In der Verfassung sind die First Ladies oder der First Husband, wie man Joachim Sauer als Ehemann von Angela Merkel nennen kann, nicht vorgesehen. Sie haben keinen Titel, bekommen kein Geld für ihre Tätigkeit, die man nicht genau definieren kann. Sie stehen in der 2. Reihe, spielen aber hinter den Kulissen oft genug die erste Geige, weil sie ihren Mann still beraten, ohne dass die Öffentlichkeit es bemerkt, weil sie ihm die Wahrheit sagen, abraten, weil sie ihm nicht schmeicheln müssen. Ein spannendes Thema, das jetzt von Heike Specht, einer Historikerin, in einem Buch „Ihre Seite der Geschichte“ aufbereitet worden ist und das jetzt im Bonner Haus der Geschichte vorgestellt wurde. Und um das vorweg zu sagen: Vor einem nahezu vollen Haus. Es mögen einige Hundert Zuhörerinnen und Zuhörer gewesen sein, die der Autorin lauschten und der anschließenden, allerdings langatmigen Podiums-Diskussion folgten. Bonn mag zweite Wahl sein, seit der politische Betrieb nach Berlin umgezogen ist, Themen wie diese interessieren die Bonnerinnen und Bonner, klar, sie haben die Mächtigen und ihre Gefolgschaften ja oft gesehen in den fast 50 Jahren Bundestag und Präsidialamt am Rhein.
Mildred Scheel war eine der faszinierenden Persönlichkeiten, zumindest für mich. Protokoll war nicht so ihr Ding, sie trat unverkrampft auf, lachte laut und offen, die Frau des Außenministers der sozialliberalen Koalition Walter Scheel, der dann von 1974 bis 1979 Bundespräsident war. Sie brachte, wie es im Klappentext heißt, die Protokollchefs ins Schwitzen, weil sie ihre Rolle auch dazu nutzte, um hochmögende Gäste ihres Mannes in der Villa Hammerschmidt mit ihrem Anliegen zu konfrontieren. Auf gut Deutsch: Sie suchte unentwegt Sponsoren für die Krebshilfe, die unter ihre Ägide geschaffen wurde, jenes tückische Leiden, dem sie später selbst erlag. Und man kann das gut verstehen, dass mancher Gast dem Wunsch von Mildred Scheel gern folgte und das Scheckheft zückte.
Männer machen die Geschichte?
Rut Brandt, die charmante und fröhliche Frau des ersten SPD-Bundeskanzlers, habe den sowjetischen KP-Chef Leonid Breschnew um den Finger gewickelt, jenen Breschnew, der anläßlich seines Besuchs einen schicken Mercedes geschenkt bekam und diesen dann die Serpentinenstrasse vom Petersberg runter Richtung Bonn nach wenigen Metern zu Schrott fuhr. Ihm ist nichts passiert. Sie habe Willy Brandt abgeraten, schon 1973 den Bettel hinzuwerfen, weil er genervt bis zermürbt war von den Reibereien mit Herbert Wehner. Rut habe vermitteln wollen mit dem Fraktionschef, was aber nicht zu vermitteln gewesen wäre, aber Willy Brandt sei dem Rat der Frau gefolgt. 1974 dann, mit der Guillaume-Affäre, habe sie ihm Recht gegeben, dem Bundespräsidenten Gustav Heinemann das Rücktrittsgesuch zu schreiben.
Männer machen die Geschichte, urteilte im 19. Jahrhundert der Historiker Heinrich von Treitschke. Wirklich nur die großen Männer? Und die Frauen machen sauber? wie das spöttisch bei Karin Vorländer zu lesen ist? Nein, nein. sie mögen sich zurückhalten, wie das kluge Frauen hinter ihren Männern tun, die im Vordergrund stehen. Aber sie spielen mit, leise, kaum zu erkennen, sie lassen ihren Charme spüren, um den Gegenüber für sich oder besser die Interessen ihres Mannes zu gewinnen und damit für Deutschland. Dass Hannelore Kohl am 10-Punkte-Programm des Kanzlers Helmut Kohl zur Einheit mitgeschrieben hat, davon kann man ausgehen. Sie war die sprachfeine Frau an der Seite des eher robusten Pfälzers. Wer sie erlebt hat zum Beispiel am handverlesenen Pressetisch ihres Mannes am Vorabend von CDU-Parteitagen, genoß das Privileg, von ihr bedient zu werden. Sie sorgte mit wenigen Handgriffen dafür, dass die rund ein Dutzend Journalisten etwas zu essen und zu trinken bekamen, während ihr Mann exklusiv von einem Kellner bedient wurde. Sie lächelte dabei.
Bei Bush ein gutes Wort eingelegt
Doris-Schröder-Köpf ist von Haus aus eine politische Journalistin. Sie hat, ehe sie Gerhard Schröder, den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten, kennen- und lieben lernte, für die Bild–Zeitung und den Kölner Express gearbeitet, gelernt hatte sie den Beruf bei der „Augsburger Allgemeinen“, einer angesehenen Regionalzeitung. Später wechselte sie zum Magazin „Focus“ nach München. 1997 heirateten die beiden, sie brachte ihre Tochter Klara mit in die Ehe nach Hannover. Bei der Agenda 2010 des Kanzlers Schröder wird ihr ein beträchtlicher Einfluss zugeschrieben. Heike Specht schildert die Rolle von Doris Schröder-Köpf beim Treffen mit dem US-Präsidenten George W. Bush, der über des Kanzlers Nein zum Irak-Krieg ziemlich erzürnt war. Doris Schröder-Köpf habe bei Bush ein „gutes Wort“ eingelegt, schreibt die Autorin.
Das Buch will einen Blick hinter die Kulissen der großen Politik werfen. Dabei sei im Auge zu behalten, dass der Beitrag der First Ladies zum Teil übertüncht werde von der „offiziellen Rhetorik ritueller Bescheidenheitsbeteuerungen“, heißt es. Es geht um das Leben der Damen, aber auch und vor allem um deren Gestaltungsmacht und ihr Wirken in diesem Land. Loki Schmidt hat ihren Mann Helmut beraten, sie haben sich gegenseitig abgestimmt und in der schweren Zeit der RAF-Jahre hätten sie vereinbart, sollten sie entführt werden, würde sie sich nicht austauschen lassen gegen Geiseln. Mit Terroristen verhandele man nicht.
Auch auf die Anfänge der Bundesrepublik geht die Autorin ein, auf die Zeit, als die Republik unter Trümmern lag und der mühselige Aufbau des Landes begann, auch der geistige nach zwölf Jahren schlimmer Nazi-Diktatur. Elly Heuss-Knapp, die Frau an Theodor Heuss Seite, des ersten Bundespräsidenten, habe ihre Rolle gleich in der Sozialpolitik gesehen. Das Müttergenesungswerk, die Elly-Heuss-Knapp-Stiftung, war ihr Kind, Kuren für erschöpfte Mütter wurden so ermöglicht. Elly Heuss-Knapp sei eine sehr kranke Frau gewesen, sonst hätte sie selbst vielleicht eine politische Karriere gemacht, ihr Mann, der Professor Heuss jedenfalls habe ihr das zugetraut. Sie war ja schon eine gestandene Politikerin, hatte 1919 für den Reichstag kandidiert und saß im Landtag des damaligen Landes Württemberg-Baden(1946 bis 1949).Man stelle sich die Zeiten damals vor, als die Städte vielfach in Schutt und Asche lagen, das Geld knapp war wie die Versorgung mit Gütern aller Art. Man lebte bescheiden. Deutschland saß am außenpolitischen Katzentisch und musste erstmal beweisen, dass es gelernt hatte aus der Nazi-Zeit. Glamouröse Empfänge gab es nicht, teure Roben waren 1949 nicht angesagt, wie Frau Specht die Situation beschreibt. Die First Lady Elly Heuss-Knapp bringt sich im Sinne des Gemeinwohls ein und prägt damit die Rolle der First Ladies für viele Jahre.
First Husband Joachim Sauer
Heike Specht hat über alle First Ladies geschrieben, hat viele Interviews geführt, sie hat sich auch mit dem „First Husband“, Joachim Sauer, beschäftigt, der aber ein Gespräch abgelehnt habe. Typisch für ihn und verständlich, der Professor mag nicht in der Öffentlichkeit stehen, maximal zwei Mal im Jahr gibt es ein gemeinsames Bild von ihm und der Kanzlerin, wenn sie beide in Bayreuth sind oder im Herbst beim Wandern in Südtirol. Es wird ihn nicht kümmern, dass sich vor allem die Boulevard-Presse die Finger wund darüber schrieb, weil er bei der ersten Wahl von Angela Merkel zur Kanzler 2005 nicht auf der Ehren-Tribüne saß, ihre Eltern aber wohl. Er hält sich zurück, über seinen Einfluss auf die Politik seiner Frau darf spekuliert werden.
„Das Geheimnis, tausend Hände am Tag schütteln zu können“, so sagte einmal Eleanor Roosevelt, „besteht darin, selbst zu schütteln, nicht schütteln zu lassen.“ Frau Roosevelt war eine einflussreiche First Lady ihres Mannes, der immerhin 12 Jahre, davon vier Kriegsjahre, Amerika regierte. Sie nahm Einfluss auf die Politik von Franklin D. Roosevelt, und zwar so sehr, dass der Biograf zahlreicher US-Präsidenten, Jon Meacham, urteilte: Eleanor Roosevelt sei das Gewissen des Weißen Hauses gewesen. Einen weiteren Gesichtspunkt hat Heike Specht an Hand eines Vergleichs mit der Zeit der britischen Regierungschefin Thatcher herausgearbeitet. „Es gibt da oben immer die Gefahr, paranoid zu werden“, zitiert sie Michael Dobbs, einst Stabschef von Frau Thatcher, „plötzlich überall Stimmen zu hören von irgendwelchen Einflüsterern, wie in einem byzantinischen Palast.“ In diesem Stimmengewirr ist dann der Ehepartner derjenige, der unverblümt und uneigennützig die Meinung sagt, weil er anders als die anderen nichts werden will, während die anderen hoffen, mit der Karriere ihres Chefs nach oben zu gelangen. Lobhudelei, Schmeichelei, nichts wert.
Ja, die Ehepartner von Präsidenten und Kanzlerinnen/Kanzlern bekleiden Ämter, die keine sind. Ungeachtet dessen können sie vieles machen, nicht nur gute Gastgeber sein und Repräsentanten des Landes, würdige Vertreter-/innen, sie sollen eine gute Figur machen, sich nach Möglichkeit karitativ betätigen, sich aber politisch raushalten aus dem Geschäft. Ein Drahtseilakt? Das Urteil von Heike Specht fällt klar aus: „Mit den deutschen First Ladies ließ sich und lässt sich Staat machen.“
Heike Specht: Ihre Seite der Geschichte. Deutschland und seine First Ladies von 1949 bis heute. 400 Seiten. Piper-Verlag. 2019. 24 Euro.