Ich mache mich daran, endlich einmal John Cowper Powys zu lesen, dessen Bände seit Jahren unberührt in unserem Bücherregal stehen.
Powys (1872 – 1963) war ein walisischer Dichter und Schriftsteller. Er verfasste Lyrik, Essays, umfangreiche Romane sowie philosophische Schriften. Er gab sich in seinen Werken als ironischer Skeptiker, der selbst die eigene Weltanschauung immer wieder in Frage stellte. Man nannte ihn das „unbekannteste Genie des 20. Jahrhunderts“.
Ich lese den Band Kultur als Lebenskunst. Powys verfügt über einen recht eigensinnigen, aber durchaus sympathischen Kulturbegriff. Für ihn ist Kultur das, was übrig bleibt, wenn man alles bewusst erworbene Wissen wieder verlernt. Damit grenzt er die Kultur vom ganzen Drum und Dran der Bildung ab und verbindet sie mit so elementaren Dingen wie Fühlen, Sehen und Empfinden. Er rät uns, die vorbeiziehenden Wolken, das Sonnenlicht, die vom Wind getriebenen Blätter oder die Erde im Blumentopf ganz unmittelbar und unverstellt wahrzunehmen. Er spricht davon, die Wirklichkeit neu zu erschaffen, vom Glücksgefühl reiner Kontemplation, vom inneren Jubel beim Erleben von Natur und Kunst und davon, dass jeder Tag ein unglaubliches Wunder darstellt. Für ihn sind ein kühles Laken, warme Decken, die Flammen eines Holzfeuers, der Geschmack von Brot, Milch, Honig, Wein, Öl, Pellkartoffeln oder Rüben Grunderfahrungen des Lebens und damit Bestandteile der Kultur. Um all das intensiv zu empfinden, verlangt es ihn nach Einsamkeit, nach Zeit für sich allein, um in Muße seinen kreativen Willen zu entwickeln.
Voller Verachtung spricht er von der Bösartigkeit des schalen, dummen Geschwätzes in der alltäglichen Geselligkeit; diesen dumpfen, törichten Gesprächen mit ihrem hämischen Einvernehmen über Abwesende oder Fremde; vom Saisongeplänkel und der Prestigekonversation sozialer Aufsteiger, die darauf aus sind, sich beim Publikum anzubiedern, indem sie irgendeinem Leithammel mit grobschlächtigem Urteil nachplappern.
Powys hat ein positives Verständnis des Lebens in all seinen Facetten. Er möchte uns ein Gefühl der Selbstachtung und des Stolzes vermitteln und uns ermutigen, die Geheimnisse der Natur und Kultur auf unsere je spezifische Weise zu erforschen. Eine wohltuend sympathische Lebensphilosophie, die Mut machen soll in diesen finsteren Zeiten.
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