Am schlimmsten oder verrücktesten trieb es Olaf Scholz: Seine Partei hat in Brandenburg dramatisch verloren und kam in Sachsen nur noch knapp über die fünf-Prozent-Hürde, da jubiliert der Möchte-Gern-SPD-Chef laut dpa: „Ich freu mich unheimlich für die sozialdemokratische Partei: Wir können Wahlen gewinnen, das ist doch die Botschaft, die von heute ausgeht.“ Wie Scholz auf diese abstruse Bilanz kam, hat er der dpa nicht erklärt, oder die hat es nicht gebracht.
Aber auch sonst in der Wahlnacht mit den beängstigenden AfD-Erfolgen dominierte die große Selbsttäuschung der Demokraten. Zufriedenheit durchzog ihre Statements: CDU und SPD zeigten sich erleichtert, dass ihre Ministerpräsidenten – der eine in Dresden, der andere in Potsdam – von der Rechtsaußen-Partei noch nicht vollends verdrängt worden sind. Grünenchef Habeck fand es bemerkenswert, dass immer noch eine Mehrheit demokratische Parteien gewählt habe. Er wusste auch ganz genau, warum seine Grünen weniger zugelegt haben als erwartet: Aus Furcht vor der AfD hätten auch Grün-Sympathisanten am Ende dem amtierenden Regierungschef ihre Stimme gegeben. Ähnlich begründete FDP-Chef Lindner, warum die Liberalen in Sachsen wie in Brandenburg immer noch draußen bleiben mussten. Ehrliches Entsetzen und Ratlosigkeit nur bei der Linken.
Also alles doch nicht so schlimm ?… Nein, es ist furchtbar, und das hätten die Politiker einsehen und auch ganz laut sagen müssen: Die AfD mit angsteinflößenden Rechtsaußen-Gestalten wie Björn Höcke und Andreas Kalbitz in Brandenburg wie in Sachsen die mit Abstand zweitstärkste Partei. Das wirft die Frage auf, wie gefestigt und stabil unsere Demokratie noch ist. Die AfD inzwischen dermaßen stark, dass die demokratischen Parteien riskante und fragile Dreier-Bündnisse eingehen müssen, um den Ansturm von Rechtsaußen noch einmal abzuwehren. Vor allem die CDU in Sachsen mit ihrer Affinität zu Rechts könnte das zerreißen. AfD-Chef Gauland hat’s noch in der Wahlnacht bei Anne Will höchst zufrieden, ja genüsslich prognostiziert.
Da muss zusammengehen, was eigentlich nicht zusammengehört, da müssen Profile glatt geschliffen und Unterschiede nivelliert werden. Der Wettstreit der Demokraten – gerne auch mal laut und polemisch – kann zum langweiligen Gesäusel verkommen. Es drohen faule Kompromisse. Oder aber es gibt Dauer-Zoff. Beides würde der AfD noch mehr Wähler zutreiben. So oder so – die AfD ist zum Maß der Dinge geworden. An ihr richten die demokratischen Parteien ungewollt ihr Handeln aus.
Und in dieser Situation – zurück zum Anfang – freut sich ein Olaf Scholz „unheimlich für die sozialdemokratische Partei“. Der Mann scheint angstfrei zu sein. Das zumindest könnte ihn für den SPD-Vorsitz qualifizieren – , wenn man’s mit (Galgen-)Humor nehmen will.
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