Lange Zeit wurde Afrika als der verlorene Kontinent bezeichnet. Immer wieder wurden und werden aus verschiedenen der 54 afrikanischen Staaten, in denen heute über 1,3 Mrd. leben und schon bald fast 2 Mrd. Menschen gezählt werden, Kriege und Konflikte gemeldet. Stammeskämpfe, Unterdrückung durch Diktatoren, marodierende Terroristen und viele andere schreckliche Entwicklungen werden aus verschiedenen afrikanischen Ländern immer wieder gemeldet.
Hoffnungszeichen aus Afrika
Doch gibt es auch Zeichen der Hoffnung, machen sich Menschen mutig auf, um für die Demokratie, für Frieden und Freiheit sowie für die Grundrechte einer humanen Gesellschaft zu kämpfen. So hat es in bewundernswerter Weise Leymah Roberta Gbowee, die Bürgerrechtlerin aus Liberia, getan. Sie wurde jetzt mit dem Internationalen Demokratiepreis Bonn (IDP) ausgezeichnet. Bereits 2011 hatte sie den Friedensnobelpreis erhalten. Denn sie ist der Leuchtturm für Demokratie, Frauen und Menschenrechte auf dem afrikanischen Kontinent. Sie ist wie einst Nelson Mandela in Südafrika die große Mutmacherin für viele andere Afrikaner, die Hoffnungsträgerin für die nächsten Generationen.
Frauen-Power für Menschenrechte
Leymah Roberta Gbowee wurde im Jahre 1972 in der liberianischen Hauptstadt Monrovia geboren. 1989 erlebte sie den ersten Bürgerkrieg in ihrem Land, der viele Opfer forderte und eine große Zahl von traumatisierten Kindern zurückließ, denen Gbowee als Streetworkerin half. Anfang der 1990er Jahre war sie in einer Einrichtung für Bürgerkriegsflüchtlinge aktiv. 2002 engagierte sie sich für die Bewegung „Women of Liberia Mass Action for Peace“. Mit öffentlichen Gebeten und Protestgesängen zogen Frauen aus ihrem Land durch die Straßen Monrovias, machten Front gegen die brutalen Übergriffe der Bürgerkriegskämpfer und prangerten auch die menschenverachtende Regierung des damaligen Präsidenten Charles Taylor an. Vor gut zehn Jahren übernahm sie die Führung des „Women Peace and Security Network Africa“.
Heute ist die Freiheitskämpferin mit dem Ergebnis ihrer Aktionen recht zufrieden; denn „Liberia wird ein Land sein, das in Afrika seinesgleichen sucht“, so lautet inzwischen ihre Einschätzung. Ihren Optimismus begründet sie nicht allein mit der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern insbesondere auch mit dem veränderten politischen Bewusstsein der Menschen in ihrem Land – vor allem mit der stärkeren Beteiligung der Frauen. Dabei weist Gbowee immer wieder auf den Erfolg ihrer „White Lady“-Bewegung hin, auf die vielen Frauen in weißen Kleidern, die 2003 den Krieg in Liberia stoppten und das Friedensabkommen von Accra erreichten. Weltweit fand sie mit diesen Friedensfrauen große Aufmerksamkeit – mit diesen Afrikanerinnen, die sich von dem Aufruf „Pray the devil back to hell“ engagieren ließen.
Demokratiepreis für L.R. Gbowee
Die nun mit dem Internationalen Demokratiepreis Bonn (IDP) ausgezeichnete Freiheitskämpferin hält Frauen für die besseren politischen Führerinnen, „weil diese weniger egoistisch und vor allem rücksichtsvoller denken und handeln“. Männer säßen ihrer Beobachtung nach an Tischen und feilschten insbesondere um Geld, Macht und die besten Jobs, während Frauen diese Tische lieber schnellstmöglich verlassen wollten, „um Schulen und Krankenhäuser wieder ans Laufen zu bringen“.
Ebenso viel Anerkennung zollte Michelle Müntefering, die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, in ihrer Laudatio der „großen Frau aus Liberia“. Die von der Bundesregierung jüngst initiierte Afrika-Initiative könne nur eine Besserung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen bringen, wenn in den Staaten des Kontinents eine größere politische Stabilität, eine höhere Sicherheit und Freiheit im Miteinander der Einwohner erreicht würden. Die Demokratie sei dafür die beste Verfassung. Leymah Roberta Gbowee sei dafür eingetreten und habe in Liberia ein beispielhaftes Modell geschaffen, das auch für andere Staaten als Weg in eine bessere Zukunft gelten sollte.
Ansgar Burghof, Vorsitzender des IDP-Vorstandes, würdigte die Preisträgerin für ihr großartiges und vorbildliches Wirken: „Den Frieden fördern, bestehende Feindbilder abbauen und gegenseitiges Verständnis aufbauen. In unserer heutigen Zeit braucht es Menschen wie Leymah Roberta Gbowee mehr denn je.“
Bonn: Die Wiege unserer Demokratie
Damit sollte auch von Bonn ein klares und ermutigendes Signal ausgehen. Denn im nächsten Jahr wird hierzulande „70 Jahre Bundesrepublik Deutschland“ gefeiert werden. In Bonn wurde nach der Herrschaft der schrecklichen Nazi-Diktatur der Neuanfang gewagt. Hier wurde das Grundgesetz geschrieben – die beste Verfassung, die es jemals in Deutschland gab. In Bonn stand die Wiege unserer Demokratie. Vor diesem Hintergrund wurde vor einigen Jahren der Internationale Demokratiepreis Bonn geschaffen, den 2009 der tschechische Staatspräsident Vaclav Havel als erster Preisträger verliehen bekam. Ihm folgten die iranische Menschenrechtlerin Shirin Ebadi, der Präsident der ersten verfassungsgebenden Kommission Tunesiens, Yadh Ben Achour, die internationale Organisation „Reporter ohne Grenzen“ sowie die Hohe Repräsentantin für Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Federica Mogherini.
Bonn war jahrzehntelang die provisorische Hauptstadt, in der das zarte Pflänzchen Demokratie seit 1949 bestens aufwuchs. Nach der Wiedervereinigung wurde Berlin, die alte Kapitale, wieder zur neuen Hauptstadt. Der Internationale Demokratiepreis Bonn erinnert indessen an die „Geburt“ unserer Demokratie, ermutigt -unter anderem auch mit der Verleihung des Jugenddemokratiepreises- zum Aufbruch in Richtung Demokratie in aller Welt und würdigt Persönlichkeiten, die für die demokratischen Werte, für Frieden und Freiheit sowie Menschenrechte kämpfen. So gesehen ist Bonn der geradezu optimale Wallfahrtsort für die Demokratie; die Stadt am Rhein sollte sich mit dieser historischen Alleinstellung noch viel stärker als bisher profilieren – sowohl international als auch in deutschen Landen. „Demokratie made in Bonn“ ist in diesen Zeiten weltweit vielleicht noch bedeutender als das „made in Germany“. Denn die Rechte und Vorteile dieser staatlichen Ordnung müssen täglich von mutigen Demokraten nicht nur als Selbstverständlichkeiten genossen, sondern immer wieder auf´s Neue erkämpft und verteidigt werden.
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