Wer eigentlich entscheidet von den Fernseh-Verantwortlichen, was am Abend zur besten Sendezeit läuft? Wer hat zu verantworten, dass seichte Sendungen wie der Quiz-Champion mit Johannes B. Kerner-Immer nur lächeln- um 20.15 Uhr im ZDF laufen? Hat sich niemand die Frage gestellt, ob es nicht besser wäre, mal die Maybrit Illner nach vorn zu ziehen, anstatt sie zwischen 22.15 Uhr und 23.30 Uhr auf Sendung zu lassen? Mit Problemfällen aus unserer Wirtschaft und Gesellschaft, mit Beschäftigten im Niedriglohnsektor, mit Putzfrauen, die selbst mit drei Stellen kaum über die Runden kommen und dann noch von den Arbeitgebern derart gedrückt werden, dass nicht mal der Mindestlohn gezahlt wird? Eine spannende Gesprächsrunde, erstklassig und stringent geleitet von der Journalistin Illner, die dafür sorgte, dass die Menschen ihre Probleme schildern konnten, die aber auch geschickt die Politiker, Arbeitsministerin Andrea Nahes(SPD) und Jens Spahn(CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, in die Gespräche einbaute und auf Antworten pochte.
Ich wollte eigentlich nur ein paar Minuten reinhören in die Sendung mit dem Titel: Wenig Arbeit, wenig Geld.Lohnt sich Leistung noch.Ich blieb hängen bis zum Schluß, weil es eine spannende Runde war, sehr informativ. Man bekam einen Einblick in die Stimmungslage draußen, darüber, warum sich manche Zeitgenossen abgehängt fühlen, weil ihnen kaum jemand zuhört, man sie nicht oder nur unzureichend berät.
Väter drücken sich vor Unterhalt für Kinder
Allein die Geschichte der Christel Finke vom Bodensee, einer alleinerziehenden Mutter von drei Kindern, hätte es verdient gehabt, zur besten Sendezeit über die Mattscheide zu laufen. Die Frau, 50 Jahre alt, eine Autorin, die nach der Scheidung von ihrem Mann ihre Festanstellung verliert, der Mann zahlt keinen Unterhalt. Christel Finke will nicht von Hartz iV leben, also kämpft sie als freiberufliche und selbständige Autorin, schafft und schafft, damit alles bezahlt werden kann. Diese Frau fühlt sich, wie sie betont, von der großen Koalition allein gelassen und rechnet damit, in der Altersarmut zu landen. Reiches, armes Deutschland.
Man erfährt von dieser engagierten Frau, dass die Hälfte der Alleinerziehenden, und das sind fast immer die Väter(90 vh), keinen Unterhalt zahlen, sie drücken sich und erfinden immer neue Tricks. Die andere Hälfte der Hälfte zahlt nur unzureichend oder unregelmäßig den Unterhalt, zu dem sie verpflichtet sind. Warum eigentlich haben diese Väter Kinder in die Welt gesetzt? Diese Frage stellte sich zwischen durch zu Recht Jens Spahn. Die alleinerziehenden Mütter bräuchten dringend eine Festanstellung, die Arbeitgeber aber begegneten diesen Frauen mit falschen Vorurteilen, schildert Christel Finke. Die Frauen würden zumeist
nur in Randjobs, am Abend, am Wochenende oder in den Schichtbetrieb abgeschoben und schlecht bezahlt obendrein. Frau Finke widerspricht dem Vorurteil, Alleinerziehende seien oft krank, nicht engagiert, nicht zuverlässig. „Gerade Alleinerziehende kämen mit großem Engagement zur Arbeit und sind selten krank.“
Jede 5. Familie alleinerziehend
Zur Größenordnung: Jede fünfte Familie ist alleinerziehend, es ist also ein gesellschaftliches Problem, das Millionen betrifft. Aber wie kann man die Väter zur Kasse bitten, wenn nicht über den Entzug des Führerscheins, wie das schon mal gefordert worden war. Christel Finke plädiert für macht eine Alleinerziehungsquote und dazu anonyme Bewerbungen. Und dann sollte man von den Vätern, die sich drücken, soziale Stunden abverlangen. Dann würde die Quote der Zahler rapide steigen. Andrea Nahes stimmt spontan zu, auch Jens Spahn ist dafür.
Auch die Erfahrung der Gebäudereinigerin Christel Wellmann hätte mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt, als quasi im Nachprogramm zu laufen. Eine Frau, die drei Putzstellen hat, und damit rund 1000 Euro Brutto bekommt. Sie arbeitet im Schnitt wie ihre Kolleginnen und Kollegen auch 41 Stunden pro Woche. Die Arbeitsanforderungen, schildert diese Frau, seien derart hoch, dass man es in der knapp bemessenen Zeit nicht schaffe, zum Beispiel 20 Zimmer zu säubern. Also müsse man länger putzen, damit die Arbeit erledigt würde. Allerdings bekäme man dafür dann keine Überstunde bezahlt. So wird selbst der Mindestlohn umgegangen, werden Menschen ausgebeutet.
Klagen über Arbeitsagenturen
Auch der Fall des Ralf von Pradzynski war keine Sternstunde für unsere soziale Marktwirtschaft. Der Mann ist arbeitslos, bewirbt sich und bewirbt sich und bekommt zumeist nicht mal eine Antwort. Zeitarbeit frisst Facharbeit, diese Lehre könnte man aus seinem beruflichen Werdegang ziehen. Oder Thomas Heimerl, (58)ein gelernter Sanitär-Installateur, der 39 Jahre
gearbeitet hat, ehe er ein Burnout erlitt, arbeitslos wurde und der allein durch seine eigene Initiative und die Hilfe seiner Familie heute erfolgreich ein eigenes Restaurant betreibt. Aber bis er dahin kam, blieb er ohne Beratung der Arbeitsagentur, ohne finanzielle Hilfe.(58) Auch der Mann war zu stolz, Hartz IV zu nehmen, er wollte arbeiten, selber Geld verdienen. Oder der junge Mann, Dennis von Becke, der seine Schwierigkeiten erzählt, eine Ausbildung als Heilerziehungspfleger zu finden und der beklagt, wie menschenunwürdig er auf den Ämtern und Agenturen behandelt worden sei.
Schicksale, wie sie offensichtlich täglich passieren. Gestern traf es die genannten Menschen, morgen könnten es Nachbarn sein, Familienangehörige. Menschen, die ohne eigene Schuld in Not geraten, und die dringend unserer Hilfe bedürfen und die unsere Aufmerksamkeit verlangen. Aber ein Quiz mit Kerner ist ja natürlich kuscheliger und nichtssagender.
Bildquelle: Wikipedia, Eckhard Etzold, gemeinfrei
Die öffentlich-rechtlichen Anstalten stehen immer mehr in Konkurrenz zu den privaten Veranstaltern. Um ihnen ihre Daseinsberichtigung nicht absprechen zu können, setzt man auch dann auf Quote, wenn gar keine Werbezeiten verkauft werden können. Wie es scheint, laufen die Quizsendungen auch besser als gesellschaftskritische Magazine – Programmauftrag hin oder her. Keine gute Entwicklung, aber ein Spiegel unserer Gesellschaft
Die Öffentlich-Rechtlichen haben eigentlich einen Auftrag – deshalb werden ja auch die Gebühren von uns Bürgern dafür erhoben. Aber dieser Auftrag … wie war der noch … es war der … ??? Ach, ich glaub, ich weiß es wieder, es war ein Wort mit „B“, ich glaube es war : B E S P A S S U N G …
Es ist schon verwunderlich, dass manche Redakteure meinen, dass Ratesendungen & CO. spannender seien, als das wahre Leben!