Diese unvorstellbar große Zahl verdeckt für viele den Blick darauf, dass sich 120 Millionen Einzelschicksale dahinter verbergen. In unserer öffentlichen Diskussion kommt die Stärke, der Mut, die Entschlossenheit und die Kraft dieser Menschen viel zu selten vor. Wer mit Flüchtlingen oder Binnenvertriebenen spricht, spürt welche enorme Herausforderung diese Menschen für sich und oft auch für ihre Familien auf sich nehmen, um Schutz und Sicherheit zu finden. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hat diese Menschen mit seinen weltweiten, lebensrettenden Missionen im Blick, hilft ihnen sicher und lässt dabei nie außer Acht, dass der Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention eingehalten wird. Als ich vergangenes Jahr im Flüchtlingscamp Kakuma im Norden Kenias, eines der größten Flüchtlingscamps der Welt, mit einer jungen Frau sprach, die sich und ihre Familie in Sicherheit gebracht hatte sagte sie mir „Wir bekommen hier 60 Prozent der Kalorien, die ein Mensch jeden Tag braucht. Zu viel zum Sterben, zu wenig zum Leben.“ In dieser kurzen Feststellung wird schlagartig klar, dass die weltweite finanzielle Unterstützung für den UNHCR noch viel zu gering ist.
Für die deutschen Medien ist klar, dass die Ukraine oder Syrien zwei Konflikte sind, die zu der unvorstellbaren Zahl der Vertriebenen entscheidend beitragen. Zudem schätzt aktuell auch das palästinensische Hilfswerk der Vereinten Nationen (UNWRA), dass bis Ende letzten Jahres bis zu 1,7 Mio. Menschen im Gaza-Streifen gewaltsam vertrieben wurden.
Aber es ist auch wichtig zu wissen, dass auch in anderen Krisenherden der Welt Menschen zur Flucht gezwungen werden. So wurden bis Ende letzten Jahres etwa 10, 8 Millionen durch den Konflikt im Sudan gezählt. Vom Jemen, der DR Kongo, Venezuela oder Myanmar lesen und hören wir kaum etwas. Auch dort sind Millionen Menschen vertrieben.
Es sind die Staaten und ihre freiwilligen Beiträge, die die Arbeit des Flüchtlingshilfswerks unterstützen. Deutschland ist nach den USA als zweitgrößter Geber des UNHCR ein wichtiger Partner. Die UNO-Flüchtlingshilfe mobilisiert zusätzlich die Zivilgesellschaft und Unternehmen in Deutschland um die Arbeit des UNHCR zu fördern.
So wird deutlich, wie sehr die Zivilgesellschaft zusätzlich dazu beiträgt, dass Schutz und Sicherheit keine leeren Versprechen bleiben. In Deutschland kümmern sich viele Initiativen um hier ankommende Geflüchtete. Die UNO-Flüchtlingshilfe unterstützt sie finanziell bei der Rechtsberatung, der Gesundheitsvorsorge oder der Integrationsarbeit. Trotzdem macht vielen Initiativen und der UNO-Flüchtlingshilfe die Schieflage der aktuellen öffentliche Debatte über Flucht und Migration große Sorgen. Die Initiativen berichten, dass es immer schwieriger wird, Ehrenamtliche zu finden und die weitere finanzielle Absicherung dieser Arbeit zu gewährleisten.
Deshalb ist es gerade jetzt wichtig, dass in der Öffentlichkeit die Arbeit des UNHCR und der UNO-Flüchtlingshilfe unterstützt wird. Die aktuelle Schirmfrau der UNO-Flüchtlingshilfe Bärbel Bas und ihre Vorgänger*innen Rita Süssmuth, Norbert Lammert und Wolfgang Thierse sowie Matthias Brandt, Annette Frier, Sebastian Koch, Adnan Maral, Valerie Niehaus, Kirill Petrenko, Gesine Schwan und Natalia Wörner sind die Ersten einer Reihe von prominenten Persönlichkeiten aus Politik, Kunst, Kultur und Gesellschaft die mit der Aktion „hilftsicher“ mit Gesicht und Stimme auffordern, die 120 Millionen Menschen auf der Flucht nicht zu vergessen.
Danke für Deine Hinweise, Peter. Man muss es deutlich aussprechen: Die meisten Menschen, die wegen Krieg, Naturkatastrophen, Repressionen, den Verlust von Lebensperspektiven etc. fliehen, sind Binnenflüchtlinge – insgesamt 75,9 Millionen. Ein paar Zahlen ergänzend zu Deinen: Afrikanische Sub-Sahara – 34,8 Mio., vor allem im Sudan und der Demokratischen Republik Kongo; Syrien – 7,2 Mio.; Yemen – 4,5 Mio.; Gaza – 1,7 Mio.; Irak – 1,1 Mio. Menschen, über die man in Deutschland/ Europa nicht redet, wo man stattdessen Mauern und Grenzzäune errichtet. Nicht zu vergessen: Viele der Fluchtgründe auf der Welt haben ihre Ursache in unserer Wirtschaftsweise, in Waffenexporten und in einer Außenpolitik, die interessen-, nicht werteorientiert ist und die – im Gegensatz zur Politik Willy Brandts – längst aufgegeben hat, „friedenstüchtig“ zu sein.