Nun ist es passiert, der Kandidat der Linken, Bodo Ramelow, ist mit den Stimmen der Linken, der SPD und der Grünen zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt. Im zweiten Wahlgang und mit nur einer Stimme Mehrheit. Es ist das erste Mal, dass ein Linker Regierungschef in einem Land ist. Bisher haben die Linken zwar in einigen neuen Ländern mitregieren können, aber nie einen Ministerpräsidenten gestellt.
Es ist an der Zeit, dass sich die Wogen glätten und die Empörungen legen. Man muss die Linke nicht mögen und niemand muss sie wählen. Aber die Linke ist, bei aller berechtigten Kritik und allen Vorbehalten ob ihrer unsäglichen Vorgeschichte als einstige SED in der DDR, inzwischen eine demokratische Partei und als solche zu Wahlen zugelassen. Und zwar uneingeschränkt. Zudem hatte das Bundesverfassungsgericht es untersagt, Abgeordnete der Linken durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Punkt. Oder wollen wir an der Legitimation des obersten deutschen Gerichts zweifeln.
Wer weiter meint, dass damit das Ende des Abendlandes eingeläutet worden ist, sollte mal überlegen, was eigentlich passiert ist. Thüringen ist zwar ein schönes, aber auch eines der kleinsten Bundesländer, Thüringen ist nicht die Bundesrepublik. Die Wahl von Bodo Ramelow sagt gar nichts aus, was bei der nächsten Bundestagswahl passieren wird. Möglich ist vieles, das ist wahr, aber darüber heute zu rätseln, macht keinen Sinn. Rot-Rot-Grün oder doch vielleicht Schwarz-Grün, oder wieder Schwarz-Rot oder, oder, oder.
Ramelow ist doch gerade erst gewählt. Er ist ein Politiker, der aus dem Westen in den Osten gewechselt ist. Er hat also mit der SED-Vorgeschichte persönlich nichts zu tun. Also bitte den Ball mal flach halten.
Die Wahl von Ramelow zum Regierungschef ist überhaupt nicht zu vergleichen mit der Abstimmung zum Ermächtigungsgesetz 1933. Ein solcher Vergleich, im Vorfeld gezogen, ist mehr als peinlich, historisch völlig daneben und im Grunde eine Beleidigung für den großen und wirklich mutigen Sozialdemokraten Otto Wels. Wie kommt jemand auf die Idee, die Situation damals mit heute zu vergleichen? Otto Wels sprach damals, am 23. März 1933, den Satz: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, unsere Ehre nicht“. Wessen Leben steht denn heute auf dem Spiel? Zur Erinnerung: Die SPD war die einzige Partei, die gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hat, mit dem Adolf Hitler alle Macht erhielt.
Zurück nach Erfurt. Die CDU, die bei der Landtagwahl noch gut abgeschnitten und leichte Gewinne zu vermelden hatte, muss nun die Führung der Staatskanzlei abgeben, nach 24 Jahren Regierung. Dass das so gekommen ist, daran ist auch die CDU selber schuld, nicht zuletzt die Ministerpräsidentin Lieberknecht. Sie hatte in ihrer Regierungszeit einige Fehler gemacht und unter anderem die mitregierende SPD im Lande so verärgert, dass die SPD und auch die Grünen es vorzogen, es dieses Mal lieber mit der Linken zu versuchen als mit der Amtsinhaberin, die auch in der eigenen Partei mehr als umstritten geworden war. Nicht umsonst hatte sie auf eine Gegenkandidatur verzichtet.
Der Wechsel im Amt gehört zur Demokratie. Davon haben wir in Deutschland viele erlebt, im Bund und in den Ländern. Die Republik hat deshalb keinen Schaden genommen. Wer hätte gedacht, dass ein Land wie Baden-Württemberg jemals von einem Grünen Ministerpräsidenten regiert würde? Damals musste die seit 57 Jahren regierende CDU die Macht an die Grünen und die SPD abgeben. Ministerpräsident Kretschmann hat sich inzwischen einen guten Ruf im Ländle erworben. Wechsel gab es in NRW und zwar hin und her, in Niedersachsen, in Hessen und anderswo, es wechselten die Kanzler in Bonn wie in Berlin. Ja und? Der Republik hat es gut getan.
Nun also Bodo Ramelow, das Bündnis aus Linken, SPD und den Grünen. Die Koalition muss äußerste Disziplin aufbringen, um schwierige Abstimmungen im Landtag zu überstehen. Sie hat nur eine Stimme Mehrheit im Landtag. Ramelow und sein neues Kabinett müssen beweisen, dass sie regieren können- zum Wohle des Landes. Letzteres ist entscheidend, ob diese Regierung Erfolg hat. Hat sie ihn nicht, wird sie abgewählt. So ist es guter Brauch in Deutschland.