Die SPD sitzt tief im Keller. Folgt man Umfragen und zwar egal welchen, kann die älteste deutsche Partei gerade noch so um die 18 Prozent der Wählerstimmen gewinnen, wenn heute gewählt würde. Ein deprimierendes Ergebnis, eine desaströse Entwicklung. 18 Prozent, da braucht sich niemand im Willy-Brandt-Haus Gedanken über Koalitionen unter SPD-Führung zu machen. 18 Prozent, das reicht, wenn es gut geht, gerade noch zu Platz 2 hinter der auch geschwächten Union und knapp vor den Rechtspopulisten von der AfD. Auch die Arbeit in der laufenden Großen Koalition wird den Sozialdemokraten nicht gut geschrieben, sondern es geht auch unter Andrea Nahles und Olaf Scholz weiter bergab. Eine sozialpolitische Offensive soll der gebeutelten Partei neuen Auftrieb geben. Die SPD will wieder zurück zu den Wurzeln, Profil in der Rentenpolitik zeigen, sie will im Bereich der Pflege demonstrieren, dass sie sich für die Alten und Kranken engagiert, der Mindestlohn ist ein weiterer Punkt, damit die SPD wieder als linke Partei erkennbar wird.
Die SPD und links? Warum eigentlich nicht, warum hat sie sich von den Linken im Osten verdrängen lassen? Die Genossen wollen und müssen wieder Flagge zeigen, damit sie ihre früheren Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen kann: die weniger werdenden Industriearbeiter, das Millionen-Heer von einfachen und mittleren Arbeitnehmern, Angestellten, Verkäuferinnen und Busfahrern, Rentnern, Auf- und Absteigern.
Olaf Scholz, der Bundesfinanzminister, ist mit einem Vorstoß vorgeprescht, die gesetzlichen Renten langfristig, bis mindestens 2040 auf dem heutigen Niveau zu stabilisieren. Ein Aufschrei folgte, der Union mit der Kanzlerin und dem CSU-Chef, selbst ernannte Renten-Experten schrieen auf. Das sei gar nicht zu bezahlen. Scholz hatte zur Finanzierung seines Vorschlags nichts gesagt, aber er hatte erreicht, was er wollte: eine Renten-Diskussion. Und die muss sein. Wieso sollen wir eines der wichtigsten Themen einer Kommission überlassen? Das Thema gehört auf die politische Agenda, in den Bundestag. Wohin denn sonst? Dass der politische Gegner den Vorschlag ablehnt- geschenkt. Das gehört zum Ritual der politischen Auseinandersetzung, wenn jemand überrascht wird von einem Plan, den er selber nicht auf dem Schirm hat.
Unternehmen verdienen sich goldene Nase
Dann die Sache mit dem Mindestlohn, der einfach zu niedrig ist. Wer soll davon leben? Auch hier ein Aufschrei, eine Erhöhung sei nicht finanzierbar. Es folgt das Totschlagsargument: Höhere Löhne würden Arbeitsplätze kosten. Was zu beweisen wäre! Ich glaube nicht daran. Die Konjunktur brummt, der Motor der deutschen Wirtschaft läuft auf hohen Touren. Warum sollen die Beschäftigten nicht mehr vom Gewinn abbekommen? Von SPD-Seite ist wohl auch die Anregung gefallen, man müsste darüber nachdenken, Steuern und Beiträge zu erhöhen. Wer so etwas sagt in Deutschland, dem wird sofort unterstellt, dass er der Wirtschaft schaden will. Und schon werden wieder Jobs gefährdet. Leute, das haben wir in den Jahrzehnten dieser Republik so oft gehört, dass es kaum noch jemand glaubt. Wahr ist, dass sich nicht wenige Unternehmer seit Jahr und Tag nicht nur eine goldene Nase verdienen, sondern gleich mehrere.
Die Rede ist von Reformen der umstrittenen Agenda 2010, die unter dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder durchgesetzt wurden. Diese Reformen haben die SPD nahezu gespalten, sie haben ihrem Ansehen als Arbeitnehmer-Partei schwer geschadet. Schröder selber hat auf Kritik schon vor Jahren etwa so reagiert: Weder bin ich Moses gewesen, noch sind das die Zehn Gebote. Frei übersetzt könnte das heißen: Im Lichte der Entwicklung soll man die Agenda-Reformen analysieren und dort, wo es nötig erscheint, sie korrigieren. Eigentlich der normale Weg, dass man politische Entscheidungen dann und wann mal überprüft und verändert oder aufhebt, wenn sie nicht erfolgreich waren oder man sich getäuscht hat.
Die SPD ist zu ruhig geworden. Auch Parteichefin Andrea Nahles kennt man eigentlich anders, lauter, angriffslustiger. Jetzt scheint sie zusammen mit Olaf Scholz und dem Arbeitsminister Hubertus Heil auf Angriff zu schalten. Sie sollte sich dabei nicht von Einwänden der politischen Konkurrenz beirren lassen. Die Sozialpolitik gehörte immer schon zum Kerngeschäft der SPD.
Und dann ist da noch der Kampf gegen die AfD, gegen eine Partei, die in Teilen rassistisch ist, fremdenfeindlich, die Neonazis in ihren Reihen hat, deren Anhänger Hass verbreiten und Hetze gegen Ausländer. Wenn das kein Grund ist, sich endlich mit denen zu befassen, die sich verlassen und vergessen fühlen und deshalb der AfD ihre Stimme gegeben haben. Nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch in fast allen anderen Teilen der Republik.
Siemens-Chef Kaeser attackiert die AfD
Ein Vorbild könnte hier Siemens-Chef Joe Kaeser sein. Er ging vor kurzem auf Konfrontation zur AfD und namentlich knöpfte er sich die AfD-Politikerin Alice Weidel vor. Weidel hatte in einer Bundestagsdebatte von „Kopftuchmädchen und „Messermännern“ gesprochen. Kaeser entgegnete: „Lieber Kopftuch-Mädel als „‚Bund Deutscher Mädel“. Frau Weidel, warnte der Siemens-Manager, „schadet mit ihrem Nationalismus dem Ansehen unseres Landes in der Welt, da wo die Haupt-Quelle des deutschen Wohlstands liegt.“ Der Bund deutscher Mädel(BdM) war in der Nazi-Zeit eine Organisation für Mädchen.
Leider erhielt Kaeser keine Solidarisierung aus dem Kreis der Dax-Kollegen. Was den Siemens-Chef nicht davon abhielt, weiter zu erklären, dass Äußerungen über Ausgrenzung, Intoleranz, Rassenhass und Polemik nicht hinnehmbar seien. Es dürfe keine Schweige-Spirale geben. Auch damals, in der Hitler-Zeit sei in den Anfängen zu viel geschwiegen worden. Der Bruder seiner Mutter sei im KZ Dachau ermordet worden, weil er nicht zur Hitler-Jugend ging. Seit diesen Äußerungen werden der Siemens-Chef und seine Familie bedroht.
Die SPD sollte einen Blick in ihre reichhaltige Geschichte werfen. Da sieht sie, was passiert, wenn Intoleranz um sich greift, Fremdenfeindlichkeit, Rassenhass. Es wäre Zeit für einen Aufstand der Anständigen.
Bildquelle: flickr, SPD Schleswig-Holstein, CC BY 2.0