Die Pandemie legt das Leben lahm. Der Flugverkehr ist drastisch reduziert, es gibt seltener Staus auf den Autobahnen, die Luft in den Innenstädten wird spürbar sauberer. Die Corona-Krise verschafft der Natur eine Atempause. Feinstaub und Fahrverbote sind kein Thema mehr. Deutschland kann überraschend seine schon abgeschriebenen Klimaschutzziele doch noch erreichen. Doch Erfahrungen mit früheren Krisenverläufen warnen: Das wird nicht von Dauer sein.
Sobald die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt, schnellt der Ausstoß klimaschädlicher Gase in die Höhe, übersteigt sogar das Vor-Krisen-Niveau, und am Ende fällt die CO2-Bilanz schlechter aus als je zuvor. Wird das nach Corona anders sein? Nur, wenn der Staat, der als Akteur in der Krise erheblich gestärkt ist, dem fatalen Rückfall einen Riegel vorschiebt.
Danach sieht es bisher nicht aus. Die Milliardenhilfen, die der akuten Krisenbewältigung dienen, sind nicht an umweltverträgliche Kriterien gebunden. Für die Wiederankurbelung der Wirtschaft nach Corona müsste die Nachhaltigkeit jedoch eine entscheidende Voraussetzung sein. Konjunkturpakete zur Aufpäppelung alter fossiler Industrien, die am Ende womöglich mit stattlichen staatlichen Entschädigungszahlungen zurückgebaut werden, ergeben weitaus weniger Sinn als eine massive Förderung zukunftsfähiger Branchen und Produkte.
Vor Ausbruch der Corona-Pandemie hatte die Klimakatastrophe in der öffentlichen Wahrnehmung einen hohen Stellenwert erreicht. Nach Jahrzehnten der Ignoranz führte zivilgesellschaftlicher Druck eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Überlebensthema der Menschheit herbei. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Umsteuerns in Wirtschaft und Lebensweise wuchs; konkrete Schritte blieben aber weit hinter dem Erforderlichen zurück. Einschränkungen, wie sie zur Eindämmung der Corona-Krise durchgesetzt wurden, galten schlicht als nicht machbar.
In der Pandemie lässt der öffentliche Druck für den Klimaschutz nach. Der Klimagipfel der Vereinten Nationen, der im November im Glasgow endlich die konkrete Umsetzung des Pariser Abkommens einleiten sollte, ist abgesagt. Die Bewegung Fridays for Future ruft für den 24. April zu einem virtuellen Klimastreik auf. Statt der Demonstrationen, mit denen vor Corona Millionen Menschen zum Handeln für den Schutz des Planeten aufriefen, soll den Forderungen via Internet Nachdruck verliehen werden.
Ebenfalls nur online wird zwei Tage vorher der „Tag der Erde“ begangen. Der Earth Day, der bereits vor 50 Jahren entstanden ist, ging aus einer Studentenbewegung in den USA hervor und wird inzwischen in mehr als 170 Ländern jährlich am 22. April begangen. An diesem Tag sollte an der Hochschule Osnabrück die Gründung der „Stiftung Erdball-Fans“ stattfinden. Das Projekt unter der Schirmherrschaft von Ernst Ulrich von Weizsäcker ist ebenfalls ein Beispiel für das langjährige mühsame Engagement für eine menschlichere, friedlichere, ökologische und soziale Welt.
In der Corona-Krise zieht die Politik Wissenschaftler zurate, um die angemessenen Maßnahmen und den bestmöglichen Lösungsweg zu finden. Eine auch nur annähernd vergleichbare Aufmerksamkeit blieb den Klimaforschern über Jahrzehnte hinweg verwehrt. Bleibt zu wünschen, dass nach den Virologen auch die Experten für die größte Bedrohung der Menschheit mehr Gehör finden. Sie raten dringend dazu, alles Handeln auf die Bedingungen von Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit auszurichten.
„Wir müssen die gegenwärtige Corona-Krise so lösen, dass wir die Zukunftskrise Klimawandel, auf die wir mit ungebremster globaler Erwärmung zusteuern, gleich mit lösen“, sagt zum Beispiel der Chef des Umweltbundesamtes, Dirk Messner. „Alle Konjunkturpakete für die Zeit nach Corona sollten darauf ausgerichtet sein, neben der Stützung von Beschäftigung und Wirtschaft gleichzeitig auch den europäischen Green Deal und den Klimaschutz voranzubringen. Es wäre fatal und äußerst kurzsichtig, wenn wir beim Umweltschutz jetzt Abstriche machen.“
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