eine Leerformel
Eines ist dabei doch auch klar: Die Unterschiedlichkeit und Variabilität des neuen Energiemarktes mit Photovoltaik, Wind, Biogas, Wasser oder Erdwärme und Millionen Erzeugern über ganz Europa verstreut, lässt für die EVU`s überwiegend nur den Weg als intelligenter Netzbetreiber und Dienstleister vor Ort übrig. Hier haben auch RWE und die Kommunen jetzt schon die größten Schnittmengen. Ob das mit Smart Home zuhause oder als Servicepaket für Strom/ Wasser/Verkehr oder Sicherheit ist, müssen auch die Produktentwickler erst noch zeigen. Vielleicht könnte ja auch RWE-Aufsichtsrat, Mercedes-Chef Dieter Zetsche, sein Mandat mit einigen Vorschlägen zum Thema E-Mobilität ernst nehmen. Verantwortung ist nicht nur eine Leerformel.
Machbar ist der Wandel jedenfalls. Das zeigt das Beispiel Post. Aus einem staatlichen Monopolisten sind zwei gewinnträchtige Konzerne geworden, wobei besonders die Telekom gezeigt hat, auf dünnem Eis lässt sich nur kurz tanzen. Sie musste schnell angesichts der digitalen Revolution neue Produkte entwickeln und zusätzliche Märkte erschließen. Das ist geradezu meisterhaft gelungen. Trotz massiver internationaler Konkurrenz hat sie gezeigt, dass aus einer Leitung sich mehr als nur eine Verbindung herstellen lässt.
Viel Zeit dazu bleibt den Stromversorgern nicht mehr.
Bildquelle: Wikipedia, CC BY 3.0 by Stodtmeister