Die letzte Bundestagswahl liegt nun ein Jahr zurück. Die Union schnitt dabei recht gut ab: Angela Merkel war das starke Zugpferd für die CDU und CSU. Peer Steinbrück erwies sich für die SPD als eher lahmer Gaul, der es für seine Partei kaum über die erhoffte Ziellinie brachte. Für die Union reichte es für eine Allein-Regierung indessen allein nicht, zumal die FDP weggefegt wurde. Die Grünen erwiesen sich als nicht koalitionsfähig. Sigmar Gabriel schaffte es mit viel Mut und Geschick, seine Genossen auf der Bundesebene in die Große Koalition zu führen.
In der ersten Phase dieser neuen Legislaturperiode setzten sich die Sozialdemokraten mit einigen politischen Herzensanliegen in Szene – vor allem mit der Durchsetzung des Mindestlohns und der Rückführung des Renteneintrittsalters. Gabriel, Steinmeier und Nahles waren auf der Bühne der Politik und der Öffentlichkeit präsent.
Dennoch machte die SPD bei den Bürgern nicht viel Boden gut. Der erste Test nach der Bundestagswahl fand jüngst in Sachsen, Thüringen und Brandenburg statt. In Brandenburg ging es erwartungsgemäß aus: Der alte Ministerpräsident Woidke wird auch der neue sein. Und er kann mit der Linken weiterregieren oder die CDU ins Koalitionsboot holen. Unter dem „Roten Adler“ gibt es also klare Verhältnisse, obwohl die SPD auch hier unter der 40 %-Marke blieb.
In Sachsen verlief es für die CDU ähnlich: Sie erreichte bei der jüngsten Landtagswahl 39,4 % und wird wohl mit der SPD, die mit 12,4 % zwei Prozentpunkte gegenüber 2009 zulegte, eine Koalition zu bilden versuchen. Sehr schwierig stellt sich dagegen die Lage in Thüringen dar: Die Union konnte leicht auf 33,5 % zulegen, die SPD schmierte nochmals kräftig auf 12,4 (18,5) % ab und die Linke blieb bei rund 28 % und damit deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die thüringische SPD-Führung wird ausgewechselt; an die Spitze wird der Erfurter Oberbürgermeister Bausewein rücken, der als rot-roter Mann gilt. Doch das Bündnis aus Linken und SPD sowie der Grünen hätte auch nur eine Stimme Mehrheit im Landtag. Angesichts der inneren Zerrissenheit der Partei wird Bausewein einen solchen Ritt über den Rositzsee nicht wagen. Es spricht deshalb viel dafür, dass die Thüringer SPD doch lieber mit Christiane Lieberknecht und der CDU weiterregieren wird. Da eine solche Koalition aus der CDU und SPD jedoch auch nur über eine Mehrheit von einer Stimme verfügen würde, buhlen Unionschristen und SPD-Genossen um die Gunst der Grünen und wollen diese ins „Regierungsbett“ locken. Wenn dies nicht gelingt, dann könnten gar Neuwahlen in Thüringen drohen, die vor allem die SPD noch stärker diminuieren würde.
Die Parteienlandschaft ist in der letzten Monaten in Bewegung geraten. Die größte Verliererin ist die FDP, die gerade noch in Hessen in den Landtag rutschte. Bis auf Christian Lindner, der für die Liberalen mutig ums Überleben kämpft, ist die Partei ausgeblutet; sie hat zudem kein Programm, das zumindest 5 % der Wähler begeistern könnte. Weg vom Fenster – Gott sei Dank! – sind endlich die Rechtsextremisten, die mit der NPD und der DVU in ostdeutschen Landen viel zu lange ihr Unwesen trieben.
Doch wie aus dem Nichts trat nun die AfD auf die politische Bühne. Nach dem Einzug ins Europäische Parlament gelang den Alternativen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen der Sprung in die Landtage – und zwar mit jeweils rund 10 % der Wählerstimmen. Da ist es schon recht peinlich, wenn die Parteispitzen von CDU, CSU, SPD und Grünen darüber heftig streiten, aus welchen Lagern sich die AfD ihre starken Gewinne holte. Die Aufregung darüber, ob diese Newcomer-Partei mehr auf den Weiden der Union, der SPD oder der Linken abgegrast hat, erklärt nichts und hilft keinem weiter. Das gute Abschneiden der AfD kam zum einen dadurch zustande, dass sich fast niemand aus den anderen politischen Lagern mit den AfD-Leuten und ihren krausen Aussagen ernsthaft auseinandergesetzt hat.
Mit ihren Ideen vom Euro-Ausstieg über die innere Sicherheit à la DDR bis hin zum Verständnis für Putins Annektionspolitik sind Lucke, Gauland, Henkel, Starbatty & Co. über’s Land und durch Städte gezogen. Sie hatten dumpfe Vorurteile genährt und dümmliche Emotionen bedient – quer durch alle Schichten der Bevölkerung. Purer Populismus war der Trumpf der AfD. Und es wurde mancher Protest gegen die Politiker aus den Regierungsparteien geschürt.
10 % für die AfD – das ist einfach zu viel, um sie zu ignorieren. Weggucken und wegducken sind kein Rezept. Und nur darauf zu hoffen, dass die AfD bald verschwindet, wie es etwa bei der Schill-Partei und anderen Sumpfblüten-Parteien zuvor der Fall war, das reicht einfach nicht aus.
Vor allem sind die CDU und die CSU sowie die SPD gefordert, ihre Politik, ihre Vorstellungen und Programme, ihre Maßnahmen und Aktivitäten viel besser öffentlich zu präsentieren und zu erklären. Mit basta, alternativlos und ähnlichen Attributen wird man die Bürger nicht besonders begeistern. Auch gute Politik mit guten Ergebnissen muss für die Schar der Wähler so dargestellt werden, dass sie sich darin wiederfindet und sich nicht von Schmalspur-Demokraten einfangen lässt. Die AfD sollte durchaus als eine Herausforderung angenommen werden, mir der sich eine ernsthafte Auseinandersetzung – auch in Talkshows – lohnt, um sie zu decouvrieren.
Dazu gehört schließlich auch, dass die letzte Volkspartei in Deutschland, die Union, ihr Profil überprüft und schärft. Gewiss, in der Großen Koalition – auf Bundesebene ebenso wie auf Landesebene – müssen Kompromisse in der Sachpolitik eingegangen werden. Doch die Partei – sei es die CDU, sei es die CSU – kann in aller Schärfe deutlich machen, wofür sie steht, welche wichtigen Ziele sie für unser Gemeinwesen anstrebt, in welchen Koordinaten sie sich bewegt und welches Menschen- und Weltbild sie hat. Ähnliches gilt im übrigen auch für die traditionsreiche SPD, die zunächst von den Grünen und dann von den Linken arg geschüttelt und gebeutelt wurde und sich davon bis heute nicht erholt hat.
Wenn Union und SPD allzu sehr nun in die Mitte rücken, werden andere das Vakuum an den Rändern entdecken und ausfüllen. Hier gilt es Angebote für manche desorientierten Wähler und viele Nichtwähler offensiv zu machen. Die Aufregung über die veränderte Parteienlandschaft könnte so zu einer neuen Vorwärtsstrategie werden, mit der die Union und die SPD Wähler motivieren und mobilisieren.
Dokument des “Berliner Kreis” zur Auseinandersetzung der CDU/CDSU mit der AfD; Stand 11.9.2014
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Bildquelle: Wikipedia, „Grafik Landtagswahl in Thüringen 2014“
Ach,Herr Ost,Sie sind sehr lange beim ZDF angestellt gewesen und haben wahrscheinlich die heutige Art der Bericherstattung mitbegründet.
Sie sind auf die alten Parteien finanziell angewiesen,bedingt durch deren Haushaltsabgabe.Somit wird jede neue Partei madig gemacht,insbesondere die AfD dem öffentl. Rundfunk die Gelder entziehen will und ich glaube,daß daher Ihre Ausfälle gegen die AfD herrühren.