Die britische Premierministerin Theresa May ist mit ihrem Weg zum Brexit gescheitert, doch sie geht unbeirrt weiter. Elende Monate lang hat sie mit ihrer störrischen Haltung das Verfahren zum Austritt aus der Europäischen Union in die Sackgasse manövriert, hat die Geduld der EU strapaziert, den Riss durch die britische Bevölkerung vertieft, das Land an die Grenze der Unregierbarkeit geführt, das politische System an den Rand des Ruins.
Ganze 40 Stimmen mehr als in der ersten Unterhaus-Abstimmung über den Austrittsvertrag mit der EU hat ihr die zweite gebracht. Die parlamentarische Mehrheit dagegen bleibt überwältigend. Trotz der Nachbesserungen in letzter Minute zum sogenannten Backstop, der Vereinbarung zur nordirischen Grenze, versagt die eigene konservative Partei ihr hartnäckig die Gefolgschaft. Das ist blamabel und demütigend, und irgendwie nötigt das Stehvermögen der Premierministerin einem doch Respekt ab.
Sie beruft sich auf den Wählerwillen, sie pocht auf das Ergebnis des Referendums, so knapp und so fragwürdig es auch war. Sie zelebriert ihre Rolle als Dienerin des Volkes, in dessen Auftrag sie den Brexit umzusetzen hat. Mit ihrer bornierten Art hat sie letztlich aller Welt vor Augen geführt, welch grandioser Irrweg der Brexit ist.
Er wird keine Gewinner kennen, abgesehen von den skrupellosen Superreichen im Vereinigten Königreich, die Milliarden-Profite wittern, auf einen Abbau von Arbeitnehmerrechten spekulieren, sich vor dem heimischen Fiskus drücken und Millionen in die Brexit-Kampagne steckten. Erst in diesen Tagen berichtete eine London-Korrespondentin für die ARD-Tagesthemen über derlei Machenschaften. Allein die wären Grund genug, das ganze zerstörerische Unterfangen abzublasen.
Doch der vorgezeichnete Weg verläuft anders. Nach der zu erwartenden Ablehnung eines harten Brexits zum 29. März wird es wohl zu einem Antrag auf Verschiebung des Termins kommen. Viel Spielraum bleibt nicht, die Konstituierung des Ende Mai neu zu wählenden Europaparlaments setzt enge Grenzen. May hat im Unterhaus betont, dass ein Aufschub, den alle EU-Länder gewähren müssen, gute Gründe braucht. Und sie hat zwei Alternativen genannt, ein zweites Referendum oder einen neuen Vertrag.
Um beides auch nur auszusprechen, musste sie über ihren eigenen Schatten springen. Überdies hat sie, die in all den Monaten das Unterhaus überging, den Stab an das Parlament weitergegeben. Sie hatte keine andere Wahl. Eine Regierung ohne Mehrheit, eine Opposition ohne klare Linie, ratlose Abgeordnete durch die Bank und – auch das sei erinnert – weit und breit niemand in der widerborstigen Tory-Partei, der es sich besser zu machen zugetraut hätte.
Ein neuer Vertrag könnte den von Labour-Chef Jeremy Corbyn vorgeschlagenen Verbleib in der Zollunion beinhalten. Das würde das Nordirland-Problem entschärfen, stößt jedoch bei den Hardlinern auf ebenso viel Widerstand wie die Backstop-Regelung, und das, obwohl keine andere praktikable Lösung in Sicht ist. Ein zweites Referendum schließlich könnte den Ausweg aus dem Dilemma weisen, doch ist offen, welche Frage den Wählern zur Abstimmung vorgelegt werden soll, die nach dem Wie eines Brexits oder ob überhaupt? Unter den Befürwortern wächst die Hoffnung auf ein Ja zum Verbleib in der Europäischen Union. Doch bei allen Einsichten der zurückliegenden zwei Jahre, nach dem Entlarven all der Lügen und falschen Versprechungen, ist der Ausgang ungewiss.
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