Klaus Vater widmet sich literarisch einer legendären Bergarbeiterstraße in der Eifel, in der er aufwuchs
Mechernich – Klaus Vater, gelernter Redakteur und Sozialdemokrat, politischer Begleiter und Sprecher unter anderem der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und zweiter Regierungssprecher der ersten „Groko“ unter Angela Merkel und Sigmar Gabriel, ist in der Eifel aufgewachsen. Genau gesagt in einer legendären Arbeiterkolonie, der „Bergstraße“ im Bleierzabbau- und Verhüttungsgebiet von Mechernich (Kreis Euskirchen).
„Kind sein geschah dort beiläufig“, erzählte er bei der von Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und Verleger Ralf Kramp eröffneten Buchpremiere im dortigen Rathaus: „Kinder waren einfach da, hatten eine gewisse körperliche Ausdehnung, aber sie hatten keine weitere Bedeutung.“ Trotzdem waren die „Pänz (Kinder) uss de Aapestrooß“ (vom Mundart-Verb „aapen“ = neugierig gucken) trotz Nichtbeachtung stolz auf sich und „ihre“ Erwachsenen.
Klaus Vater: „Wir waren besondere Kinder, weil in der Bergstraße besondere Männer lebten, denn sie arbeiteten unter Tage, und dort lebten besondere Frauen, denn sie konnten alles, kochen, backen, Garten, auch rauchen und energisch sagen »Lass bloß den Jungen in Ruhe«!“
Familien halfen sich gegenseitig
Familien halfen sich gegenseitig bei Krankheits- und Sterbefällen, die Bergarbeiter hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Nur in der unteren Bergstraße, wo Klaus Vater aufwuchs, gab es neben Arbeiterwohnungen auch Geschäfte und eine Kneipe. Zum Beispiel den Laden seiner Mutter Maria und seiner Tante Gertrud Schwer, die dort Haushaltswaren und Gegenstände des täglichen Bedarfs verkauften.
Das Geschäft war legendär. Sein Abriss zum Bau der neuen Polizeistation neben dem neuen Mechernicher Rathaus vor etwas weniger als zehn Jahren bildete den Anlass, warum sich Klaus Vater wieder mit Kindheit und Bergstraße beschäftigte.
Der Sachbuch- und nach der Pensionierung als Regierungssprecher auch Krimi-erfahrene Autor schrieb ein Buch über seine Kindheits- und Jugenderinnerungen und fand in Verleger Ralf Kramp und dessen Edition „Eyfalia“ im Hillesheimer KBV-Verlag das geeignete Verlagsprogramm.
Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick nannte die Bergstraße bei der Buchpremiere einen „Mythos, faszinierend für ein Kind und Biographie-prägend, wie man sieht“. Ralf Kramp bezeichnete Klaus Vaters neuestes Werk als „Literatur, die sich mit »Heimat« beschäftigt, ohne im Ansatz „heimattümelnd“ zu sein“.
Die 600 Meter lange Bergstraße war ein Synonym für Zusammenhalt, Solidarität und soziale Selbstverständlichkeiten. Klaus Vaters Buch ruft etwas in Erinnerung, was viele nicht mehr zu wissen scheinen: Sozialdemokratie kam einmal aus der Arbeiterklasse. Mechernich galt mit seiner Arbeitermajorität im Bergwerks- und Verhüttungsbetrieb politisch als „rot“ und schlecht handhabbar in einem agrar-bürgerlich dominierten Umland.
Tränen, als eine Welt unterging
Der Autor würdigt die Bergstraßenbewohner, ohne sie zu überhöhen. Ihr sozialer Zusammenhalt verhinderte nicht, dass dort ebenso wie andernorts Kinder misshandelt und Ehefrauen von ihren Männern geschlagen wurden. Als die Bergwerksschließung zu Sylvester 1957 wie ein Lauffeuer umging, flossen in der Bergstraße die Tränen. Für sie ging eine Welt unter, die Landschaft und Menschen am Bleiberg 2000 Jahre lang geprägt hatte. Am Bleiberg, wo bis zu 4500 Knappen und zuletzt noch 1400 Bergarbeiter beschäftigt waren, breitete sich nacktes Entsetzen aus.
„Das Licht geht aus“ titelte eine Tageszeitung. „Nach außen hat sich seither nicht so viel geändert, auch was die nach und nach verbesserte Optik der Werkswohnungen in Mechernich betraf“, resümierte der Autor: „Aber der »Spirit« der Bergstraße ist verloren!“
Bildquelle: pp/Agentur ProfiPress :