Die Welt ist aus den Fugen geraten, beginnt ein Mitgliederbrief von SPD-Parteichef, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und dem Partei-Vize, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier an Hunderttausende Mitglieder ihrer Partei, der SPD. So erscheint es der Parteiführung „zumindest, wenn wir in diesen Wochen auf die Krisenherde schauen, heißt es in dem Schreiben weiter, mit dem Gabriel und Steinmeier versuchen, die Sorgen der SPD-Mitglieder aufzunehmen und ihr Ja zur Waffenlieferung in den Nordirak zu begründen. Beide wissen, die Begeisterung in der SPD zu diesem heiklen Thema hält sich in sehr engen Grenzen, das Murren ist deutlich zu hören.
Aber es ist ja nicht die SPD, die von den Unruhen und Kriegen in aller Welt beunruhigt ist, es sind viele deutsche Bürgerinnen und Bürger, denen es angesichts immer schlechter werdender Nachrichten, die sie Tag für Tag und Abend für Abend lesen und hören müssen, Angst wird um ihren Frieden. Und die, die Nachrichten schreiben und verlesen, sie analysieren und erklären müssen und sie noch dazu mit schrecklichen Bildern untermalen müssen, die Moderatoren in den Fernsehanstalten, aber auch die Redakteure bei den Tageszeitungen sind um ihren Job nicht zu beneiden. Sie tun ihre Pflicht, sie machen das ja nicht aus Spaß. Man kann ZDF-Moderator Claus Kleber gut verstehen, dass es so spaßig nicht ist, nur noch schlechte Nachrichten ansagen zu können, ja zu müssen. Krieg, Krieg, Schießereien, Tod.
Erschüttert ist jeder, der diese Bilder sieht, schreiben Gabriel und Steinmeier weiter. Und robben sich langsam an das Zentrum ihres Problems heran. Der brutale Vormarsch der ISIS müsse gestoppt werden. Die kurdischen Peschmerga stünden im Kampf gegen ISIS vor einem Gegner, der ihnen an Brutalität, aber auch an technologischer Ausrüstung überlegen sei. Um sich diesem Feind entgegenzustellen forderten die kurdischen Kämpfer „von uns nicht nur humanitäre, sondern auch militärische Unterstützung“.
Klar sei, betonen Gabriel und Steinmeier: „Wir Sozialdemokraten werden uns in dieser schwierigen Situation von unseren strengen Rüstungsexportrichtlinien nicht entfernen.“ Dann ist es ja gut, könnte man meinen, wenn man den Brief nicht weiterlesen würde. „Aber das müssen wir auch nicht. Selbstverständlich gilt der Grundsatz- keine Waffen in Krisengebiete.“ Um dann diesen Grundsatz aufzuweichen. „Doch die Richtlinien fordern die Politik im konkreten Krisenfall zur Abwägung und zur Entscheidung auf. Sie sagen: eine Genehmigung kann ausnahmsweise erteilt werden, wenn „besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen“ dafür sprechen“.
„In Krisengebiete wie Ukraine, Syrien, Libyen liefern wir keine Waffen“.
Vieles spräche aber dafür, dass die Krise im Nordirak anders gelagert sei.
Lassen wir das mal so stehen. Wer garantiert uns denn, dass diese Waffen aus deutschen Beständen nicht in andere Hände geraten? Schon vergessen, dass der Westen Ende der 70er Jahre die Afghanistan-Kämpfer gegen die Sowjet-Soldaten , die einmarschiert waren in das Land am Hindukusch, mit Waffen belieferten, die später den Taliban in die Hände fielen? Schon vergessen, dass die ganze Inventionspolitik der USA im Irak und in Syrien der völlig falsche Weg war?
Bürgerkrieg in Syrien, es ist fast alles kaputt. Der Irak ist gespalten in mehrere kriegerische Gebiete, ja er droht auseinanderzufallen. Fast könnte man meinen, dort kämpfe jeder gegen jeden. Wie goldrichtig war doch damals das Nein von SPD-Kanzler Gerhard Schröder, Deutschland werde sich an einem Einmarsch in den Irak nicht beteiligen. Was haben die Amis uns damals geschmäht, haben von dem alten und dem neuen Europa gesprochen, die Kriegsgegner waren selbstverständlich die alten Europäer, die den neuen Geist … Ach lassen wir das.
Wer hat eigentlich die Soldaten des Islamischen Staats(IS) in Syrien mit Waffen beliefert? Man frage doch mal in Washington und in Ankara nach. Heribert Prantl; Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, zitiert Pax Christi, die auf die Urheberstaaten- s.o.-hingewiesen hätten. Und dass Deutschland Saudi-Arabien und Katar mit Kriegsgerät beliefert hätte, also Staaten, die den Islamischen Staat aktiv unterstützt hätten. Die Geister, die sie riefen, werden sie nicht mehr los. Oder?
Die SPD-Führung erinnert in ihrem Mitgliederbrief daran, dass die fürchterliche Krise im Irak erneut zeige, „dass der Irak-Krieg der USA falsch war“. Trotzdem dürfe man „nicht zusehen, wenn Bevölkerungsgruppen von fanatischen Terroristen brutal unterdrückt, vertrieben und ermordet werden“.
In der gebotenen Sorgfalt und Transparenz werde die Bundesregierung mit dem Bundestag debattieren und mit ihren internationalen Partnern beraten. Was dabei stört, Herr Gabriel und Herr Steinmeier, ist der Eindruck, dass das Ja der Bundesregierung zur Waffenlieferung in den Nordirak schon gefallen sei, ist der Eindruck, dass die Kanzlerin lediglich eine Regierungserklärung abgeben und die Vertreter der übrigen Fraktionen ihre Meinung äußern würden. Man hätte erwarten können, ja müssen, dass ein so heißes Thema einer Entscheidung des Bundestages vorbehalten bleiben würde. So ist es, pardon, nur das übliche politische Theater auf der Berliner Bühne. Und danach kann man ja den Urlaub fortsetzen.
Die Welt brennt an vielen Ecken. Die Hoffnung, damals bei der Wende, der deutschen Einheit, dem Ende des Warschauer Paktes und der wiedergewonnenen Freiheit für viele Völker in Osteuropa, nun breche ein Zeitalter des Friedens an, der den Kalten Krieg ablöse, diese Hoffnung trog. Wie nah die Gefahr eines großen Krieges Europa näher gerückt ist, sieht man an der verhängnisvollen Entwicklung in der Ukraine. Und niemand scheint eine Lösung parat zu haben. Aber das ist es ja nicht allein, Israel führt Krieg gegen die Hamas oder umgekehrt, Gaza brennt. Was wird mit Libyen, mit Ägypten, mit den anderen Ländern in Nordafrika, oder mit Mali, Somalia, vergessen wir Afghanistan nicht, Pakistan, den Iran, der überall seine Finger im Spiel hat, den Libanon.
Die Welt brennt. Und wir wollen Waffen liefern. Ist das die Lösung? Die Nachrichten werden nicht schöner, nicht besser, Herr Kleber, tur mir Leid.
Auch nicht am Wochenende. Aber halt: es gab doch schöne Bilder in dieser Woche. Sie waren vor einigen Kirchen und Schulen zu sehen. Zigtausende kleiner Kinder wurden eingeschult. Mit Blumen und kleinen Geschenken.
Fröhlich sah das aus, sehr friedlich. Aber das waren ja Ereignisse, die sich nicht für die Tagesschau und nicht die Tagesthemen eignen.