Es war einmal ein Land, das man in seinen Träumen trug, ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der Freiheiten und Freundlichkeiten. Nach Amerika, in die Vereinigten Staaten verschlug es Europäer, die hier verhungert wären, die hier verfolgt wurden, in Deutschland. Thomas Mann war nur einer von ihnen, der sich in die USA vor den Nazis retten konnte. Wie haben wir die wenigen beneidet, die schon in den 50er Jahren ein Stipendium bekamen, um ein Jahr eine amerikanische Schule zu besuchen. Amerika, das Land, das mithalf, die Deutschen von der Nazi-Diktatur zu befreien, das mithalf, als Deutschland am Boden lag 1945, damit es wieder auf die Beine komme. Heute sind die Bilder von einst aus unseren Köpfen verschwunden, verdrängt von einem Präsidenten Donald Trump, der mit der Bibel in der Hand sich vor einer Kirche namens St. John´s gegenüber dem Weißen Haus in Washington demonstrativ aufbaut, den Weg dahin hatte die Nationalgarde ihm quasi mit Tränengas freigeschossen und die Demonstranten verjagt.
Pardon wird nicht gegeben(der Titel der SZ auf der Seite 2), das gibt dieses Bild mit der Bibel in der Hand symbolisch wieder, die Strategie dieses mächtigsten Mannes der Welt, der uns das Fürchten lehrt. Schamlos, mit der Bibel in der Hand. Der Mann kennt wirklich keine Scham, keine Grenze für sich und seine Wiederwahl im Herbst. Widerlich ist das anzuschauen, wie er grimmig und entschlossen in die Kameras blickt. Er missbraucht selbst die Bibel für sein missliches Handeln. Was für ein Präsident?! Zum Kotzen.
Am Boden liegend erstickt
Da wird einem Afro-Amerikaner, am Boden liegend, von einem Polizisten mit dem Knie am Hals die Luft weggedrückt, er ruft mehrfach um Hilfe, weil er keine Luft mehr bekomme, der Polizist lässt nicht nach in seiner Quälerei, andere Polizisten schauen zu, greifen nicht ein, der Mann stirbt, er erstickt, weil der „Cop“ ihm die Wirbelsäule und die Lunge derart zusammengedrückt hat, dass ihm die Luft wegbleibt, so die spätere Obduktion. Mord? Mordversuch? Totschlag? Eigentlich ein Grund, dass ein Präsident ein Wort des Mitfühlens sagt, ein versöhnliches Wort an seine Mitbürger, die sie ja alle sind, gleich ob schwarz oder weiß. Nichts davon kommt Trump in den Sinn. Der oberste Feldherr der USA ist ein Mann der Stärke. Ihm geht es immer nur um sich selbst, nie um sozial Schwache, Benachteiligte, nie um soziale Gerechtigkeit. Trump ist Dollar-Milliardär und lebt das vor, das er hat, was andere nicht haben. Er demonstriert täglich in seinen Auftritten seine Allherrlichkeit und die Ohnmacht der anderen. America first heißt natürlich: Trump first. Ellenbogen raus gegen Konkurrenten.
Es ist diese Fratze des Kapitalismus, die uns mit Trump täglich übers Fernsehen in die Wohnzimmer geliefert wird, Bilder die diesen Mann zeigen, der kein Mitgefühl kennt mit einem Schwarzen, der am Boden liegt und stirbt. Das Recht des Stärkeren ist seine Bibel, und nicht die Stärke des Rechts. Und dass seit dem Mord an George Floyd Demonstranten in aller Welt gegen den täglichen Rassismus in den USA demonstrieren, dass sie des Nachts Geschäften die Scheiben einschlagen und plündern und mitnehmen, was sie tragen können, ist ein Ausfluß des Protestes gegen einen wie Trump, der auf ihren Gefühlen herumtrampelt.
Nein, ganz Amerika ist nicht so wie Trump, rücksichtslos wie er, gefühllos. Wir haben Freunde in Minneapolis, bei denen unsere Tochter vor vielen Jahren ein halbes Jahr leben durfte. Sie hat die Gast-Freundschaft der Amerikaner erlebt und geschätzt, sie wäre gern länger drüben geblieben, weil sie Teil der Familie geworden war. Vor Jahren ist sie wieder nach Amerika geflogen mit ihrem Mann und hat ihre „Gast-Eltern“ in Minneapolis besucht, herzlich und freundlich war die Aufnahme. Sie sind das andere Amerika, das Trump nicht gewählt hat. Aber die Mehrheit der Amerikaner hat diesen Republikaner ins Amt gewählt und diese Mehrheit auch in seiner Partei hält weiter zu ihm, findet ganz offensichtlich nichts dabei, wenn er tönt und schreit, wenn er Journalisten beschimpft, anderen das Wort abschneidet, wenn er droht.
Versöhnen und nicht hetzen
Amerika, die Großmacht, die Weltmacht, bräuchte einen Versöhner, der die Generationen, die Schwarzen und die Weißen, miteinander versöhnt und der sie nicht gegeneinander aufhetzt, wie das Trump macht. Er beschimpft die Gouverneure in den Bundesstaaten als Schwächlinge, die sich von den Randalierern und Terroristen auf der Nase herumtanzen ließen. Und drohte, sie sollten endlich eingreifen, hart durchgreifen, sonst würde er die Nationalgarde losschicken und Leute verhaften lassen. Und mit Blick auf die Demonstrationen und Gewaltaktionen in der Hauptstadt Washington, sagte er in fast kriegerischer Sprache: „Während ich hier spreche, habe ich Tausende und Abertausende von schwerbewaffneten Soldaten, Armeeangehörigen und Polizisten in Gang gesetzt, um die Plünderungen, den Vandalismus, die Angriffe und die wahllose Zerstörung von Eigentum zu stoppen.“
Der Mann setzt auf Eskalation, wo Beruhigung der Lage angebracht wäre, er kippt Öl ins Feuer, indem er damit droht, das Militär gegen die eigenen Staatsbürger einzusetzen. Ist der Mann von allen Geistern verlassen, dass sogar der Gedanke, er könnte die 82. Luftlandedivision über Manhattan abspringen lassen, wie das der SZ-Korrespondent in Washington beschreibt, im Raum steht.
Der Aufstand, der gerade im Gange ist und Amerika erfassen könnte, ist die Sprache der Unerhörten, die Versprechen von Freiheit und Gerechtigkeit wurden nicht eingelöst, die weiße Gesellschaft hat sich mehr um sich selbst gekümmert und um ihren Status quo als um Gerechtigkeit und Menschlichkeit. So zitiert die SZ Martin Luther King jr., der Sohn des ermordeten Martin Luther King, der einst seinen Traum von einem freien und gerechten Amerika formulierte. „I had a dream“.
Trump, ein Mann der Lügen und der Großmannssucht, ist nicht der Mann, der Amerika versöhnen würde, er will das gar nicht. Er kümmert sich um sich und nicht um die Sorgen der anderen, die von Corona gezeichnet sind. Mehr als 100000 Tote, mehr als 40 Millionen Amerikaner ohne Job, Millionen können sich nur noch von Essensspendern ernähren, das ist die traurige Corona-Bilanz unter einem Präsidenten wie Trump, der die Pandemie verdrängte, nicht wahrhaben wollte, obwohl oder weil er keine Ahnung davon hat. Er sieht sich als Superheld, was sich auch zeigt in seiner aggressiven Art, die Gegner anzupöbeln, die Demonstranten will er auch mit böswilligen Hunden bekämpfen. Notfalls greift er dafür auch auf ein Gesetz aus dem Jahre 1807 zurück und schickt Militär in die Bundesstaaten, um Plünderer und Demonstranten zur Raison zu bringen, wenn nötig eben mit Waffengewalt.
Keine Gerechtigkeit, kein Frieden
Nein, Amerika steckt nicht in einem Bürgerkrieg, noch nicht, der letzte wirkliche fand Mitte des 19. Jahrhunderts statt und er kostete einer halben Million Menschen das Leben. Damals ging es um die Rolle der Schwarzen, die Abschaffung der Sklaverei, also das Halten von Schwarzen als Sklaven, billigen Arbeitskräften zum Wohle der Weißen. Heute rufen sie „Keine Gerechtigkeit, kein Frieden“. Es geht immer wieder und immer noch um Rassismus, der sich gerade in Corona-Zeiten wieder deutlicher zeigt in den USA. Ausnahmen gibt es, wie die Polizisten, die auf die Knie fallen, um ihren Protest gegen Trumps Rassismus-Politik und ihr Mitgefühl mit dem Opfer und den Trauernden auszudrücken, Kniefall statt Gewalt, wie sie Trump vorzieht.
ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen beschrieb die Lage in Amerika gerade als dramatisch. „Da kippt etwas“, beschrieb der Fernseh-Journalist die Demonstrationen, Plünderungen, Trumps Macht-Gehabe. Weltweit solidarisieren sich Menschen mit den Schwarzen in Amerika, zeigen Trauer um den Tod von George Floyd, protestieren gegen den Rassismus in den USA. Dass auch Bundesligaspieler wie der Amerikaner in Schalker Diensten, Weston McKennie, da mitmachen, kann man nur begrüßen. Er trug eine Armbinde mit der Aufschrift „Justice für George“. Dass Schiedsrichter Zwayer ihn aufforderte, die Binde abzulegen, was McKennie aber ablehnte und möglicherweise zu einem Verfahrgen gegen den Schalker Kicker führt, finde ich ziemlich daneben. Mit Verlaub darf an Olympia 1968 erinnert werden, als zwei schwarze US-Sprinter mit der Faust gegen Himmel bei der Siegerehrung gegen den Rassismus in Amerika protestierten: Tommie Smith, der Olympiasieger, und der Olympia-Dritte, John Carlos. Sie hoben beim Abspielen der US-Hymne die Fäuste als Zeichen ihres Kampfes für Gerechtigkeit und gegen Rassismus, sie waren Teil der Bürgerrechtsbewegung des Martin Luther King, der 1968 ermordet wurde. Das Olympische Komitee warf
Smith und Carlos aus dem Olympischen Dorf: Sie wurden ausgepfiffen, beleidigt. Carlos erhielt lange Zeit keinen Job. 50 Jahre später gehen wieder Amerikaner auf die Straße. Der Kampf gegen den Rassismus ist nicht erledigt.
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