Die Vereinten Nationen feiern ihr 70-jähriges Bestehen, doch wirklich feierlich wird einem bei diesem Anlass nicht zumute. Die Weltorganisation zeigt sich zu ihrem Jubiläum in denkbar schlechter Verfassung. Das trübt den Blick auf die historische Errungenschaft. Am 26. Juni 1945 unterzeichneten 50 Staaten in San Francisco die Charta der Vereinten Nationen. Auf die Ziele und Prinzipien der Charta verpflichten sich alle Mitgliedsstaaten. „Wir, die Völker der Vereinten Nationen – fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat,“ heißt es im ersten Satz, „haben beschlossen, in unserem Bemühen um die Erreichung dieser Ziele zusammenzuwirken.“
Nach zwei Weltkriegen und dem Scheitern des Völkerbundes stand die Verhinderung neuer Kriege im Vordergrund des Gründungsgedanken. Im ersten Kapitel der Charta sind als Ziele der weltumspannenden Zusammenarbeit genannt, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren, Streitigkeiten friedlich zu schlichten, auf Gewaltanwendung zu verzichten sowie die Gleichheit und Souveränität aller Staaten zu achten.
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Zugleich verpflichtet die Charta ihre Mitglieder zur Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ungeachtet der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder Religion eines Menschen sowie darauf, die internationale Zusammenarbeit zu fördern, um wirtschaftliche, soziale, kulturelle und humanitäre Probleme zu lösen.
Der Auftrag der Vereinten Nationen ist folglich allumfassend. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegen Welten. Die Geschichte der UNO ist auch eine Geschichte von Scheitern und Ohnmacht, Enttäuschung und Ernüchterung. Statt im Zentrum der Konfliktbewältigung steht sie abseits, an den Rand gedrängt von den mächtigen Staaten, die aus nationalem Eigennutz ausscheren, geschwächt durch die eigenen Strukturen, die längst nicht mehr zeitgemäß sind. Die Notwendigkeit grundlegender Reformen ist seit Jahrzehnten unstrittig. Vor 20 Jahren präsentierte die von Richard von Weizsäcker geleitete Kommission ihre Vorschläge. Sie fanden viel Beachtung, Zustimmung, Lob und verschwanden in der Schublade.
US-Präsidenten oft als Bremser
Die USA waren vor über 70 Jahren das erste Land, das die UN-Charta ratifizierte und den Vereinten Nationen ihren Sitz in New York anboten. Seither sind US-Präsidenten immer wieder als Bremser und Blockierer in Erscheinung getreten. Ein Großteil der mangelnden Handlungsfähigkeit der UNO ist ihrer Geringschätzung und Missachtung durch die Supermacht zuzuschreiben. Der völkerrechtswidrige Irakkrieg mit seinen verheerenden Auswirkungen bis heute bedeutete einen bitteren Rückschlag für die Prinzipien der Vereinten Nationen.
Außerdem lähmt der Reformstau. Die Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat verweigern sich einer Modernisierung des Gremiums. Die aktuell dramatische Folge: In einer internationalen Krisenlage, die vom Rückfall in die Kalte-Kriegs-Konfrontation geprägt ist, fällt das Herzstück der internationalen Sicherheitsarchitektur in eine Starre. Demokratisch nicht legitimierte, nicht transparente und unkontrollierte Treffen der G7, G8 oder G20 drängen in die Lücke. In den Kaminzimmern steht das Wohl der reichsten Nationen im Vordergrund. Sie reden viel von den globalen Problemen, tragen aber kaum zur Lösung bei. Eine Weltinnenpolitik für Frieden, Gerechtigkeit und bessere Lebensverhältnisse ist von solchen Schattengremien nicht zu erwarten. Deshalb bleibt die Hoffnung auch nach sieben Jahrzehnten auf die Vereinten Nationen gerichtet. „Starke UNO. Bessere Welt.“ Das Motto, das die Vereinten Nationen ihrem Jubiläumsjahr gegeben haben, klingt in seiner Schlichtheit naiv. Doch für die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, vom Klimawandel und Hunger, Terrorismus und Staatenzerfall, bis hin zu Finanz- und Wirtschaftskrise, gibt es keine andere Lösung.
Bildquelle: Wikipedia, Neptuul, CC BY-SA 3.0