Wird jetzt der Markt das Glyphosatproblem regeln? Der Discounter ALDI, die Wasserversorger und die kommunalen Betriebe drängen auf den Glyphosat-Verzicht. Damit könnte der Markt regeln, was der Politik nicht gelang und den Beweis antreten, dass der Kunde Einfluss auf die Qualität der Produkte und Produktionsverfahren haben kann. Denn allein aus gesellschaftlicher Verantwortung wird auch ALDI nicht handeln.
Nachdem die Berliner Politik in Person des Landwirtschaftsministers Christian Schmidt in Brüssel bei der Abstimmung in der EU mit seiner Zustimmung zur Nutzungsverlängerung von Glyphosat ein Armutszeugnis abgelegt hat, macht sich jetzt ALDI die öffentliche Stimmung zunutze. Der eigentlich für „Preisdruck“ bekannte Discounter scheint jetzt den „Qualitätsdruck“ für sich erkannt zu haben. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, hat ALDI in einem Schreiben an etwa 65 Hersteller für die Aldi-Eigenmarken dazu aufgefordert, bis Ende Januar darzulegen, in welchen Futtermitteln der möglicherweise krebserregende Wirkstoff zum Einsatz kommt. Zudem sollen die Lieferanten erklären, wie hoch der Glyphosatanteil in den Futtermitteln ist, bis wann komplett darauf verzichtet werden könnte und an welche Tierarten es verfüttert wird.
Die Hoffnung ist groß, dass ALDI der Schrittmacher bei der Durchsetzung neuer, privatwirtschaftlicher Produktionsstandards jenseits der gesetzlichen Forderungen bleibt und das Vorbild des Discounters einmal mehr Schule macht. Immerhin war ALDI bei der Gentechnik-freien Fütterung ein solcher Anstoß schon einmal gelungen. Damit könnte trotz – oder sogar wegen – des Versagens der Politik die Wirtschaft – getrieben durch die Sorgen und Kritik der Kunden – einen weitestgehenden Verzicht auf Glyphosat in der deutschen Landwirtschaft herbeiführen.
ALDI setzt damit nicht nur die Lieferanten, sondern auch die Politik und die Wettbewerber unter Druck. Es ist davon auszugehen, dass andere Lebensmittelhändler mit einer ähnlichen Initiative nachziehen. Schon vor zwei Jahren hatte der Schweizer Lebensmittelkonzern Migros sowie die Baumärkte der Rewe-Group Unkrautvernichter mit dem Wirkstoff Glyphosat aus dem Sortiment genommen; über Lebensmittel werde aktuell nachgedacht, hört man in der Schweiz.
ALDI muss aber auch bei den Schadstoffkonzentrationen transparent werden
Ehe die Zulassungsbehörden über zusätzliche Auflagen im Rahmen der gerade um fünf Jahre verlängerten Wirkstoffzulassung überhaupt entschieden haben, fordert der Discounter einen freiwilligen Ausstieg. Wozu bedarf es einen Gesetzes, wenn der Markt funktioniert. Müssten jetzt nicht auch jene ins Grübeln kommen, die immer nach den Staat rufen. Bevor die Weihnachtszeit den Blick auf die Realität trübt, sollte auch der Kernspruch eines jeden Kaufmanns beachtet werden: „Deliver what you promise“ (Liefere, was du versprichst). ALDI muss der Forderung an seine Lieferanten jetzt Transparenz für die Kunden folgen lassen. Die kritischen Inhaltsstoffe in den Lebensmitteln müssen umfassend und verständlich deklariert werden. Der Discounter sollte daher zunächst bei seinen Eigenmarken, deren Verpackung er bestimmen dürfte, die Mikroschadstoffkonzentrationen u.a. von Glyphosat angeben lassen. Dann kann der Konsument die Entwicklung verfolgen und sich ein Bild davon machen, wie hoch die Glyphosat-Konzentrationen in den Produkten sind und insbesondere wie sie sinken.
Wasserversorger fordern Glyphosat-Verzicht aus Vorsorgegründen
Glyphosat ist nicht nur für die Lebensmittelqualität, sondern wegen der temporären Grenzwertüberschreitungen auch in Oberflächengewässern ein Problem. Daher erhöht auch die Wasserwirtschaft den Druck, um die mit dem Herbizid verbundenen Risiken für die Trinkwasserqualität zu reduzieren. So warnt der Stuttgarter Zweckverband Landeswasserversorgung, immerhin einer der größten Wasserlieferanten Deutschlands, vor der Gefährdung der Donau als „fliessende Quelle“. Die Forderung in dem Positionspapier aus Stuttgart ist eindeutig: „Daher lehnt die Landeswasserversorgung den weiteren Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft und in Haushalten und Industrie solange ab, bis nachgewiesen ist, dass von Glyphosat keine Gefahr für die Gesundheit ausgeht“, wie es in einem Positionspapier heißt.
Weil aber bei den Risiken noch Unklarheit herrsche, sei aus Vorsorgegründen die Zulassung bis zur vollständigen Klärung des Sachverhaltes auszusetzen, wird von Seiten der Wasserversorger gefordert. Es müsse zweifelsfrei nachgewiesen werden, „dass Glyphosat und seine Abbau- und Transformationsprodukte weder erbgutschädigend, krebserregend, endokrin schädlich und reproduktionstoxisch wirken. Weiterhin muss die Anwendung die Einhaltung der Grenzwerte gewährleisten. Dies ist nicht gegeben. Weiterhin werden die Hersteller von Glyphosat aufgefordert, die Wasserversorgungsunternehmen über die Wirkungsweise von Glyphosat im Boden, im Grundwasser und in den Oberflächengewässern zu informieren. Es muss transparent gemacht werden, welche Abbau- und Transformationsprodukte aus Glyphosat entstehen, welche Wirkung diese haben und ob sie eine gesundheitliche Relevanz besitzen.“
Wenn diese Vorsorge nicht gelingt und Glyphosat weiter in die aquatische Umwelt eindringt, dann werden teure Aufbereitungstechnologien unabwendbar sein, um die Trinkwasserqualität sicher zu stellen. Die werden von den Wasserkunden bezahlt. Diese sind gleichzeitig Konsumenten, deshalb machen wir es richtig, wenn wir als Konsumenten Forderungen erheben, die schon die Quelle schützen und nicht erst den Wasserhahn.
Glyphosat-freie Kommune – Österreich macht es vor
Immer mehr Kommunen ziehen jetzt die Glyphosat-Bremse und wollen auf den Glyphosat-Einsatz auf den selbst genutzten und verpachteten öffentlichen Flächen verzichten. Hierbei lohnt ein Blick nach Österreich. Dort gab es im November 2017 laut Greenpeace-Analyse 539 glyphosatfreie Gemeinden, das ist jede vierte Kommune im Alpen-Nachbarland. Auch hierzulande mehren sich in den letzten Wochen und Monaten die Meldung aus den Rathäusern, die auf einen Verzicht des Einsatzes von Herbiziden hinwirken wollen. Immer noch gibt es viele Privatgärtner, die ihren „Ordnungswahn“ im häusliche Garten mit der Bekämpfung des „Unkrauts“ ausleben und mit der Gießkanne Glyphosat & Co einsetzen. Diesem Wahn gehört ein Riegel vorgeschoben.
Bedenkt man, dass an dem Zweckverband Landeswasserversorgung 106 Städte, Gemeinden und Zweckverbände beteiligt sind, dann sollte erwartet werden dürfen, dass diese in ihren Kommunen ein Verzicht auf wassergefährdende Herbizide und andere anthropogene Mikroschadstoffe umsetzen. Diese Erwartung dürfte auch an die kommunalen Gesellschafter der anderen Wasserversorger herangetragen werden. Hier sind womöglich wieder einmal die Kunden und Verbraucher gefragt.
Die DEUTSCHE BAHN fährt vorweg – es gibt Alternativen zu Glyphosat
Es klingt erschreckend, ist aber Realität. Die DEUTSCHE BAHN darf Glyphosat-haltige Herbizide zur Unkrautbekämpfung auf Bahngleisen auch in Wasserschutzgebieten einsetzen. Dass die Bahn mit diesem Recht verantwortungsvoll umgeht, beweist die Aussage einer Bahnsprecherin, die meine diesbezügliche Anfrage im Oktober 2017 wie folgt beantwortete. Meine spätere Nachfrage welches Verfahren anstelledessen konkret zum Einsatz kommt, wurde mit dem Hinweis auf mechanische Verfahren beantwortet.
Dieser Beitrag wurde im Original auf lebensraumwasser.com veröffentlicht
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