Ein Shitstorm tobt gegenwärtig im Netz. Reaktion auf die Verleihung eines Preises für Zivilcourage an eine Schülerin in Dresden. Der Preis wird gemeinsam von der Jüdischen Gemeinde Berlin und vom Förderverein „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ verliehen.
Die 15jährige Schülerin erhielt den Preis dafür, dass sie sich in ihrer Klasse gegen antisemitische und volksverhetzende Äußerungen von Mitschülern gewandt und schließlich den Rädelsführer bei der Polizei angezeigt. Sie war zuvor wegen ihrer Haltung gegen den wachsenden Rechtsextremismus in ihrer Klasse bedroht und beschimpft worden. Die Schulleitung zeigte sich unfähig, die Hinweise der Schülerin angemessen aufzunehmen und darüber im Unterricht aufzuklären, oder zusätzlich zu Elternabenden einzuladen, um über diese Entwicklung zu informieren und über Abhilfe nachzudenken.
Wie es aussieht, ist allein schon die Annahme des Preises ein Beweis des Mutes der Schülerin, wenn man die Reaktionen darauf ansieht. Denn ihre Anzeige gegen den Rädelsführer der Nazisprüche wird im Netz überwiegend als Denunziation verurteilt, und vielfach wird dabei die Äußerung zitiert „der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“, die Hoffmann von Fallersleben zugeschrieben wird. So als ob die jüngere deutsche Geschichte, der Unrechtsstaat der Nazis und der Terror gegen Juden und Sinti und Roma zwar bedauerlich sei, aber doch die mangelnde Erinnerung daran, und ihre denkbare Wiederholung nicht weiter zu beachten seien. Ím Übrigen stehen Volksverhetzung und das Zeigen von Nazisymbolen unter Strafe.
Gleichzeitig zeigen die Kommentare im Netz eine derartige Brutalität, die ein Maß an Geschichtslosigkeit aufzeigen, die jede Kenntnis über den Terrorstaat der Nazis vermissen lässt. Das Entsetzen, das die Schülerin in Dresden darüber empfand und das von ihre Eltern mit Verständnis wahrgenommen wird, scheint in anderen Familien offenbar keine Rolle zu spielen. Hier dürfte Erwachsenbildung mindestens so wichtig zu sein, wie die Tatsache, dass niemand als Nazi geboren wird, er wird dazu von der Erwachsenenwelt gemacht.
Es gibt einige hundert Schulen in Deutschland, die als „Schule ohne Rassismus“ ausgezeichnet wurden. Dazu gehört die Bereitschaft, den Schulalltag so einzurichten, Respekt und Vielfalt als selbstverständlich zu akzeptieren, und demokratische Spielregeln einzuhalten, die für alle gelten. Dazu bedarf es allerdings eines Lehrerkollegiums, das antisemitische Parolen und menscheinfeindliche Äußerungen nicht überhört, sondern sich einmischt und bereit ist, den Anfängen zu wehren. Nicht wegducken ist Gebot der Stunde, sondern Ermutigung hinzusehen.
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