Der Kampf ist vorbei, eine Epoche neigt sich dem Ende zu. Die Schlacht beginnt. Angela Merkel wird zur Geschichte. Wahlen stehen schon nächstes Jahr wieder an und die wollen gewonnen werden. Auch hanseatische Vorschusslorbeeren verwelken schnell. Martialisch bzw. historisch gefärbt sind teilweise die Begrifflichkeiten, die die Berichterstattung über den CDU-Parteitag in Hamburg begleiten. Fakt ist: Die neue Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hatte nur mit 35 Stimmen mehr Friedrich Merz den Vorsitz weg geschnappt. Eine hauchdünne Mehrheit, die auch die programmatische Spannweite der Partei anzeigt. Mit der Inthronisierung des JU-Vorsitzenden Paul Ziemiak zu Ihrem Nachfolger als Generalsekretär will sie eine Brücke bauen ins andere Lager, nach dem Motto von Johannes Rau „Versöhnen statt spalten“.
Ob Ziemiak, ein Freund des Karrenbauer-Kontrahenten Jens Spahn, dies gelingt, ist fraglich, zumal ihm Freunde aus seiner Jungen Union vorwerfen, sich insbesondere in der Schlussphase des Kandidatenrennens taktisch zurückgehalten zu haben, um seiner Karriere nicht zu schaden. Kramp-Karrenbauer habe ihm schon im Vorfeld den Job in Berlin versprochen.
Dass Friedrich Merz als ein kurz wieder aufglimmender Fixstern am Himmel erneut verglüht, ist wahrscheinlich. Hamburg verließ er nahezu fluchtartig und in Berlin sind alle relevanten politischen Ämter der CDU vergeben. Weder Spahn noch Kramp-Karrenbauer samt jeweiligem Anhang haben ein Interesse daran, für Merz eine für sie gefährliche Machtposition zu schaffen. Als Aufsichtsratsvorsitzender der amerikanischen Investmentgesellschaft Blackrock wäre es im Übrigen auf Dauer auch für das Unternehmen imageschädigend, wenn er sich politisch zu weit aus dem Fenster hängen würde. Seine Rede, die auch auf einem FDP-Parteitag reüssiert hätte, wandert ins Parteiarchiv; seine Meinungen und Anhänger nicht. Die konservative Grundhaltung, von fast 50 Prozent der Parteitagsdelegierten getragen, besteht weiter in der CDU und hat gerade durch den Verlauf des Parteitags eine starke Bestätigung gefunden. Jens Spahn, der mit seiner gut 15 Prozent Zustimmungsrate der zweite Gewinner von Hamburg ist, wird sich dieser Parteifreunden-Innen gewiss besonders annehmen. Die Gewichte in der Union sind neu verschoben worden. Das ist eine große Chance, insbesondere auch, weil die Kandidatenkür fair ablief und die Basis mobilisierte. Ob der jetzige Zustand der Zerrissenheit auf Dauer eine gespaltene Partei hinterlässt, der das Zugpferd Angela Merkel abhandengekommen ist, oder die Partei neue Kraft geschöpft hat, hängt ganz entscheidend von der Integrationsfähigkeit der neuen Parteivorsitzenden ab. Sie wird sich auch gegen die GroKo profilieren müssen auf einem schmalen Grat, der leicht die Balance verlieren lässt.
Aus der SPD signalisiert Andrea Nahles gute Zusammenarbeit. Was soll sie auch anderes tun? Ihr bleibt nur zuzuschauen, wie die Konkurrenz sich politisch erholt, die Medien – vorerst – positiv stimmt und mit ihrer Kandidatenkür öffentlich Aufmerksamkeit generiert. Dies im Übrigen auch bei der CSU, die mit Markus Söder und einer geräuschlosen Koalitionsbildung zelebrierte.
Bei der SPD ist alles beim Alten geblieben, die Wahlverlierer kuschen in ihren Echokammern, verharren weiter in ihren Schützengräben, eine Angststarre scheint über die Partei gekommen zu sein. Kein Windhauch neuer Ideen. Die Vorsitzende hält sich ohne Ausstrahlung im Amt, auch weil die Partei im letzten Jahrzehnt schon so viele verschlissen hat. Das ist das Argument der tausend Fliegen, die überm Komposthaufen nicht irren können.
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