Die Erwartungen sind groß jedes Mal, wenn sich die Mächtigen der Welt treffen; entsprechend schmerzlich sind die Enttäuschungen danach. Das Schlussdokument bringt es zwar äußerlich auf einen stattlichen Umfang, doch der Inhalt bleibt dürftig. Das G 20-Treffen in Brisbane macht da keine Ausnahme. Der Aufsehen erregende vorzeitige Abgang von Wladimir Putin war, sarkastisch gesagt, schlicht pragmatisch. Für nichts als heiße Luft, so die lapidare Erklärung, ist dem russischen Präsidenten seine Zeit zu schade. Da gönnt er sich doch lieber ein paar Stunden Schlaf.
Allerdings: Unzufriedenheit mit den ungenügenden Ergebnissen des Gipfeltreffens war nicht Putins Beweggrund, und als Grundsatzkritik an den Schaufensterveranstaltungen der großen Wirtschaftsnationen lässt sich seine Demonstration schon gar nicht deuten. Der Präsident war wohl einfach genervt; verärgert darüber, dass er in der Ukraine-Krise als Aggressor am Pranger steht. Putin allein am Tisch, Putin am Rand des Gruppenbilds: Die Kameraleute lieben Bilder, die einfache Botschaften transportieren. Der starke Mann aus Moskau ist international isoliert, lautete die aus Brisbane. Mit ihm will niemand etwas zu tun haben.
Geschlagene vier Stunden verbrachte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Vier-Augen-Gespräch mit Putin. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gesellte sich später dazu. Eine weitere Verschärfung der umstrittenen Sanktionen gegen Russland wird unwahrscheinlich; der Konflikt soll nicht zusätzlich verschärft, der Gesprächsfaden mit Russland nicht völlig gekappt werden. Alles in allem ein Ergebnis, das zumindest den Hauch einer Chance zu einer ausgewogeneren Neubewertung der Konfliktlage wahrt.
Die wäre Voraussetzung für eine friedliche Beilegung der Krise, ist aber angesichts der nicht nur bei der NATO beharrlich betriebenen Kalter-Kriegs-Rhetorik nicht in Sicht. Da nimmt es schon Wunder, dass einigen erst allmählich einleuchten will, wie sehr das transatlantische Militärbündnis, das seit dem Fall des Eisernen Vorhangs in jedem Konflikt seine eigene Daseinsberechtigung neu zu begründen sucht, für Russland ein Rotes Tuch ist. Mäßigung ist das Mindeste, was von Generalsekretär Jens Stoltenberg zu erwarten wäre. Doch ihm scheint jede Gelegenheit, das alte Feindbild zu pflegen, überaus willkommen zu sein.
Die Schwierigkeit, überholte Reflexe zu überwinden, hat der Gipfel der 20 auch bei seinem eigentlichen Leib- und Magen-Thema, der Weltwirtschaft demonstriert. Wachstum lautet einmal mehr ihr Zauberwort, das aus der Krise führen soll. Da wird allenfalls gestritten, ob allein die private Wirtschaft, oder auch Staaten die nötigen Impulse geben sollen. Die Grenzen des Wachstums aber, die Kosten des Raubbaus an den natürlichen Ressourcen und die negativen sozialen Folgen geraten gar nicht in den Blick. Eine Abkehr von der zerstörerischen Wachstumsideologie und ein Umdenken hin zu einem Wohlstandsbegriff, der nicht allein den Märkten, sondern vor allem den Menschen gerecht wird, stehen nicht einmal zur Debatte. In der Konsequenz belassen es die reichen Nationen dann dabei, die wachsende weltweite Kluft zwischen Arm und Reich mit weißer Salbe zuzudecken, mehr Steuergerechtigkeit zu versprechen und mit der neuerlichen Ankündigung von mehr Transparenz im Finanzsystem die Kritiker zu besänftigen. Die Benachteiligten, die Verlierer, die Armen und Hungernden werden vertröstet und wie gewohnt abgespeist – mit vagen Zusagen, die in Vergessenheit geraten. Bis zum nächsten Gipfel.
Bildquelle: Wikipedia, Brisbane May 2013 CC BY-SA 3.0