Sie stellte sich, die Sahra Wagenknecht den Fragen der Sandra Maischberger. Und sie schlug sich gut, blieb keine Antwort schuldig und parierte manche Attacke des Überraschungsgastes Robin Alexander, eines Redakteurs des Springer-Blatts „Die Welt“. Dieser Redakteur entpuppte sich aber eher wie ein kalter Krieger aus den frühen Jahren der Republik und rief mehrfach, scheinbar vor lauter Verzweiflung, nach einer „ Online Petition“, was immer er damit sagen wollte. Da hätte man sich einen kompetenteren Mann gewünscht, der dem intellektuellen Format der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Linken entsprochen hätte.
Sahra Wagenknecht stellte sich dar, wie man sie kennt: kühl, überlegen, ein wenig streng, aber auch kontrolliert, nur hin und wieder lächelnd. Man zeigte Bilder der Frau, als sie noch ein Kind war, man sah sie im Sandkasten mit Hütchen oder als Rebellin, wie sie sich selbst sah, als sie 13 Jahre jung war und über die Stränge schlug. Oder später, als sie Oskar Lafontaine kennen- und lieben gelernt hatte, beim Karneval, sie im Blümchenkleid und Lafontaine in der Aufmachung eines Napoleon, so wie man ihn kannte aus der Zeit, als er noch der SPD angehörte.
Ob sie wirklich die letzte Klassenkämpferin ist, die früher polarisierte wie kaum ein anderer Politiker? Inzwischen ist sie von der Seite des Walter Ulbricht auf die Seite des Ludwig Erhards gewechselt und zieht dessen soziale Marktwirtschaft der Planwirtschaft vor, wenn man das so sagen darf. Sie prangert den Reichtum des Geldadels an und fordert eine Millionärssteuer, was nicht so empörend ist, sondern eher verständlich angesichts der Schere, die zwischen denen da oben und denen da unter immer weiter auseinandergeht. Dieselbe Sahra Wagenknecht, die einst davon träumte, man könnte den erfolglosen Sozialismus in der DDR reformieren, weil sie nicht im Kapitalismus leben wollte. Dieselbe Wagenknecht, die weiterhin der Lehre von Karl Marx folgt, die Goethe liest, Balzac und Homer, fordert für sich das Recht ein, mit 44 Jahren, so alt ist sie heute, eine andere Meinung vertreten zu dürfen als mit 21 Jahren, als sie beschloss, im Frühjahr 1989 der SED beizutreten. Und das, obwohl sie mit dem DDR-System nicht konform war und deshalb nicht zum Studium zugelassen wurde.
Warum sie Mitglied der SED, dieser Partei der alten Herren und Betonköpfe, wurde zu einer Zeit, als man das als Bewohner der DDR nicht mehr musste, ja diese Frage versuchte sie zu beantworten, überzeugend war sie dabei aber nicht. Denn mit demokratischen Freiheiten, mit Meinungs- und Pressefreiheit zum Beispiel, hatte die SED nun wirklich nicht viel zu tun. Gerade wenn von Rosa Luxemburg die Rede ist, und Sahra Wagenknecht erweckte den Eindruck, als verehrte sie die einstige Klassenkämpferin, muss man darauf hinweisen, wofür diese Front-Frau der Linken auch stand: Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenken, lautete einer ihrer Kernsätze. Das passte gar nicht in das Ostberliner System, nicht in das System, wie es praktiziert wurde in Kuba, in Moskau und auch in Peking. Wagenknecht räumte das durchaus ein.
Freiheit statt Kapitalismus, gegen Ungerechtigkeit, ja die Sahra Wagenknecht steht für manches, wofür sie den Beifall ihrer Klientel einheimst. Sie wolle die DDR nicht wiederhaben, betonte sie in der WDR-Sendung. Was ja auch gar nicht ginge, die ehemalige DDR ist längst auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet. Sie selber hat die DDR von ihrer realistischen Seite kennengelernt, mitsamt der Stasi, der Bespitzelung der Nachbarn, der Mauer, den Gefängnissen wie in Bautzen oder Hohenschönhausen. Und da sie davon sprach, dass sie in Prenzlauer Berg aufgewachsen sei, wird sie die Bilder noch im Kopf haben, wie das Gebiet um den Kollwitz-Platz und die Kollwitz-Straße damals aussah, verfallen nämlich, heruntergekommen, modrig. Heute, seit der Einheit wird dort saniert, Straße um Straße, Haus um Haus. Längst ist Prenzlauer Berg Schicki-Micki.
Manches in der Sendung wurde einfach so gesagt, unter anderem von der Freundin von Wagenknecht, der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, die ebenfalls aus dem Saarland stammt, also daher, wo heute Frau Wagenknecht heute nebst ihrem Oskar wohnt: die Linke sei emanzipatorisch und fortschrittlich. Na ja, darüber lässt sich trefflich streiten.
Fazit: Man muss sie nicht mögen, die Sahra Wagenknecht, aber den Punkt bei der Sendung hat sie gemacht, auch wenn ihr nicht jeder Zeitgenosse den Kostümwechsel von Ulbricht zu Erhard so ganz abnimmt.
>>> Und da sie davon sprach, dass sie in Prenzlauer Berg aufgewachsen sei, wird sie die Bilder noch im Kopf haben, wie das Gebiet um den Kollwitz-Platz und die Kollwitz-Straße damals aussah, verfallen nämlich, heruntergekommen, modrig. Heute, seit der Einheit wird dort saniert, Straße um Straße, Haus um Haus. Längst ist Prenzlauer Berg Schicki-Micki.
Und was wollen Sie damit sagen? Dass es wünschenswert sei, dass dieses Viertel wie so viele andere endlich durchgentrifiziert ist, die alten Bewohner wegziehen mussten, die Mieten um 800 Prozent gestiegen sind? Punktet da der Kapitalismus gegen den Sozialismus?
Das passt nicht ganz zu Ihrem sonst guten Artikel.
SahraWagenknecht sieht sich als moralische und intellektuelle Instanz in Deutschland. Und sie hat wohl recht damit, denn in der Öffentlichkeit (Fernsehen !) sind Debatten über Moral, Anstand und Gerchtigkeit – auch Bildung – heutzutage unerwünscht. Somit ist sie eine der wenigen in der Politik, die noch wirklich etwas gestalten wollen. Vielleicht bekommt sie mal eine Machtposition. Zu wünschen wäre es durchaus !