Es sagt sich so leicht. Auf jeden Einzelnen kommt es an, wenn es darum geht, dass die Umwelt sauberer wird. Jeder kann Abfall vermeiden, kann so einkaufen, dass er Papier statt Plastik nimmt, oder die Tasche, die er immer wieder mitnimmt, wenn er zu Edeka oder Rewe fährt. Natürlich mit dem Rad, das Auto bleibt zu Hause. Und wenn man einkauft, schaut man natürlich aufs Etikett, ob die Ware umweltfreundlich ist. Und wenn man Hunger hat, greift man nicht zum Fast Food in einer Plastikverpackung, sonder nimmt sich die Zeit, um in aller Ruhe zu essen. Ohne Restmüll. Frauen verzichten auf Billig-Klamotten aus China, kaufen regionale Produkte, Butter aus Deutschland und nicht aus Irland oder sonstwoher. Und natürlich duschen wir weniger, um weniger Wasser zu verbrauchen, wir drehen die Heizung runter, halbwarm reicht. Und wir fahren von Berlin zur Bonner Umweltkonferenz selbstredend mit dem Zug.
Speed Dating mit IKEA
Der schwedische Konzern IKEA hatte am Rande der Klimakonferenz in die Bonner Bundeskunsthalle eingeladen, zu einem Speed Dating mit Experten, keine Sorge, es ist nicht das, was Du denkst. Das Thema hieß: Klimaschutz am Küchentisch. Gemeinsam gegen den Klimawandel. Wie können Unternehmen und Konsumenten gemeinsam nachhaltiger handeln? Es stimmt ja, was die Schweden da aufgeschrieben haben: „Wenn sich das Klima ändert, ändert sich alles. Klimaschutz ist für Konsumenten und Unternehmen ein wichtiges Anliegen.“ Man könnte es auch so formulieren: Wir sitzen alle in einem Boot. Das Bild passt, weil ja der fortschreitende Klimawandel mit seiner Erwärmung für das weitere Abschmelzen der Gletscher sorgt, wodurch die Meere ansteigen, wie hoch und wie schnell, das weiß man nicht genau, aber es wird für nicht wenige Küstenbewohner gefährlich. Inseln werden überschwemmt, ihre Bewohner müssen umgesiedelt werden. Wir können auch ein anderes Bild in diese Diskussion einflechten: Wenn wir so weiter machen, sägen wir den Ast ab, auf dem wir sitzen.
Die Politik braucht Mut für eine andere, nachhaltigere Politik. Das sagt sich leicht, weil der Politiker natürlich die nächste Wahl vor Augen hat. Er muss um die Mehrheit werben, kämpfen, damit er wiedergewählt wird. Die Gesellschaft muss Umweltpolitik schätzen lernen, nicht als Belastung, sondern als Gewinn, Umweltgedanken müssen selbstverständlich sein in der Politik. Damit es nachhaltig wird. Es braucht einen langen Atem.
Und wir in Europa, in Deutschland dürfen nicht glauben, dass das alles so weit weg ist. Die Stürme nehmen zu, haben längst Orkanstärke erreicht, Flüsse treten über die Ufer, das Hochwasser der Elbe vor ein paar Jahren ist nicht vergessen, es hat Verwüstungen mitten im zivilisierten Deutschland und Europa angerichtet.
Ware mit dem Container aus China
Ja, es ist ein schlechter Witz, wenn die Ware, die ein Containerschiff aus China nach Hamburg, billiger ist, als die, die hier produziert wird. Bioprodukte sind auf dem Vormarsch, aber sie sind auch schon mal teurer. Und was die Mode angeht: Wer will sich denn gegen einen Hype wehren, wenn plötzlich etwas zur Masche wird, das jede junge Frau tragen muss oder jeder Jüngling meint, ohne diese Schuhe oder Jeans sei er im Grunde nackt. Regionale Wertschätzung ja, aber es braucht auch viel Überzeugung. Und wir sollten nicht vergessen: Es gibt immer nicht nur Gewinner einer neuen Entwicklung, auch Verlierer. Was machen die Frauen in Bangladesh, wenn deren Billig-Produkte, die sie oft genug zu Hungerlöhnen produzieren, nicht mehr verkaufen können? Irgendjemand in der Runde warf ein: Man müsse am Gewinn beteiligen. Aber erstmal müssen die Klamotten, Blusen, Hosen, Kleider verkauft werden.
IKEA nimmt für sich in Anspruch, sich dafür einzusetzen, „dass unser Geschäft klimapositiv wird, indem wir in erneuerbare Energien investieren, Emissionen reduzieren und Millionen von Kunden dazu inspirieren, ein nachhaltiges Leben zu führen.“ Klingt gut. Das Unternehmen hat sich für das Speed Dating Experten, Meinungsführer aus Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in die Bundeskunsthalle geholt, um darüber zu diskutieren, Meinungen auszutauschen.
Klaus Töpfer drängt die Jugend
Mit dabei der frühere Bundesumweltminister Prof. Klaus Töpfer, der Jahre für die Unesco in Kenia gearbeitet hat, ein Mann, der nie gescheut hat, seine Meinung zu sagen. Doch wenn man ehrlich ist, viel erreicht hat er damals nicht. Der eloquente Politiker stand oft genug ziemlich allein auf weiter Flur, wenn er die Risiken des Klimawandels ansprach. Dabei ist Töpfer kein Untergangsprediger, der stets nur warnt und mahnt, weil er das Leben kennt und schätzt. Er war dabei, als der Weltklimagipfel ins Rio stattfand und sich Regeln gab für eine bessere Umwelt. Heute, Jahrzehnte später, ist vieles erreicht worden, vieles aber auch nicht. Töpfer drängt die Jugend, sie möge nicht nachlassen in ihren Forderungen, die Umwelt zu verbessern, die Politik unter Druck zu setzen, damit beschlossen wird, was nötig ist, damit nicht noch mehr kaputt geht, damit es besser wird, die Luft , das Wasser und der Boden sauberer werden.
Umweltpolitik, weiß der kluge Professor aus seiner Erfahrung in Afrika, ist Friedenspolitik. Der Westen ist als ehemalige Kolonialmacht verpflichtet, den Afrikanern zu helfen. Lange genug haben die Briten, Franzosen, Portugiesen und wie sie alle heißen, die Länder ausgebeutet. Und wir wissen aus der jüngeren Entwicklung, dass die Menschen nicht nur in Afrika dem Elend zu Hause entfliehen und an Europas Türen klopfen, wenn es uns nicht gelingt, dass das Leben in Afrika menschenwürdig wird, dass sie einen Job haben, von dem sie leben können. Sie brauchen eine Perspektive.
800000 Tonnen Styropor
Mit dabei der Ministerialdirgent im Bundesumweltministerium, Dr. Helge Wendenburg. Dann der Präsident des Naturschutzbundes, Olaf Tschimpke und für den IKEA-Konzern deren Nachhaltigheitsmanagerin, Pia Heidenmark Cook.
An der Wand des Foyers, in dem das Treffen beginnt und endet, wird der Zuschauer auf die Zeile gestoßen: 800000 Tonnen Styropor weniger im Jahr. Und man erfährt den Grund für diese Umweltentlastung: Weil IKEA alles in flachen Paketen mit Papier verpackt, ohne Styropor. Ein Stoff, der weltweit die Umwelt belastet, weil er schwer recycelbar ist, weil er millionenfach weggeworfen wird und umweltschädlich ist. So leicht kann ein Schritt in eine bessere Umwelt sein. Aber es ist nur ein Schritt.
Nachhaltiger leben, bewusster leben, essen, einkaufen, in Urlaub fahren, heizen. Rücksicht nehmen, schließt das ein, weil wir nicht allein sind auf dieser Welt. Der frühere Bundespräsident Johannes Rau hat in einem anderen Zusammenhang des öfteren den schönen Spruch gesagt: Einander achten und aufeinander achten. Irgendwie passt das auch zum Thema Umwelt. Es ist eine Welt, in der wir leben, sie gehört uns allen.
Nicht nur auf die Politik schimpfen
Der Einzelne: Nicht immer nur auf die Politik schimpfen, sondern selber machen und verzichten. Das Vorbild ist gefragt, der Politiker, der Unternehmer, aber auch eben der Einzelne, jeder Bürger muss sich fragen, wie er leben will, ob er das, was er gerade in seinen Einkaufswagen wirft, auch wirklich braucht und ob das Produkt nicht umweltschädlich ist. Letzteres setzt natürlich Transparenz voraus, heißt, es muss aus dem Etikett auf der Ware hervorgehen, was drin steckt und was es auslösen kann.
Verantwortung. Jeder Einzelne trägt sie, nicht nur in seinem Dorf, in seiner Stadt, sie gilt im Land und darüber hinaus, für ganz Europa, ja für die Welt. Umweltschutz darf nicht an Grenzen halt machen, Flüsse halten sich nicht an Grenzen, die Luft auch nicht. Es war damals gut, alte Kühlschränke wegen ihrer FCKW-Verkleidung aus dem Verkehr zu ziehen und das Material überhaupt zu verbieten, aber das schloss natürlich ein, die alten Kühlschränke eben nicht in Länder der dritten Welt zu verhökern oder nach Rumänien.
Ökologie schafft Arbeitsplätze
Der Unternehmer: Wer langfristig denkt und arbeitet, hat den Erfolg. Umweltschutz braucht einen langen Atem, kurzfristig kann das teurer sein, aber auf lange Sicht lohnt sich das. Umweltbewusst bauen. Olaf Tschimpke vom Naturschutzbund kann nicht verstehen, dass wir in Deutschland so viele ungenutzte Dächer haben, warum sind da keine Solaranlagen drauf oder moderne Windkraftanlagen? Das ist nicht mehr so teuer. Ökologie und Ökonomie dürfen sich nicht als Gegensätze verstehen. Heißt auch: Ökologie schafft Jobs und vernichtet sie nicht.
Energie: Der Streit um die mögliche Abschaltung von Kohlekraftwerken hat auch den Hintergrund: Es ist richtig, dass wir in Deutschland zuviel Energie produzieren, die dann verkauft wird an Belgien, Frankreich und die Niederlande. Wenn wir aber Kohlekraftwerke abschalten, springen die schmutzigen polnischen Kohlekraftwerke ein und leiten den Strom durch Richtung Frankreich, Belgien und die Niederlande. Gewonnen ist dadurch nichts.
Schluss mit der Wegwerfgesellschaft
Elektro-Auto: Im Augenblick können sich das nur Super-Reiche leisten. Es braucht Anstösse, auch der Politik. Die Post geht mit gutem Beispiel voran. Zusammen mit der TH in Aachen hat sie Elektro-Lieferwagen entwickelt, die jetzt in Serien gehen. Anderes Beispiel: Norwegen will am liebsten gleich auf E-Autos umstellen. Aber dann muss Oslo feststellen, dass es kaum Lade-Stationen gibt. Die Infrastruktur muss also geschaffen werden, wenn Reformen erfolgreich sein sollen. Der öffentliche Nahverkehr muss besser werden, auf dem Lande lebt es sich ohne eigenes Auto nicht so leicht wie in einer Großstadt wie Berlin, wo man mit U-,S-Bahn, Tram und Bussen fast alles problemlos und ziemlich schnell erreicht. Und wem das nicht genügt, der verabredet sich mit Freunden und mietet sich kurzfristig ein Auto. Kurze Anmerkung aus der Experten-Runde: Das eigene, neue Auto gehöre vielfach der älteren Gesellschaft, die Jüngeren seien längst umgestiegen auf andere Transportmöglichkeiten, zu denen auch das Fahrrad zählt.
Es muss Schluß sein mit der Wegwerfgesellschaft. Das setzt auch voraus, dass Unternehmen Waren, die beschädigt werden, wieder reparieren, Waren, die kaputt gehen, wieder zurücknehmen müssen. Dazu gehört auch der künftige Umgang mit dem Smartphone, das auch in der Zukunft langlebiger werden muss. Nur we�il eine Batterie am Ende ist, darf das nicht das Ende des teuren Smartphone sein. Konzern müssen hier umdenken. Erwähnt wurden u.a. Apple und Samsung.
Fazit ist der Slogan: To go Green heißt going to Gold.