Die ganze Wohnung stank nach Farbe.Wegen Herrn Peppinhege.Herr Peppinhege war Hausmeister an der Ostschule in Essen- Kray, und Mami wusste, daß er sich gerne was dazu verdiente, so auf die Hand. Und so hatte Herr Peppinhege tagsüber irgendwie alle Möbel irgendwohin geschoben und die freigewordenen Flächen lackiert und gestrichen, in unserer kleinen Wohnung am Bocklerbaum 7 in Essen-Kray- Süd, direkt neben dem Bahnhof, der auch Bahnhof Essen-Kray- Süd hieß, mit der Bahnhofsgaststätte Pörtgen, die vom Sohn eines ehemaligen Gelsenkirchener Meisterspielers geführt wurde und in dem Herr Hill, ein kleiner Mann in einer gewichtigen Uniform, jeden Morgen meine Fahrkarte sehen wollte, wenn ich von Essen- Kray- Süd nach Essen Hauptbahnhof fuhr, um mich der Tortur des Humboldt- Gymnasiums zu stellen – Tag für Tag.
Also an jenem 22. November 1963 stank die ganze Wohnung nach Farbe, wir saßen alle in der kleinen Küche, wie als wären wir vertrieben. Papi war zurück vom „Kotten“, wie er seine Arbeit im Büro immer nannte, Tante Gertrud von nebenan, die wie Familie war, hatte uns – mangels Herdnutzung – einen Topf Bohnensuppe gemacht, die Mami im Henkelmann verwahrt und warm gehalten hatte, und die wir mit Genuss aßen. Denn Mami war eher so der Typ für Reis mit geschnetzeltem Huhn oder „Rampstiecks“, wie sie sie bei Metzger Hülst immer kaufte. (Als einzige in Essen- Kray- Süd, sonst war eher Kotelett oder Bauchspeck gefragt.) Der neue Fernseher war ausgestöpselt, also hörten wir Radio beim Essen. Und wir hörten die Nachrichten um 8 Uhr abends: Präsident Kennedy erschossen! Ich hatte Mami vorher niemals weinen sehen, selbst beim Tod ihres Vaters sechs Jahre zuvor nicht. Jetzt aber weinte sie, und ich auch. Ich war elf und kannte diesen jungen, smarten Mann mit seiner schönen Frau, der 5 Monate zuvor im Triumphzug durch die Republik gefahren war. Der schien mir so anders als die Hauer meiner Kindheit, ob Aden- Hauer, Ollen- Hauer, Eisen- Hauer. Das war Sex und Schönheit in der Politik.
Heute, fast sechzig Jahre später, ist mir klar, daß er der Initiator eines der furchtbarsten Kriege war, des Vietnam- Kriegs. Noch drei Wochen vor seinem Tod hatte er den vietnamesischen Präsidenten Diem in einer CIA- Aktion ermorden lassen (wobei das ein furchtbarer Diktator war, was allerdings nicht der Hauptgrund war) Und hätte JFK bis 1969 weiter als Präsident agieren können, wäre Lyndon Johnson das Schicksal erspart geblieben, als blutrünstigster Präsident der Vereinigten Staaten in den Geschichtsbüchern zu stehen. So makaber das klingt, manchmal ist es für die Historie besser, als Ikone jung zu sterben….
Bildquelle: © Copyright Ian Taylor, CC BY-SA 2.0