Das wird eine lange Strecke, die die Parteien bis zur nächsten Bundestagswahl im September 2021 gehen müssen. Bislang hat nur die SPD ihren Spitzenmann für dieses Rennen benannt: Olaf Scholz soll das Kanzleramt erobern. So haben es Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die Parteivorsitzenden, vorgeschlagen, nachdem ihr Kandidat vor einem Jahr bei der Wahl an die SPD-Spitze bei den eigenen Leuten durchgefallen war. Um nun das große Ziel im nächsten Jahr zu erreichen, müssen alle sozialdemokratischen Kräfte mobilisiert werden. Das Wahlprogramm sollte auf den Spitzenkandidaten zugeschnitten werden; sonst dürfte die Verwirrung ähnlich groß ausfallen wie bei den früheren Bundestagswahlen mit Steinmeier, Steinbrück und Schulz.
Landtagswahlen als Zwischen-Etappen
Nochmals wird die SPD sich nicht als Juniorpartner in eine Große Koalition mit der CDU und CSU begeben, obwohl die Sozialdemokraten in vielen Bereichen der Politik kräftige Akzente setzen konnten. Der immer wieder zu hörende Vorwurf gegen die Kanzlerin Angela Merkel, sie habe die Union weitgehend sozialdemokratisiert, kommt nicht von ungefähr. Allerdings leidet die SPD seit langem an der Schwindsucht. Lediglich bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 23. Februar diesen Jahres erhielt sie mit 39,2 % noch ein für ihre Verhältnisse Superergebnis. Bei den Landtagswahlen im Jahre 2019 kam sie in Brandenburg auf 26,2 %, in Bremen auf 24,9 %, in Thüringen auf 8,2 % und in Sachsen gerade noch auf 7,7 %.
Vor der Bundestagswahl wird 2021 noch in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz (jeweils am 14. März), in Sachsen-Anhalt am 6. Juni, in Thüringen (im April) sowie in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern im Herbst gewählt.
In Rheinland-Pfalz könnte es für die SPD dank der Spitzenfrau, der Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die 2016 gut 36 % der Stimmen erreichte und mit den Grünen und der FPD eine Koalition bildete, erneut ein Ergebnis um die 30 % geben. Ähnlich dürfte es in Mecklenburg-Vorpommern laufen, obwohl die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl im Jahre 2016 rund 5 Prozentpunkte verlor und Manuela Schwesig nur mit der CDU zur Ministerpräsidentin gewählt werden konnte.
Rückenwind oder Gegenwind für Olaf Scholz
Völlig offen ist derweil, ob Olaf Scholz seiner Partei bei diesen Landtagswahlen schon Rückenwind verleihen und eine Trendwende einleiten kann. Als Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten gekürt wurde, gab es einen bundesweiten Hype – allerdings nur sehr kurzfristig, dann folgte ein jäher Absturz; selbst in Nordrhein-Westfalen musste Hannelore Kraft eine schmerzliche Niederlage einstecken und die Staatskanzlei für Armin Laschet räumen. Bei den jüngsten bundesweiten Umfragen ist kein Scholz-Effekt für die SPD zu spüren: Die Partei bewegt sich um die 16 bis 18 %. Sie liegt damit etwa auf Augenhöhe mit den Grünen. Die Union ist rein demoskopisch mit rund 36 bis 38 % dies stärkste Partei.
Der Kampf um den CDU-Vorsitz
Allerdings muss die CDU zunächst bei ihrem Parteitag Anfang Dezember den Nachfolger für Annegret Kramp-Karrenbauer im Bundesvorsitz der Partei wählen. Die besten Chancen hat der NRW-Ministerpräsident Laschet, der mit seinem Sekundanten Jens Spahn das Partei-Ruder über nehmen will. Wichtig für Laschet wird es sein, wie die CDU bei der Kommunalwahl am 13. September in seinem Land abschneiden wird. Nicht zu unterschätzen ist sein Konkurrent Friedrich Merz, der sich zwar vor 15 Jahren aus der aktiven Politik verabschiedete und nie ein Regierungsamt ausübte, doch viel Unterstützung vom Wirtschaftsflügel der CDU erhalten wird. Ihm trauen viele in der CDU zu, mit einer guten wirtschafts- und finanzpolitischen Strategie unser Land aus dem tiefen Corona-Krisental wieder in bessere Zeiten zu führen. Dagegen findet der dritte Bewerber um den CDU-Parteivorsitz, Norbert Röttgen, bislang nur wenige Fans. Er macht zwar in der Außenp0litik eine gute Figur, doch auf den anderen Feldern der Politik reißt er wahrlich keine Bäume aus. Er zählt – ähnlich wie Friedrich Merz – die wichtigen Themen – von der Digitalisierung über die Bildung bis hin zum Umweltschutz – auf, doch ist von ihm nur wenig darüber zu erfahren, was er ganz konkret zur Lösung der großen Probleme im Köcher hat. Das aber wollen die 1001 Delegierten des CDU-Bundesparteitages gewiss erfahren.
Söder im Sturzflug
Anfang 2021 – wahrscheinlich erst im März – wird die Union ihren Kanzlerkandidaten küren. Über Markus Söder ist zwar immer wieder spekuliert worden – vor allem von vielen Medienvertretern. Dabei war seine Aussage klipp und klar, dass Söder seinen Platz in Bayern sieht und behalten will. Mit seiner forschen Strategie im Kampf gegen Corona hat er zwar einige beeindrucken können, zumal er in seiner Funktion als Vorsitzender der Ministerpräsidenten-Runde immer wieder neben Angela Merkel im Kanzleramt bei den Pressekonferenzen auftrat und sich als Krisen-Manager zu profilieren versuchte. Doch mit seiner forschen Test-Strategie im Freistaat Bayern musste Söder einen Flop und eine Riesenblamage hinnehmen. Denn sein blinder Eifer schadete gewaltig; der bayerische Himmelsstürmer landete unsanft auf dem Boden.
Union ohne Merkels Amtsbonus
Die große Zahl der CDU/CSU-Anhänger setzen darauf, dass die nächste Regierungskoalition im Bund schwarz-grün sein wird. Nach dem derzeitigen demoskopischen Werten brächten diese Parteien gemeinsam über 50 % auf die Koalitionswaage. Doch bis zur Bundestagswahl in gut einem Jahr wird noch viel Wasser die Spree entlang fließen. Die Mehrheit der Grünen-Wähler würde ohnehin ein Bündnis mit der SPD vorziehen. Und Olaf Scholz sowie die beiden SPD-Vorsitzenden setzen unmissverständlich auf eine Koalition links der Mitte.
Sicher ist, dass Angela Merkel nicht mehr die Spitzenkandidatin der Union sein wird. Ihr Amtsbonus wird also 2021 entfallen. Olaf Scholz wird von vielen Deutschen als ein „Merkel-Klon“ gesehen. Zudem tritt er mit dem Amtsbonus des Vizekanzlers und des Bundesfinanzministers an. Die zum Teil recht linken Parolen seiner SPD-Vorsitzenden Esken moderiert er recht geschickt weg, um das breite Wählerklientel in der bürgerlichen Mitte nicht zu verschrecken. Mit seinem „Wumms-Programm“ im Kampf gegen die Corona-Krise kann Scholz landauf, landab bestens punkten, da der CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier ihm dabei kaum in die Suppe spuckt, sondern eher hilflos durch das Land irrlichtert.
Wetterwendische Demoskopie-Befunde
Die SPD hat durchaus die Chance, sich aus ihrem Tief heraus zu kämpfen. Sie könnte bei der Bundestagswahl deutlich über 2o % der Stimmen erreichen. Gemeinsam mit den Grünen würde sich das auf um die 40 % summieren. Ob sich dann bis September 2020 die FDP auf 8 bis 10 % erholen wird, mag heute noch ins Reich der Spekulation verwiesen werden, aber möglich ist das schon. Christian Lindner hat zudem jüngst verkündet, dass er mit seinen Liberalen allzu gern mitregieren würde. Sein neuer Generalsekretär, Volker Wissing, hat bereits in der rot-grün-gelben Koalition in Rheinland-Pfalz gute Erfahrungen gemacht. Wenn es mit der FDP nicht gehen sollte, blieben die Linken als Bündnispartner von Rot-Grün. Die Union ist jedenfalls gut beraten, nicht schon jetzt allzu große Siegeszuversicht zu verbreiten und sich in einer vagen Favoritenrolle zu sonnen. Noch vor einem Jahr lag die Union bei den demoskopischen Werten bei 30 % und darunter – und das mit Angela Merkel im Kanzleramt. CDU und CSU müssen auf jeden Fall noch alle Kräfte für den Polit-Marathon mobilisieren, um nicht auf der Strecke zu bleiben. Wer stolpert, kommt nicht ins Kanzleramt.
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