Die DDR war ein Unrechtsstaat, die SED die tragende Partei dieser Diktatur, die eben für dieses Unrecht verantwortlich war. Aber die Macht der SED wäre ohne die militärische Macht der Sowjets, deren Panzer und Soldaten, stationiert auf dem Territorium der DDR, nicht möglich gewesen. Wir haben das immer wieder so gesehen, beschrieben und kommentiert. Daran hat sich nichts geändert. Aber die Zeiten haben sich geändert, wir schreiben nicht mehr 1989, die verhasste Mauer, die mitten durch Berlin ging, diese tödliche Grenze ist längst weg, abgerissen, auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet. Die Rote Armee ist nach Russland zurückgekehrt, finanziert durch Milliarden-Hilfen aus Bonn. Möglich wurde das durch Michail Gorbatschow, der Helmut Kohl vertraute, und der die deutsche Einheit und den Mauerfall ermöglichte, ohne dass ein Schuss fiel.
Aus der SED ist zuerst die PDS geworden, dann die Linkspartei, die in Thüringen mit Bodo Ramelow einen Ministerpräsidenten stellt, der aus Niedersachsen stammt, ein gläubiger Christ, ein Gewerkschafter, den man sich auch in der SPD oder dem Arbeitnehmerflügel der CDU vorstellen könnte. Ein pragmatischer Politiker, der die Linkspartei in die Mitte der Gesellschaft rücken möchte. 30 Prozent der Stimmen holte er bei der letzten Landtagswahl in seinem Land. Jetzt sucht er eine Mehrheit für eine Koalitionsregierung.
Bevor ich mit der aktuellen Diskussion beginne, noch ein paar Rückblicke auf die damalige Zeit, auf die Wochen und Monate des Umbruchs in der DDR. Ich erinnere mich noch an Willy Brandt, den langjährigen Vorsitzenden der SPD und einstigen Bundeskanzler, den Erfinder der Ostpolitik, der eigentlich wenige Gründe gehabt hätte, mit den SED-Verantwortlichen im Osten zu reden, der es aber dennoch tat, immer und immer wieder, um etwas mehr Freiheit und Freiheiten für die Menschen in Ost und West zu erreichen. Der mit Erich Honecker sprach, obwohl der ihm einst den Spion Günter Guillaume ins Kanzleramt gemogelt hatte, damit der Brandt ausspionierte. Was den Sozialdemokraten tief getroffen, ja verletzt und schlielich zum Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers geführt hat.Und der doch nie aufhörte, seiner politischen Verantwortung nachzukommen.
Wer sich was hat zu schulden kommen lassen..
Als die Mauer von den Bürgerrechtlern gestürmt worden war, zeigte sich dieser Willy Brandt mehr als erleichtert über das nahe Ende der kommunistischen Diktatur in Ost-Deutschland: „Dass ich das noch erleben durfte“. Was die SED und ihre Leute, gemeint auch die Stasi-Meute, betraf, äußerte sich der Friedensnobelpreisträger differenziert: „Wer sich was zu schulden hat kommen lassen, den packt an die Hammelbeine“, rief er auf einer Kundgebung in Magdeburg vor 80000 Menschen. Gemeint, wer andere hingehängt hat, andere ausgehorcht hat, um sie bei Mielke und Co zu verpfeifen, wer mitverantwortlich war, dass andere in Bautzen landeten, die alle sollten bestraft werden. Die vielen Mitläufer, all die, die um des eigenen Lebens willen und der Schullaufbahn der Kinder eingetreten waren in diese SED, da hätte er Nachsicht walten lassen, die hätte er wohl auch irgendwann in die SPD aufgenommen, wenn sie es denn gewollt hätten. Helden sind selten, das wusste gerade der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin, der in der Nazi-Zeit verfolgt worden war und der es ins skandinavische Exil geschafft hatte. Und der nach dem Ende des schrecklichen Krieges und der NS-Diktatur erlebte, wie Millionen Deutsche angeblich von nichts gewusst haben wollten und viele plötzlich zu Widerstandskämpfern gegen Hitler mutiert waren. Und er hatte nicht vergessen, wie ihn Unions-Politiker diffamieren wollten, weil er ins Exil gegangen war.
Es gibt in diesem Zusammenhang eine andere Aussage eines anderen Politikers, die längst vergessen ist. Der damalige Kanzler Helmut Kohl hatte, als man darüber diskutierte, wie man denn mit den Lehrerinnen und Lehrern und Soldaten und all den Staatsbeamten im anderen Teil Deutschlands verfahren solle, u.a. gesagt: Er wisse nicht, so die ehrliche Meinung des CDU-Chefs, wie er sich verhalten hätte, wenn er drüben hätte leben müssen. Und doch wurden viele, viel zu viele entlassen, weil sie in dieser Partei, der SED, dem Zwangszusammenschluss von Kommunisten und SPD, gewesen waren. Könnte es sein, dass da einige nachholen wollten, was ihre Amtsvorgänger vor allem in der Union nach dem Krieg versäumt hatten, als sie Tausende und Abertausende von Nazis in Richter-Roben einfach weitermachen ließen, als wäre nichts geschehen?
Vor 30 Jahren, genau am 15. Januar 1990 stürmten Bürgerrechtler die Stasi-Zentrale in Berlin und hinderten die Stasi-Offiziere daran, die Stasi-Akten zu vernichten. Die Bürgerrechtler wollten diese Papiere sicherstellen und lesen, was in den Akten über sie und viele Millionen Bürgerinnen und Bürger der DDR niedergeschrieben worden war und von wem das Zeug stammte. Die Stasi-Akten, das giftige Erbe der DDR, sollte nicht vernichtet werden. Die „Süddeutsche Zeitung“ erinnert in einem Leitartikel an dieses Ereignis, zitiert Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble als Zeitzeugen, die dafür waren, dieses Gift entweder zu vernichten oder zumindest wegzusperren. Sie hatten die Sorge, ja die Angst, die Opfer würden auf die Täter losgehen. Es wurde anders gehandelt und die Stasi-Akten anders behandelt. Inzwischen haben mehr als 3,3 Millionen Bürgerinnen und Bürger ihre Akten eingesehen, es ist wohl kein Fall bekannt, bei dem das Opfer Rache genommen hätte bei einem der Täter von früher, so verständlich das gewesen wäre.
In Stasi-Akten steht Schreckliches
Dabei enthalten diese Stasi-Akten Schreckliches, Menschenverachtendes, sie erzählen davon, wie Freunde ihre Freunde verrieten, wie Frauen ihre Männer hinhängten und umgekehrt, wie Kinder auf ihre Eltern angesetzt wurden. Schlimm. Aber diese Papiere berichten auch vom Mut und der Zivilcourage einzelner, die sich geweigert hatten, mitzumachen, die sich nicht hatten anwerben lassen. Aber wie gesagt, Helden sind selten. Man schaue auf Friedhöfe. Diese Art der Aufarbeitung geschieht in Ruhe, ohne Aufregung, ohne Empörung. Und ja, es ist immer noch nötig, 30 Jahre danach zu prüfen, wer verstrickt war in das System, wer sich was hat zu schulden kommen lassen. Die SZ erwähnt den laufenden Fall des Neu-Verlegers der „Berliner Zeitung“, Holger Friedrich, der sich rechtfertigen muss, auch weil er den Fehler begangen hat, seine Vergangenheit-er selber hat gesagt, er habe unter Druck als junger Soldat für die Stasi gespitzelt, sei dann selber Opfer gewesen- zu verschweigen. Aber Friedrich wird die Gelegenheit eingeräumt, sich zu verteidigen, ob ihm die Rechtfertigung gelingt, wird man sehen.
Was die SED betrifft, darf man darauf hinweisen, wie pragmatisch damals, 1990, die CDU-Führung unter Helmut Kohl die Ost-CDU behandelte, ja total übernahm, jene Ost-CDU, die als Blockpartei mit der SED zusammengearbeitet und dafür viele Privilegien erhalten hatte. Die Führung der Ost-CDU und ihre sogenannten Mandatsträger- die Wahlen in der DDR waren weder frei noch geheim, nicht demokratisch-galten als Steigbügelhalter der SED-Führung. Kohl brachte auf diese Art die „Allianz für Deutschland“ genannte Gruppe zusammen, um die erste freie Wahl im Osten zu gewinnen. Was ihm gelang. Daran sollte mancher denken, der heute voreilig die Linkspartei in Thüringen verdammt und gegen eine Zusammenarbeit der Linkspartei mit der CDU polemisiert.
Der Feind steht rechts
Die Linkspartei auf eine Stufe mit der rechtsextremen AfD zu setzen, halte ich für falsch. Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke darf per Gerichtsbeschluss ein Faschist genannt werden, in den Reihen der AfD sitzen Neo-Nazis, Rassisten, Fremdenfeinde, Antisemiten, sie verachten die demokratisch gewählten Vertreter und ihre Ämter. Ich halte die AfD nicht für demokratisch, sie will unser System beseitigen, unser System, das ist die parlamentarische Demokratie, unser System basiert auf dem Grundgesetz. Klare Kante gegen Nazis zu zeigen, das ist geboten, um unsere Demokratie zu retten vor ihren Feinden. „Der Feind steht rechts“, so hat es Reichskanzler Josef Wirth vom Zentrum einst gesagt in den 20er Jahren, Armin Laschet hat ihn mal zitiert.
Die Linkspartei will den Verfassungsschutz abschaffen, eine unsinnige Forderung, an der aber richtig ist, dass es am Verfassungsschutz einiges zu ändern gilt. Auf Bundesebene will die Linkspartei den Austritt Deutschlands aus der Nato, was genauso unsinnig ist und nicht passieren wird. Aber darum geht es in Thüringen nicht, in Erfurt und Weimar sind landespolitische Themen auf der Tagesordnung, es geht um Schulen, um Stellen für Lehrer und die Polizei, darum, mehr Investitionen zu schaffen, damit daraus mehr Arbeitsplätze werden. Zum Wesen der Demokratie gehört der Kompromiss, den auszuhandeln Sache der Politikerinnen und Politiker der Parteien ist. Die Bundes-CDU sollte es ihrer Landespartei in Thüringen überlassen, dem dortigen Chef Mike Mohring, mit Ramelow auszudiskutieren, was zum Nutzen von Thüringen wichtig ist. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer sollte das möglich sein. Eine Art Rote-Socken-Kampagne wirkt heute lächerlich.
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