Man muss kein Fan von Angela Merkel und gewiss auch kein CDU-Wähler sein, um in Zeiten wie diesen den Politik-Stil der Bundeskanzlerin gut zu finden. Dass sie keine Rhetorik-Künstlerin ist, weiß man, aber das ist in der Corona-Krise auch nicht gefragt. Gegen Ende ihrer langen Dienstzeit- sie ist seit 2005 im Amt- führt sie die Geschäfte wie ein erfahrener Kapitän, der bei Sturmstärke zehn auf der Brücke steht und den nichts aus der Fassung zu bringen scheint. Ihre gewachsenen Zustimmungs-Werte hängen mit dieser Ruhe zusammen, die sie ausstrahlt, und zugleich der Entschlossenheit, ihren Kurs fortzusetzen. Ihre Appelle an die Disziplin, die Vernunft und das Durchhaltevermögen ihrer Landsleute sind angebracht, sie entsprechen der Lage, die nicht einfach ist und die, das hat sie auch gesagt bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag, schwieriger werden könnte, wenn wir nicht aufpassen, wenn wir leichtsinniger werden. Armin Laschet, der Rheinländer auf dem Stuhl des Ministerpräsidenten im bevölkerungsreichsten Bundesland, kann sich angesprochen fühlen. Er muss sich angesprochen fühlen als einer der Aspiranten auf den CDU-Vorsitz und die damit zusammenhängende Kanzlerkandidatur der Union. Merkels Worte waren Mahnung und Warnung an uns und an ihn.
Die Corona- Pandemie hat ja gerade erst angefangen, wir sind noch lange nicht über den Berg. Das hatte Angela Merkel schon mehrfach betont und hinzugefügt, man dürfe nicht nachlassen. Denn eine Zunahme der Infektionszahlen oder gar dessen Explosion würde unser gut funktionierendes Gesundheitssystem überfordern. Und dann hätten wir wirklich Probleme, die alles in den Schatten stellen könnten, was wir bisher erlebt haben. Wir brauchen hierzulande nicht Bilder, wie wir sie aus Italien gesehen haben. Bisher haben wir die Pandemie einigermaßen unter Kontrolle, was aber nicht heißt: wir haben schon gewonnen. Wir haben noch nichts gewonnen. Das Virus lauert im Grunde überall und es kann jeden jederzeit treffen. Die Unsicherheit ist groß, auch unter Medizinern, unter den besten Virologen der Welt. Die deutschen Vertreter geben uns regelmäßig Aufschluß über den Stand ihrer Erkenntnisse. Das Gute daran: Sie selber räumen ein, dass ihr Wissen über das Virus und die von ihm ausgelöste Epidemie nicht ausreicht, dass sie nicht alles wissen und dass ihr Wissen schon einen Tag später überholt sein kann. Weil man dann wieder mehr wisse. Mir gefällt diese Art der Ehrlichkeit und der Transparenz. Sicher sind wir erst, wenn der Impfstoff entdeckt ist. Und das kann dauern.
Lindner wirkt aufgesetzt
Angela Merkel lebt diese Ungewissheit vor, für einen Politiker ist das ein starkes Stück. Keine Ironie, das meine ich so. Und weil die Kanzlerin so redet, wie sie redet über Corona und die Folgen, wirkt sie glaubwürdiger denn je. Da kann ein politischer Wicht wie der FDP-Chef Christian Lindner im Plenum des Reichstages ruhig die Keule der Kritik schwingen, sie verfehlt ihr Ziel. Weil jeder spürt, dass der Liberale, der seit langem einen schweren Stand hat, nicht überzeugt. Sein Auftreten wirkt gekünstelt, aufgesetzt, da will jemand die Backen aufblasen und hat keine Puste. Der Mann hat ja nicht mal die eigenen Leute hinter sich. Er hat damals einen Fehler gemacht, als er die Jamaika-Gesprächsrunde mit Merkel und den Grünen verließ. Seitdem spielt er keine Rolle mehr, er versucht, sich Gehör zu verschaffen, aber es bleibt beim Versuch. Es wirkt lächerlich. Die FDP hatte mal Führungsleute mit Ecken und Kanten.
Natürlich ist die Lage für viele, wohl die meisten, nicht schön. Die Sonne scheint, der Himmel lacht und wir müssen Distanz halten, sollen soziale Kontakte mit Freunden und Lieben tunlichst meiden. Kein Theater, keine Oper, kein Fußball, Restaurants dicht, Tennisplätze geschlossen, der Osterurlaub fiel ins Wasser und der Urlaub im Sommer könnte Balkonien werden statt Mallorca, Apulien, Teneriffa, Kreta. Keine schönen Aussichten. Und von der Kanzlerin hörte man in dieser Hinsicht auch nichts Erfreuliches, es kann bis ins nächste Jahr so weitergehen. Lockerungsübungen hatte sie wohl in einer CDU-Klausur als „Öffnungsdiskussionsorgien“ getadelt. Richtig so, weil man es so versteht. Das ist Klartext für all die Laschets, die nicht den Mumm haben, den Leuten den Ernst der Lage zu schildern, sondern die gern den nächsten Bundesliga-Spieltag anpfeifen lassen würden. Nur nicht den Leuten zu viel zumuten! Gut, wird der eine sagen, die Merkel kann sichs leisten, sie kandidiert nicht mehr, sondern hört im Herbst des nächsten Jahres auf. Armin Laschet dagegen will CDU-Chef, Merkel-Nachfolger werden. Einfach ist das, einfach wird das auch nicht für ihn, wenn er so weitermacht und zeigt, dass er kein guter Krisenmanager ist. Den Wettbewerb mit dem Bayern Markus Söder sollte er sein lassen, Söder punktet nur für sich, für eine starke CSU in einem starken Bayern. Der will bei der nächsten Landtagswahl im Freistaat seine Position verbessern, will die CSU wieder in absolute Mehrheitsgefilde führen, der will nicht nach Berlin. Bei allem Ehrgeiz, der den Franken auszeichnet. Söder kennt die Geschichte von und mit Strauß, mit Stoiber, der eine verlor gegen Helmut Schmidt, der andere gegen Gerhard Schröder, wenn auch denkbar knapp.
Solidarität statt Eigennutz
Corona bedroht die Gesundheit und die Wirtschaft, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Deshalb der Entzug von liebgewonnenen Freiheiten, die wir ja auch nicht hergeben werden. Merkel sprach hier von einer Zumutung, was stimmt. Es macht keinen Spaß, wenn so vieles nicht mehr erlaubt wird, was das Leben ausmacht, dessen Qualität. Aber niemand wird uns diese Freiheiten auf Dauer wegnehmen wollen, er hätte auch keine Chance. So fest ist unsere Demokratie. Die Krise zeigt, wie verletzlich menschliches Leben ist, wie schnell alles in Grund und Boden gehen kann, wenn eine Naturkatastrophe ein Land und seine Bewohner heimsucht. Die Krise belastet Junge und Alte, letztere in Heimen oder in einer anderen Isolation, während die Jüngeren sich Sorgen machen um ihre Zukunft. Wer hätte sich denn vor Monaten ausmalen können, dass hier mal wegen einer Epidemie die Räder stillstehen, dass wirtschaftliches Leben stagniert. Lassen wir nicht zu, dass Junge gegen Alte ausgespielt werden, versuchen wir, gerade wieder gelernte Solidarität mitzunehmen in die Zeit nach Corona, ein Gemeinschaftsgefühl statt Eigennutz und Egoismus.
Die Krise ist keine deutsche Krise, sie hat die Welt erfasst, Amerika, Afrika, Asien und ganz Europa. Es muss gelingen, gerade mit der Krise das Zusammenwachsen Europas wieder zu stärken. Wir dürfen Ialien nicht allein lassen, die Hilferufe des Regierungschefs Conte dürfen nicht überhört werden. Italien, das sind nicht nur die Strände an der Adria, das sind nicht nur die Toskana, Rom, Sizilien, die Weine, die wir lieben und das Essen, vergessen wir nicht, dass Italiener unsere Freunde sind. Am Anfang der europäischen Gemeinschaft standen auch die Römischen Verträge(unterzeichnet 1957). Italien gehört zu Europa. Oder Europa fliegt auseinander. 75 Jahre nach dem Ende des schrecklichsten aller Kriege, des 2.Weltkrieges mit geschätzten 60 Millionen Toten, dürfen wir den Nationalisten und Rassisten nicht das Feld überlassen. Das wäre Verrat am Werk unserer Väter und Vorväter.
Bildquelle: Wikipedia, Armin Linnartz, CC BY-SA 3.0