Die Berliner Sicherheitskonferenz (BSC) ist eine der größten Veranstaltungen zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa. Sie findet jährlich im Herbst in Berlin statt, organisiert von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH in Bonn. Dies geschieht im Auftrag vom Behördenspiegel, einer monatlich erscheinenden, überregionalen Zeitung für den Öffentlichen Dienst in Deutschland.
Im offiziellen Thema kann das Wort “deterring” je nach Kontext ganz unterschiedliche Bedeutungen annehmen. Auf der BSC ging es vor allem militär-technisch im konventionellen Bereich darum: „Bedrohungen für Freiheit und Demokratie abzuwehren“. Hingegen betraf “deterring” diplomatisch vorsichtig nur andeutungsweise die nukleare Abschreckung, im Sinne von Szenarien einer Eskalationsvermeidung.
Zum Selbstverständnis der BSC:
„Als unabhängige Veranstaltung ohne Regierungseinfluss und öffentliche Unterstützung ermöglicht sie eine neutrale und objektive Diskussion.
Mit über 140 angesehenen Rednern aus politischen, militärischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bereichen zieht die Konferenz Teilnehmer aus Europa, NATO-Ländern und darüber hinaus an. Neben hochrangigen Vertretern sind auch Mitglieder nationaler Parlamente und des Europäischen Parlaments sowie Repräsentanten der EU und der NATO vertreten.“
Wirtschaftlich finanziert sich die BSC weitgehend durch das Interesse von Rüstungsfirmen und sonstigen Anbietern, insbesondere Institutionen im Bereich Forschung, Entwicklung und Beratung. Über zweihundert Aussteller präsentierten ein breites Spektrum von Innovationen. Auffallend waren die vielen Angebote zur Kompatibilität von Waffensystemen. Das galt insbesondere für eine digital moderne und möglichst sichere Kommunikation. Eine laufend stärker beachtete Herausforderung ist dies im Bereich der Koordination von – mehr oder weniger eng – miteinander verbundenen Staaten. Auf früheren BSC bis etwa 2014 war zwar immer wieder engere Kooperation gefordert worden, damals vor allem als kostensparendes Ziel. Mit wenig Erfolg! Inzwischen gehen längst Erfahrungen aus dem Krieg in der Ukraine stark in die Rüstungsplanung ein.
Und längst wird die Teilnahme russischer Experten vermieden. Logisch, jetzt fehlte, was ich vor wenigen Jahren noch als VBM (Vertrauensbildende Maßnahmen) begrüßt hatte: Nämlich eine gewisse Einbeziehung von Experten aus Russland und mit Russland verbündeten Staaten, die an heißen Diskussionen teilnahmen. Bei etlichen Eskalationsstufen kann es wertvoll sein, wenn „Gegner“ ein gemeinsames Verständnis und ein gewisses Vertrauen zueinander im Bereich von gemeinsam unerwünschten Eskalationen haben! Das zeigt deutlich zum Beispiel das 2024 erschienene Buch von Annie Jacobsen: „72 Minuten bis zur Vernichtung“.
Beim aktuell krassen Tiefpunkt von Vertrauen Ost/West in Europa wurden nun auf der BSC geheime Details, so mein Eindruck, merklich strikter vermieden als noch vor wenigen Jahren,. Teils wurde ich im Gespräch mit Ausstellern direkt um Verständnis dafür gebeten. Zugleich möchte ich betonen, dass die BSC nach wie vor wertvoll war. Vor allem bleibt sie eine Hilfe für eine im Sinne der Demokratie notwendige rüstungspolitische Diskussion. Das gilt aktuell verstärkt über Staatsgrenzen hinweg. Es gilt zur Veranschaulichung innovativer Entwicklungen. Solche Aspekte waren vor der Konferenz als anzustrebende Ziele betont worden. So von Reinhard Wolski, einem Chairman der BSC, einem Soldat mit der Erfahrung von 2.500 Flugstunden in Kampfhubschraubern, und breitem Einfluss auf moderne Ausbildung in der Bundeswehr.
Estland war 2024 das Partnerland für die BSC. Marika Linntam, Botschafterin von Estland in Deutschland, wählte für ihren Beitrag das Thema: „Unity is our best currency“. Als ein kleines Land mit einer Grenze zu Russland hat die Mitgliedschaft in der NATO für Estland seit 20 Jahren eine besondere Bedeutung. Ganz entsprechend nannte sie als unverzichtbare, konsequent gemeinsam anzugehende Ziele eine robust gefestigte Sicherheit und eine Struktur, welche gut vorbereitete gemeinsame Antworten auf jegliche (!) Angriffe vorsieht. Sie akzentuierte, dass Cyber Kriegführung und generell hybride Kriegführung einzelne Staaten überfordern und gemeinsame Aktionen unverzichtbar sind.
Genau dieses war dann Thema im „Panel 3: „Capabilities for Cyberspace and Information Technology Forces“. Es war am Dienstag das Panel mit den meisten Interessenten. Die fünf Experten auf der Bühne kamen aus Deutschland, Estland, Norwegen, Polen und Schweden. Längst geht es nicht nur um Kriegführung, sondern um hybride Erweiterung im zivilen Bereich und zivil-militärische Koordination. Es geschieht laufend auch ohne militärische Aktionen, so mit wirtschaftlichem Druck, so bei Computerangriffen bis hin zu Propaganda in den Medien und sozialen Netzwerken. Ziel der Angreifer ist es, nicht nur Schaden anzurichten, sondern insbesondere demokratische Gesellschaften zu destabilisieren und die öffentliche Meinung zu beeinflussen – bis hin zu Wahlkämpfen. Die Verschleierungstaktik bei der hybriden Kriegführung geht über Grenzen hinweg. Die kriminellen Täter sind anonym. Moderne Formen von Staatsterrorismus gehen weit über Aktionen privater Terroristen hinaus, wobei Formen der Kooperation besonders effektiv schädlich sein können.
Zur Abwehr sind Koordination und wechselseitige Hilfe der Opfer essentiell. Sonst gibt es Chaos. Dazu hieß es im Panel 3: „Schweigen kann schädlicher sein, als neue Angriffe mit neuen Daten“, und „jeder neue Angriff eröffnet eine Option, neue Erfahrungen zumachen“. Ein sich laufend festigendes Vertrauen innerhalb von EU und NATO kann am besten durch gemeinsame erfolgreiche Aktionen aufgebaut werden.
Schwierig und ohne klare, einfache Lösungen zur Abwehr sind Drohungen wie durch Putin mit Atomwaffen. Sich erpressen lassen wäre gefährlich. Diplomatisch ruhig reagieren ist besser. Sicherheit bei Atomwaffen gelingt durch professionelle Vermeidung sowohl von „gebrochenen Pfeilen“ (Unfällen), als auch von unbeabsichtigtem militärischem Einsatz. Beides ist seit Jahrzehnten erstaunlich erfolgreich, vor allem durch das Engagement von militärtechnischen Experten in sämtlichen Staaten, die über Atomwaffen verfügen. Wegen enormen technischen „Fortschritten“ muss dieses global gemeinsame Sicherheits-System jedoch mit viel Sachkunde laufend neu justiert werden. Dafür konnten früher offene Konferenzen, wie damals auch die BSC, für ein gewisses Minimum von VBM, grundlegend sein. Nach wie vor gibt es solche Treffen, etwa die „Pugwash Meetings“ von Experten, welche über Jahrzehnte politische Sicherheits-Vereinbarungen zu Atomwaffen vorbereiten konnten.
Solche Erfolge sind nur mit einem grundlegenden Vertrauen möglich. Solches Vertrauen ist wegen ausufernder Gewalt in Gebieten wie Ukraine und Nahost politisch auf einem Tiefpunkt, in einer diplomatischen Sackgasse. So konnte es kein Schwerpunkt auf der BSC sein. Noch dazu bleibt zu beachten: Vor allem psychiatrisch kranke Politiker sind immer gefährlich. So sagte Kissinger über Nixon, er sei besonders gefährlich, wenn er sich in die Enge getrieben fühlte, wenn er meinte, seine Optionen würden plötzlich stark eingeschränkt.
Auf der BSC gab es Experten, für die eine militärtechnische Vermeidung politisch ungewollter Eskalation im Beruf immer eine zentrale Frage war. Nicht zuletzt wegen diesem Hintergrundblieb die Frage, ob Deutschland TAURUS an die Ukraine liefern soll, umstritten. Dies geschah, so mein Eindruck, lebhafter bei den Imbiss-Pausen als in den Vorträgen. Es geschah nochmal innerlich bei einzelnen Experten, die sich Sorgen machen. Ich erinnere Hermann Kahn, der in Bonn vor Jahrzehnten einen Vortrag über den Umgang mit Atomwaffen hielt. Dabei fragte er die Zuhörer, ob die USA gewisses technisches Knowhow wie man Unfälle mit Atomwaffen vermeidet, an Russland geben solle – oder besser nicht. Es gab wilde Vermutungen, heiße teils wirre Diskussionen. Schließlich wurde „Herman on Hudson“ gefragt, was er denn nun empfiehlt. Seine Antwort, „Am Montag, Mittwoch und Freitag meine ich, Info an Russland geben“, an den anderen Tagen: „Besser nicht“.
Auf der Ausstellung der BSC sprach ich lange mit einem Offizier aus der Ukraine, der mir, sehr bewegt, berichtete, wie er im Kampf viele Kameraden verloren hatte, „weil wir das verdammte Ding (TAURUS) nicht hatten und somit einsetzen konnten“. Ich, versuchte, auch für ihn erkennbar unsicher, zu erklären, wie eine deutsche Lieferung von TAURUS, insbesondere mit einer Reichweite bis über Moskau hinaus, zu Eskalationen führen könnte. Ich meine das kann bis hin zu russischen Demonstrationen mit Explosionen von Atomwaffen geschehen. In Moskau ist ja die Erinnerung an den II. Weltkrieg immer emotional aufwühlbar. Sie ist dort politisch durchaus mit einer Art „NIE WIEDER“ versehen. Das ist etwas aus Traumata heraus wirkendes, das wir nach dem Holocaust, zusammen mit den überlebenden Juden, in ähnlicher Form – womöglich mehr unbewusst als bewusst – als einen abrufbaren Beweggrund kennen.
Im nächsten Moment war ich nahe bei auf dem Stand für TAURUS und ließ mich fotografieren. Geradezu so, als müsste ich die Waffe mitnehmen, um mich entscheiden zu können. Dabei ist „eigentlich klar“, schon morgen, in politisch neuer Situation, kann die Entscheidung ein „Update“ brauchen.
Es ist ja nicht falsch, aber kann es richtig sein, wenn Dr. Hans C. Atzpodien vom Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) e.V. auf der BSC betonte: „Security cannot be ascertained without sacrifices“? Nur er wusste womöglich, was er damit meinte. Klar ist, ohne finanzielle und andere Investitionen (etwa Anstrengung bei der Ausbildung) können wir einer Sicherheit nicht näher kommen. Aber das Wörterbuch nennt für „ascertain“ eine enorme Bandbreite von Verben, wie: „sich vergewissern, ermitteln, feststellen, bestimmen, erkunden, herausfinden, einwandfrei feststellen, feststellen, festlegen, nachprüfen usw.“ Allein ein Wort wie ascertain könnte, allein in Deutschland, mehr noch bei den vielen Ländern in EU und NATO, zu beachtlichen politischen Missverständnissen und schwer auflösbarem Streit führen. Und wenn Atzpodien uns über seine Sichweise der Risiken aufklären würde – auch er wüsste, dass er selbst vielleicht schon jeweils nach wenigen Monaten, ein Update bräuchte.
Ein sachlich klar um Aufklärung bemühtes Forum wie BSC kann existenziell hilfreich sein – auch für ganz andere Foren, sei es in Bandbreiten wie von Kriegstüchtigkeit bis Pazifismus, von Betriebs- bis Volkswirtschaft, von Historikern bis zu Zukunftsforschern.
23.11.2024 FREIHEIT UND DEMOKRATIE
Nie wieder Krieg, das hatten sich viele Deutsche geschworen. Was daraus geworden ist, zeigt sich im Bild mit einem in Deutschland gefertigten Marschflugköper TAURUS und einer danebenstehenden deutschen Person. Nun kann man dies so oder so bewerten, es ist jedoch generell mehr als traurig.
Gerade für Deutschland sind die Bündnisse NATO, … zwischenzeitlich mehr als fraglich. Deutschland wird damit nahezu automatisch, immer wieder unter Anleitung der USA, in Kriegssituationen hineingezogen, wo es normalerweise nichts zu suchen hat! Die Folgen werden immer Schlimmer, da jegliche Ziele und damit ein Ende der enormen Aufrüstung fehlen. Das betrifft die Kriege in der Ukraine und in Israel. Was gegenwärtig und absehbar auch zukünftig geschieht darf von der friedliebenden Öffentlichkeit nicht mehr hingenommen werden. Allein Petitionen, Demonstrationen reichen hier nicht mehr aus! Die wahnsinnigen, kriegstreibenden, machbesessenen Regierungen des Westens müssen beseitigt und ersetzt werden durch Demokraten, die mit VERNUNFT regieren!