„Ihr seid nicht allein“ titelte der Kölner Stadt-Anzeiger nach der Trauerfeier im Kölner Dom vom 17.4. 2015 keine 4 Wochen nach der tragischen Katastrophe, bei der 149 unschuldige Menschen in den Tod gerissen wurden. Die nach dem Absturz von Flug Germanwings U9525 ausgelöste Welle von Trauer und Mitgefühl war überwältigend. Teilnehmer des Staatsaktes waren u.a. Bundespräsident Gauck, Kanzlerin Angela Merkel, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Bundestagspräsident Lammert, Bundesratspräsident Bouffier und Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts.
Keine 2 Jahre später sind die Angehörigen mit ihrem Leid und den Problemen des Alltags nahezu allein. Die Lufthansa ist mit einer ausgefeilten Doppelstrategie des öffentlichen Trauermarketings und einer knallharten Haltung gegenüber den Angehörigen der Opfer bisher glatt durchgekommen. In wenigen Wochen sind die Ansprüche der ca. 600 Betroffenen verjährt und die Lufthansa wird dieses Kapitel zu den Akten legen.
Mittlerweile haben die Lufthansa-Anwälte und die „Ethik“ der Versicherung und der Großinvestoren die Oberhand gewonnen. Dabei geht es den Angehörigen nicht vordergründig um Geld, sondern um Respekt und Verantwortung. Das hat die Lufthansa bisher völlig falsch eingeschätzt.
Dabei wird die Katastrophe Lufthansa am Ende kaum nennenswert Geld gekostet haben. Statt der ursprünglichen Befürchtung, die Angehörigen mit einem dreistelligen Millionenbetrag entschädigen zu müssen, wird – so ein Insider der Lufthansa – am Ende noch nicht einmal die Versicherungssumme voll ausgeschöpft werden.
Öffentlich punktet Lufthansa damit, dass für ein für viele Angehörige überdimensioniertes Denkmal am Absturzort in den französischen Alpen bei Le Vernet errichtet wird. Dabei wurden keinen Kosten gescheut. Ca. 700.000 EURO gab Lufthansa allein für die bei der Ausschreibung beteiligten 40 Künstler und den Siegerentwurf aus. Trauermarketing, um der Öffentlichkeit zu beweisen, dass man noch zu den berührenden Worten des Lufthansa-Chefs kurz nach dem Unglück steht.
Da versicherten Carsten Spohr und Germanwings-Geschäftsführer Thomas Winkelmann unter dem unmittelbaren Eindruck der furchtbaren Tragödie noch am Unglückstag den in Düsseldorf versammelten Angehörigen ihre Trauer und ihr tiefes Mitgefühl. Zugleich versprachen sie schnelle Aufklärung und unbürokratische Hilfe.
Carsten Spohr sagte noch kurz danach zu den Angehörigen: „Unser Versprechen steht, wir werden ihnen beistehen und helfen. Das ist nicht nur unsere Pflicht, es ist uns allen ein tiefes Bedürfnis.“
2015 entpuppte sich dann angesichts der Katastrophe trotzdem zum erfolgreichsten Jahr von Lufthansa seit langer Zeit, zumindest wirtschaftlich gesehen. Nicht zuletzt bekam der Lufthansa-Vorstand für 2015 fette Boni und Aktienpakete zum Sonderpreis! 230 Millionen EURO konnten an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Der Börsenwert stieg auf unerwartete 6,7 Milliarden EURO. Das ist gegenüber 2011 ein Anstieg um satte 50 %. Auch 2016 war Lufthansa in der Erfolgsspur. Nichts umsonst titelte Börse-Online vor wenigen Tagen: „Lufthansa-Aktie hebt ab“. Die Erfolge Spohrs bei den Pilotentarifen und die nahende Verjährung der Ansprüche aus dem Germanwings-Unglück bringen vor allem die institutionellen Anleger ins Schwärmen. Der Börsenwert kletterte längst wieder auf einen höheren Wert als vor dem Unglück. Auch 2017 verspricht für die Lufthansa und ihren Vorstand wieder golden zu werden.
Vor diesem Hintergrund ist schwierig zu erklären, warum man bei der Entschädigung und beim Schmerzensgeld für die Opfer einen restriktiven Kurs fährt und auf Zeit spielt. Statt eine angemessene und zügige Abwicklung der Ansprüche zu ermöglichen verweist Lufthansa immer wieder auf das jeweilige nationale Recht, nach dem die Entschädigung der Opfer vorgenommen wird. In Deutschland bedeutet das in der Regel, dass Angehörige mit nahezu lächerlichen Summen abgespeist werden. So wird z.B. der Verlust der Ehefrau mit einer Zahlung von 10.000 EURO Schmerzensgeld „erledigt“. Das entspricht noch nicht einmal dem, was in den USA ein Käufer eines VWs mit Betrugssoftware als Entschädigung erhalten kann. In einem anderen Fall erhält der langjährige Lebenspartner eines der Opfer überhaupt keine Entschädigung oder Schmerzensgeld. Es fehlen halt Heiratsurkunde und Testament. So einfach ist das für die Lufthansa. Der Wert eines Lebens wird in Deutschland nicht hoch bemessen. Lufthansa weiß das zu nutzen. Im Ausland sind deutlich höhere Entschädigungs- und Schmerzensgeldleistungen Standard. In Spanien wurde so zum Beispiel der Vater eines der Opfer, auch wenn er seit Jahren in keinerlei nennenswerten Beziehung zum Opfer stand, dennoch mit ca. 130.000 Euro entschädigt. Dem 13fachen dessen, was der Ehemann erhielt. Spanisches Recht eben. So ergeht es vielen Familien der Opfer. Fassungslos macht auch, dass viele Folgelasten auf die Allgemeinheit abgeschoben werden. Das Opferentschädigungsgesetz macht es möglich. Nicht die Lufthansa muss hier Verantwortung übernehmen sondern die Allgemeinheit. Das gilt ebenfalls für die gesundheitlichen Folgen. Wer Hilfe braucht, sei es ärztlich, psychotherapeutisch oder sozial wird auf unser Sozial- und Gesundheitssystem verwiesen. Lufthansa „vergesellschaftet“ die Katastrophe von U9525. Und das ohne spürbare Gegenwehr von Politik und Medien.
Dieser unnachgiebige Kurs von Lufthansa gegenüber den Angehörigen hat auch darin seinen Grund, dass über 50 % der Anteilseigner institutionelle Anleger sind. Da ist kein Platz für die noch kurz nach dem Unglück vollmundig angekündigte Verantwortung für den Schmerz, das Leid und die Folgen dieser Katastrophe.
Bisher geht für die Lufthansa die Strategie auf. Am 24. März 2017 verjähren die Ansprüche der Angehörigen und die Aktie von Lufthansa ist daher seit Ende des letzten Jahres im Höhenflug.
Verhallt ist der Satz von Bundespräsident Gauck auf Trauerrede vom 17.4.: „Und wenn hier an dieser empfindlichen Stelle Vertrauen missbraucht wird, trifft uns das ins Mark“.
Die Horrortat (Fokus) vom 24. März 2015 entpuppt sich für die Hinterbliebenen zur unendlichen Horrorgeschichte. Aus psychologischer wie menschlicher Sicht wäre das einzig Richtige gewesen, den Hinterbliebenen Wertschätzung und Respekt zu erweisen und es den Angehörigen durch zügige Abwicklung der finanziellen Folgen zu ermöglichen, sich ausschließlich der Trauer um die verlorenen Angehörigen widmen zu können.
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Die Ausführungen bringen es knapp, aber deutlich formuliert auf den Punkt.
eine Betroffene
Dass der Lufthansa-Konzern , dessen Unternehmen täglich tausende Personen von A nach B befördert, bis heute jegliche Mitverantwortung für die für 149+1 getötete Menschen und rund 600 traumatisierte Hinterbliebene verhängnisvolle Personalauswahl und -kontrolle lapidar abstreiten kann und nach staatsanwaltschaftlicher Einschätzung auch darf, ist schlicht grotesk und widerspricht dem gesunden Menschenverstand.
Aus den FBI-Akten soll sich ergeben, dass der Co-Pilot Lubitz bei einigen Tests, die in der Flugschule durchgeführt wurden, zunächst durchgefallen ist. (1)
Ganz anders Herr Spohr in der Pressekonferenz vom 26.03.2015 (2 Tage nach dem Crash): „Er (gemeint ist Lubitz) hat in der Folge (gemeint ist seine krankheitsbedingte Auszeit während der Ausbildung) nicht nur alle medizinischen Tests bestanden, sondern auch alle fliegerischen Schulungen, alle fliegerischen Prüfungen und Checks bestanden. Er war 100 Prozent flugtauglich, ohne jegliche Einschränkungen, ohne jegliche Auflagen.“ (2) Man darf wohl davon ausgehen, dass der Lufthansa-Chef bestens informiert in die Pressekonferenz gegangen ist und die Öffentlichkeit bewusst belogen hat.
Auch der Abschlussbericht der französischen Behörde für Sicherheitsuntersuchungen in der zivilen Luftfahrt BEA sagt etwas ganz anderes. Darin ist die Rede von Vermerken in den Papieren des nach aktuellem Ermittlungsstand suizidalen Co-Piloten, die dem Unternehmen eine wirksame und nachhaltige Gesundheitskontrolle nahe gelegt haben müssen. (3)
Allein schon die Auffälligkeiten im Rahmen der Zulassung zur Pilotenausbildung bei der amerikanischen ATCA, einer Tochter des Lufthansa-Konzerns, hätten die Verantwortlichen aufmerksam und höchst skeptisch machen müssen.
Nach der Einstellung der Ermittlungen der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft folgt dann für den Konzern jedoch wohl nur noch: So what? Business as usual? Hauptsache die PR stimmt? Ich werde mir jedenfalls gut überlegen, mit wem ich in den Urlaub oder zum nächsten Geschäftstermin fliege. Sorry, Lufthansa-Konzern.
(1) (siehe z.B. Interview mit Rechtsanwalt Marc Moller unter http://www.n24.de/n24/Mediathek/videos/d/9067086/andreas-lubitz-fiel-bei-flugtest-durch.html oder Artikel unter http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-08/germanwings-katastrophe-andreas-lubitz-pilotenausbildung)
(2) (siehe http://www.spiegel.de/video/germanwings-absturz-carsten-spohr-pk-video-video-1565791.html)
(3) (siehe https://www.bea.aero/uploads/tx_elyextendttnews/BEA2015-0125.de-LR_04.pdf)
„Und wenn hier an dieser empfindlichen Stelle Vertrauen missbraucht wird, trifft uns das ins Mark“, Herr Spohr.
Ist den Verantwortlichen des Lufthansa-Konzerns und den hinter diesem stehenden Versicherungen eigentlich klar, das das Pochen auf nationales Recht in Deutschland in höchstem Maße als ungerecht empfunden wird? Es scheint, dass der Konzern Angst davor hat, dass Großzügigkeit und Verantwortungsbewusstsein als Schwäche oder sogar als Eingeständnis eines Mitverschuldens gewertet werden könnte. Es sind nur noch ein paar Tage Zeit, sich zu besinnen und Ihrem tiefen Bedürfnis nachzugeben, Herr Spohr.
Jetzt zeigt das Lufthansa-Management und der Aufsichtsrat sein wahres Gesicht. Großzügigkeit wäre die einzige Vorgehensweise gewesen, mit der sie wirklich etwas hätten tun können für die Angehörigen.
Dazu sind Sie moralisch schon deshalb verpflichtet, weil es eben kein Unglück, sondern eine von Ihrem Mitarbeiter vollzogene Tötungshandlung, also vorsätzlicher Mord war.
Wirtschaftlich könnte sich die Lufthansa großzügige Abfindungen durchaus leisten. Allein in 2015 und 2016 hat sie zusammen über 3Mrd. Euro Gewinn erzielt.
Zum Glück gibt es ja noch einige andere in Europa tätige Airlines, in deren Heimatländern Passagiere und Hinterbliebende deutlich besser abesichert sind. Da ich Familienvater bin und keine Lust habe mir vorzustellen wie meine Familie unter den viel zu schmal ausgebildeten Rechten womöglich einmal leiden könnte, werde ich deutsche Airlines, allen voran die Lufhansa zukünftig meiden.